Simulierter Großunfall: Salzsäuredämpfe und schwer Verletzte

veröffentlicht am 01.07.2016

Ein Notfalldarsteller vom Bayerischen Roten Kreuz Augsburg wird als Verletzter geschminkt. Im Bild: Sebastian Daasch und Rosemarie Asmanis. Das Vorschaubild zeigt Andreas Land, Leiter der Übungsdarstellung, und Stadtbrandinspektor Wolfgang Bauer. Fotos: Alexandra Wehr/ Pressestelle Stadt Memmingen

Memmingen (dl). Einsatzkräfte üben den Katastrophenfall: Über 250 Einsatzkräfte testen ihre Fähigkeiten bei simuliertem Chemiebrand in der Firma Gelita in der Alpenstraße.„Die Einsatzkräfte sind über eine Übung informiert, aber sie wissen nicht, was sie erwartet“, erläutert Andreas Land, der die Übungsdarstellung leitet. Gemeinsam mit seinem Feuerwehr-Kollegen Roland Stoeber hat er das Übungsgeschehen in den vergangenen Monaten akribisch vorbereitet.

Der Arm sieht schlimm aus: rot-graue Haut, übersät von leicht verkohlten Brandblasen. Sebastian Daasch schaut trotzdem entspannt zu, während sein Arm behandelt wird – mit Schminke und Modellierwachs. Der junge Mann, ein Notfalldarsteller des Bayerischen Roten Kreuzes Augsburg, wird als Unfallopfer mit Verbrennungen dritten Grades geschminkt. Gemeinsam mit ihm bereiten sich 17 andere Frauen, Männer und Jugendliche auf ihre Rolle als Verletzte und Verstörte bei einer Katastrophenschutzübung vor. Das Einsatzszenario: ein simulierter Chemiebrand bei der Firma Gelita.

Die Notfalldarsteller liegen Minuten vor dem gestellten Unfall in ihren angewiesenen Positionen auf dem Boden oder laufen unter Schock umher. Ein Lastwagen steht schräg zwischen Silos, Nebelwerfer simulieren Rauchentwicklung und Brand. Um 18.56 Uhr setzt ein Mitarbeiter der Firma einen Notruf ab, er berichtet der Rettungsleitstelle von einem LKW-Brand.

Andreas Land von der Memminger Feuerwehr klärt eine Reihe Beobachter von Polizei, Rettungsdiensten, Stadtverwaltung und Feuerwehr über das Szenario auf: Ein LKW-Fahrer erleidet in seinem mit Salzsäure beladenen Lastwagen einen Schwächeanfall und rammt ein Silo auf dem Firmengelände. Salzsäure läuft aus, das Gebäude fängt Feuer. Ein erster Löschzug und Rettungsfahrzeuge treffen ein und schnell wird den Rettern klar: Hier muss nachalarmiert werden, es dreht sich um einen Chemie-Unfall. Feuerwehrleute sondieren die Lage: Wo sind Verletzte, ist das Gebäude einsturzgefährdet?

Rettungskräfte analysieren die Lage

„Diese erste Phase ist die so genannte Chaosphase, in der die Rettungskräfte die Lage analysieren müssen“, erklärt Land. Einige Feuerwehrleute richten ein Strahlrohr mit Wassernebel auf den LKW, um den vermeintlichen Säuredampf herunterzudrücken. Das Technische Hilfswerk rückt an und stützt den einsturzgefährdeten Silo mit einem Gerüst. Etwas abseits hat die Feuerwehr eine Art Dusche und einen auf dem Boden liegenden Wasserring zur Dekontamination von Verletzten aufgebaut, die mit Säure in Kontakt gekommen sind.

Bei aller Geschäftigkeit ist es erstaunlich ruhig an der Unfallstelle, beobachtet Gelita-Werksleiter Thomas Zettl. „Als Laie ist man von Heldenfilmen geprägt. Wenn die Feuerwehr kommt, geht es ab.“ Andreas Land schüttelt den Kopf. In der Realität sei bei aller Schnelligkeit vor allem Besonnenheit angesagt, denn kein Retter soll selbst verletzt werden. 

Sicherheitsbedingungen weiter verbessern

Die Einsatzfahrzeuge kommen mit Blaulicht, aber ohne Martinshorn an, um niemanden zu beunruhigen. Einige Schaulustige haben sich trotzdem vor dem Firmengelände eingefunden. Im Empfangsgebäude des Unternehmens sprechen Mitglieder des Katastrophen-Führungsstabs mit Werksleiter Zettl die im Ernstfall notwendige Information von Medienvertretern durch. In welchem Raum könnten Journalisten arbeiten? Wie können Informationen möglichst schnell gegeben werden? „Die Übung ist für uns eine gute Gelegenheit, unsere Sicherheitsvorkehrungen und Maßnahmenpläne unter realen Bedingungen zu testen und weiter zu verbessern“, betont Zettl.

Nach 30 Minuten sind manche Verletzte im Gefahrengebiet noch unversorgt. Die Übungsleitung spielt einen Betriebsangehörigen: „Meine Kollegen haben oben im Silo gearbeitet, die müssen da noch drin sein“, informiert Land den Einsatzleiter. Stadtbrandrat Raphael Niggl gibt Anweisungen, Verletzte mit Hilfe einer Drehleiter im oberen Silobereich zu suchen.

„Die Einsatzkräfte leisten gute Arbeit“

Bürgermeisterin Margareta Böckh kommt in Vertretung des Oberbürgermeisters und macht sich ein Bild vom Ausmaß des Unfalls. „Die Einsatzkräfte leisten gute Arbeit“, beobachtet sie.

Nach einer Stunde zieht die Einsatzleitung vorübergehende Bilanz. 250 bis 300 Einsatzkräfte sind zu diesem Zeitpunkt beteiligt. Es fällt die Entscheidung, dass die nächste Alarmierungsstufe ausgerufen werden muss. Was konkret heißt, dass Stadtbrandinspektor Wolfgang Bauer als Örtlicher Einsatzleiter die Koordinierung aller Einsatzkräfte von Feuerwehr, THW und Rettungsdiensten übernimmt. Um 20.40 Uhr haben sie die gespielte Lage im Griff, die Übung ist zu Ende und die Retter verschnaufen bei einer Brotzeit in der Werkstatthalle der Firma Gelita.