Pflegestärkungsgesetz II: Was ändert sich ab Januar 2017?

veröffentlicht am 21.10.2016

Vorstand Inge Reichart, Monika Arend (Leiterin häusliche Pflege) und Einrichtungsleiter Bruno Maier erklärten die neuen Regelungen beim Pflegestärkungsgesetz II. Foto: Sonnleitner

Memmingen (as). Anlässlich des bald in Kraft tretenden zweiten Pakets des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) lud die Diakonie Memmingen pflegende Angehörige ins Caroline Rheineck-Haus zu einem Informationsabend ein. Fazit: Statt drei Pflegestufen gibt es ab 1. Januar 2017 fünf Pflegegrade. Mit höheren Beiträgen dürfen dementiell Erkrankte rechnen und Menschen, die nur geringe Pflegebedürftigkeit aufweisen. Für sie wurde der neue „Pflegegrad 1“ eingeführt.

Das wesentlich Neue an der Bewertung der Pflegebedürftigkeit ab 1. Januar ist, dass der Fokus auf den vorhandenen Fähigkeiten liegt und nicht, wie bislang, auf den Schwächen. Diakonie-Vorstand Inge Reichart nennt die bisherige Regelung „defizitorientiert“.

Die Neue orientiert sich daran, wie selbstständig der Pflegebedürftige den Alltag bewältigen kann. Oder umgekehrt ausgedrückt: Verminderte Alltagskompetenz hat ein stärkeres Gewicht als zuvor. „Demenz wird, insbesondere im häuslichen Umfeld, sehr viel höher bewertet“, erklärt Maier. „Die leistungsrechtliche Gleichstellung von Demenzkranken ist ein wichtiger Schritt“, meint Reichart.

Auch Einrichtungsleiter Bruno Maier bezeichnet das neue Gesetz einen „Schritt in die richtige Richtung“: „Bisher wird die Bewertung von Pflegebedürftigkeit nach dem zeitlichen Aufwand bemessen, ab dem Jahreswechsel ist der Grad der Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen der entscheidende Faktor“, erklärt er.

Bezog sich der Begriff der Pflegebedürftigkeit bisher vor allem auf körperliche Beeinträchtigungen, erhalten nun auch Menschen mit geistigen der psychischen Defiziten oder Demenz einen gleichberechtigten Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung. Die kognitiven und sozialen Fähigkeiten spielen eine größere Rolle als bisher. 

Beim Pflegegeld wird „keiner schlechter, aber viele besser gestellt“, so Reichart. Dies betrifft vor allem die schwach Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 1 und 2.

Die bisherigen drei Pflegestufen werden ab 2017 durch fünf Pflegegrade abgelöst, wobei die Anpassung von Menschen, die bereits eine Pflegestufe haben, automatisch erfolgt. Es muss also kein neuer Antrag zum Jahreswechsel gestellt werden. Wer bisher in Pflegestufe 1 eingestuft war, erhält den Pflegegrad 2, kommt eingeschränkte Alltagskompetenz hinzu, sogar Pflegegrad 3, was einem „Doppelsprung“ in der Bewertung entspricht. Neu ist der Pflegegrad 1, der mit 125 Euro im Monat bemessen wird.

Das neue Begutachtungsverfahren enthält sechs Module, wobei die Fähigkeit, sich selbst zu versorgen (dies beinhaltet z.B. Körperpflege und Ernährung) mit 40 Prozent den größten Beurteilungsbaustein darstellt. Die körperliche Mobilität hingegen hat lediglich einen Anteil von zehn Prozent. „Es besteht die Gefahr, dass körperliche Gebrechen ins Hintertreffen geraten“, so Maier.

Die weiteren relevanten Bereiche sind:  Kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Bewältigung von und selbständiger Umgang mi krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie die Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.

Für jedes Modul werden Punkte vergeben, die anschließend addiert werden, um den Pflegegrad zu ermitteln. Zurückstufungen gibt es nicht, der „Besitzstand“ werde auf jeden Fall gewahrt bleiben, versichert Maier den Zuhörern.

Deutlich teurer wird die stationäre Pflege für Pflegebedürftige der unteren Pflegstufen durch den neu eingeführten fixen Eigenanteil, der unabhängig von der Einstufung (nach dem Katalog des medizinischen Dienstes der Krankenkasse) gezahlt werden muss. Dies gilt aber nur für Menschen, die ab 2017 in ein Heim gehen. „Wer bereits  im Heim ist, wird nicht schlechter gestellt“, erläutert Reichart. Dass der Eigenanteil bei tieferer Einstufung steigt, habe der Gesetzgeber so geregelt, damit nur Schwerstpflegebedürftige ins Heim gehen. Der Schwerpunkt soll auf der ambulanten Pflege, präventiven Maßnahmen und Rehabilitation liegen. 

Soziale Absicherung von pflegenden Angehörigen

Die Pflegekasse zahlt ab 2017 bereits ab mindestens zehn Stunden wöchentlicher Pflege, verteilt auf regelmäßig zwei Tage in der Woche, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für Personen, die einen Pflegebedürftigen zu Hause pflegen. Neu ist, dass die Pflegekasse nun auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung übernimmt, wenn die Beschäftigung wegen der Pflege unterbrochen oder ganz aufgegeben wird. Pflegepersonen sind während ihrer Pflegetätigkeit nach wie vor gesetzlich unfallversichert. Reichert wies außerdem darauf hin, dass hilfreiche Leistungen wie der Entlastungbeitrag und die Verhinderungspflege ebenso wie wohnraumverbessernde Maßnahmen von pflegenden Angehörigen bislang nicht ausgeschöpft würden.

Info: Die Diakonie Memmingen deckt das gesamte Spektrum von Beratung über ambulante Hilfe bis zu stationären Leistungen ab. Ansprechpartnerin  für den Bereich „Häusliche Pflege“ ist Leiterin Monika Arend, Telefon 08331/758-0, E-Mail: arend@diakonie-memmingen.de 

Im Internet informieren die Pflegelotsen oder Pflegenavigatoren der Krankenkassen.