"Weil ich Erzähler bin" - Wolfgang Schorlau liest aus seinem Reality-Krimi "Die schützende Hand"

veröffentlicht am 07.06.2016

Wolfgang Schorlau enthüllt in seinem 2015 erschienenen Kriminalroman "Die schützende Hand" einen  politischen Skandal. Fotos: A. Marx

Memmingen (as). Auf lebhaftes Interesse stieß die Buchvorstellung des Stuttgarter Autors Wolfgang Schorlau im Rahmen des Allgäuer Literaturfestivals. In einem Sitzungssaal des Landgerichts Memmingen las er aus seinem hochbrisanten Krimi „Die schützende Hand“. Der Bestseller beleuchtet die Hintergründe der NSU-Mordserie und bringt dabei Dinge ans Licht, die der Öffentlichkeit bislang unbekannt waren.

„Eine gelungene Dichterlesung“ wünscht Landgerichts-Präsident Heinrich Melzer den Zuhörern im Saal des Memminger Landgerichtes schmunzelnd - wohl wissend, dass Dichtung und Wahrheit in den literarischen Ermittlungen Wolfgang Schorlaus äußerst nah beieinander liegen. So nah, dass der Autor  sogar als Sachverständiger vor den NSU-Ausschuss in Baden-Württemberg geladen wurde.

„Die Sitzung ist eröffnet“

In seinen politischen Kriminalromanen behandelt Wolfgang Schorlau brisante, aktuelle Themen.

„Die Sitzung ist eröffnet“, begrüßt der Autor die gespannten Zuhörer. Schon eingangs schlägt er den Bogen zwischen Fiktion und Realität, indem er seinen Romanhelden, den ehemaligen BKA-Ermittler Georg Dengler, als reale Figur bzw. als eine Art Alter Ego beschreibt, mit dem er nach zehn Jahren der Zusammenarbeit in eine Beziehungskrise geraten war.

So sei Dengler zunächst gar nicht begeistert gewesen, als er den Auftrag erhielt, den angeblichen Selbstmord von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt aufzuklären. Dies ändert sich jedoch, als er erfährt, dass sein Widersacher aus BKA Zeiten "Harry Nopper", mittlerweile Vizepräsident des Thüringer Verfassungsschutzes, einer der Drahtzieher im Netzwerk von Staatsschützern und Neofaschisten ist.

Mundlos und Böhnhardt wurden ermordet

Wie gut, dass es „Marlies“ beim BKA Wiesbaden gibt, die den Privatermittler widerrechtlicherweise mit Verschlusssachen inklusive der Obduktionsberichte versorgt.  Schon bald stößt Dengler (bzw. Schorlau) auf Ungereimtheiten, die nur einen Schluss zulassen: Die Neonazis des Terrortrios um Beate Zschäpe wurden ermordet. Und der Tatort anschließend  systematisch zerstört - auf Veranlassung des Polizeipräsidenten (der später befördert wurde).

Steckt der Staat hinter den Morden? Es wird jedenfalls nicht leicht sein, Schorlaus akribische Recherchen ins Land der Verschwörungstheorien zu verweisen, denn seine literarischen Ermittlungen  beruhen auf Originalquellen. Erwiesen ist auch die enge Verbindung des NSU-Trios zu Thino Brandt, einem der führenden Neonazis der Thüringer Szene, dessen Enttarnung als V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes im Mai 2001 bundesweit Aufsehen erregte.  „Der Verfassungsschutz in Thüringen war sehr rechtslastig, jeder Vierte war ein V-Mann“, so Schorlau in der anschließenden, sehr lebhaften Fragerunde. Seine Vermutung: „Der Thüringer Verfassungsschutz hat die Szene mit Unterstützung des Bundeskriminalamtes aufgebaut und geleitet.“

Kein ungläubiges Staunen

"Weil ich Erzähler bin", antwortet der Autor auf die Frage, warum er seine Erkenntnisse in einem Kriminalroman und nicht in Form journalistischer Beiträge veröffentlicht habe. "Ich suche Themen, bei denen es etwas zu staunen gibt." - Jedenfalls war es kein ungläubiges Staunen, mit dem er seine Zuhörer schließlich entließ.

Info: Wolfgang Schorlau wurde 2006 mit dem Deutschen Krimipreis und 2012 mit dem Stuttgarter Krimipreis ausgezeichnet. Die Lesung fand in Kooperation der Volkshochschule Memmingen mit dem Memminger Kulturamt statt.