"Perspektive 2030": Lebenswerte Stadt mit "Wohnwohlgefühl"

veröffentlicht am 13.07.2017

Für einen besonderen "Lieblingsort" kämpfen Julia, Sophie, Emily und Elisabeth: Sie möchten ihren Schlittenberg in Memmingen Süd erhalten. Die Mädchen besprechen ihren Stadtentwicklungs-Wunsch mit Landschaftsarchitekt Wolf D. Auch vom Planungsteam. Fotos: Sonnleitner

Offene Bürgerwerkstatt zur Stadtentwicklung in der Memminger Stadthalle

Memmingen (dl). Seit Oktober 2015 arbeitet die Stadt Memmingen an einem Stadtentwicklungskonzept. Im vergangenen Jahr wurden vom Planerteam strukturelle Stärken und Schwächen ermittelt und erste Ziele formuliert. Diese wurden nun im kleinen Saal der Stadthalle im Rahmen einer Bürgerwerkstatt vorgestellt, diskutiert und weiterentwickelt und über Stadtentwicklungsziele der nächsten 15 Jahre nachgedacht. Im Anschluss an ein Referat des Planerteams waren die Bürger/innen eingeladen, ihre Anregungen, Wünsche, Kritik und Erfahrungen an Thementischen einzubringen.

"Entlastung der Ortsdurchfahrt von Steinheim", "Verbesserung des ÖPNV", "mehr Bushaltestellen", "durchgängige Radverkehrsnetze", "Stärkung der Altstadt als Wohnstandort für Familien", "den Hochschulstandort Memmingen entwickeln" - das waren einige der Maßnahmen und Ziele, die von den Bürger/innen mit gelben Klebepunkten als Prioritäten markiert wurden. Im Rahmen der Werkstatt konnten die Interessierten sich an Thementischen austauschen und mithilfe von Post-It-Zetteln ihre Anregungen zu den unterschiedlichen Bereichen des Stadtentwicklungsprozesses anbringen.

Probleme und Potenziale Memmingens

Vorausgegangen war ein ausführliches Referat des Planerteams, das den Ergebnisstand der im Oktober 2015 gestarteten Analyse der Probleme und Potenziale Memmingens sowie den Ablauf und die Ziele von ISEK präsentierte: Ziel sei es eine lebenswerte Stadt mit "Wohnwohlgefühl" zu entwickeln. Damit das expansive Flächenwachstum der Stadt nicht zu einer "Zersiedelung der Landschaft" führe, sei eine stärkere Verdichtung auch im Gewerbebereich anzustreben, erklärte Michael Wimmer von "03 Architekten" in München.

Wolf D. Auch ("realgrün Landschaftsarchitekten", München) präsentierte eine Analyse der Stärken und Schwächen der innerstädtischen Lebensräume der Stadt im Kontext mit den sie umgebenden Landschaftsräumen. So sei die zusammenhängende Wall-Anlage ein großer Pluspunkt der historischen Stadtlandschaft, störend wirkten sich dagegen Parkplätze wie die an der alten Villa aus.

"Immenses landschaftliches Kapital"

Die öffentlichen Freiräume seien innerstädtische gut vernetzt, doch stellten die Autobahnen Barrieren dar, erlärte Wolf Auch. Zudem endet die Parklandschaft Neue Welt unschön in einer Container-Abstellfläche. Als "immenses Kapital“ bezeichnete er die Eisenburger Waldlandschaft, das Buxachtal, das Steinheim Feld (trotz des „Problemthemas Verkehr“) und das Hitzenhofenerfeld. 

Fahrradstadt Memmingen

Zum Thema Verkehr referierte Claudia Zimmermann von "brenner Bernard Ingenieure". Sie stellte das Ergebnis einer aktuellen Haushaltsbefragung vor, wonach konstant 44 Prozent der Wege in Memmingen mit dem Auto zurückgelegt würden. Im Vergleich zu anderen Städten ist das Fahrrad in Memmingen ein beliebtes Verkehrsmittel (25 %), der ÖPNV Anteil hingegen bekanntlich schwach.

Lieblings- und "Unwohlfühl"-Orte

Die diversen Themenfelder waren auf Stelltafeln im Stadthallen-Foyer dargestellt.

Auch die Lieblingsorte der Memminger wurden erfragt. Hier liegen Stadtpark, Marktplatz und Altstadt gleichauf mit weitem Abstand vor Fußgängerzone und Schrannenplatz. Bei der Frage "Wo halten sie sich nicht gerne auf?" wurde der Weinmarkt am häufigsten genannt (vor allem wegen des hohen Verkehrsaufkommens), gefolgt vom Bahnhofsbereich.

Als notwendige Maßnahmen im Altstadtbereich nannte Zimmermann ein Parkleit- und ein Wegweisungskonzept sowie weitere Parkplatzangebote am Innenstadtring.

Strategisches Gewerbeflächenmanagement

Zum Bereich „Wirtschaft, Arbeit und Einzelhandel“ referierte Volker Salm von "Salm & Stegen" Geographen und Stadtplaner in München. Als „Herausforderungen der Industrie 4.0“ nannte er ein Strategisches Gewerbeflächenmanagement, „denn die Flächen werden knapper – wer bekommt sie?“. Salm regte an, die Flächenvergabe an Kriterien zu knüpfen, um das Flächenwachstum einzudämmen.

„Die anhaltende Diskussion um Einzelhandelsgroßprojekte wirkt sich negativ auf die Planungs- und Investitionssicherheit aus“, stellte Salm zum Thema "Einzelhandel" fest. Die Attraktivität der (vergleichsweise weitläufigen) Memminger Altstadt basiere auf dem vorhandenen Einzelhandelsangebot.

"Einzelhandel auf Toplagen konzentrieren"

Weiter riet er, den Einzelhandel auf Toplagen konzentrieren und Wohnnutzung in den Nebenlagen zu verstärken. Zu prüfen sei, ob die Altstadt Potenziale für junge Familien biete. Auch neue Wohnformen wie das Wohnen im Alter seien noch nicht besetzt. „Das Areal um das Union-Kino wird einen wesentlichen Beitrag zur Altstadt-Stärkung leisten“, prophezeit Salm.

Unter der Rubrik „Schwächen“ fasste Michael Wimmer schließlich die „Backquaters“ der Altstadt, den belasteten Altstadtring, das Wohnumfeld im Bereich "Soziale Stadt Ost" und die ungenügende Verknüpfung mit der Innenstadt ("abgehängte Quartiere“).

In Richtung auf das Umland nannte er die „ausgefransten Siedlungsränder“ als korrekturbedürftig und riet, das Flächenwachstum „stadtverträglich zu gestalten“. Außerdem gab Salm zu bedenken, der Autobahn-Schallschutz stünde "wie eine Berliner Mauer" in der Stadt.

Die Ergebnisse der Bürgerwerkstatt werden derzeit noch vom Planungsteam ins Konzept eingearbeitet. Ein Bericht folgt baldmöglichst.

Unser Vorschaubild:  Nachdem die Planer aus den Bereichen Städtebau, Architektur, Wirtschaft, Verkehr und Landschaftsplanung die einzelnen Handlungsfelder vorgestellt hatten, konnten die Bürger/innen an Thementischen diskutieren sowie Anregungen für den weiteren Planungsprozess der Stadtentwicklung einbringen.