"Populisten nicht ausgrenzen"

veröffentlicht am 20.05.2017

Atemberaubend: Das Duo „Sos und Victoria Petrosyan“ hält den Weltrekord in "quick change" (Kostümwechseln). Fotos: Sonnleitner

Wirtschaftswissenschaftler Dr. Freytag spricht auf IHK-Maiempfang

Erkheim (as).  Im Mittelpunkt des Maiempfangs der IHK-Regionalversammlung Memmingen und Unterallgäu in der HausSchneiderei der Holzbaufirma  Bau-Fritz stand der Vortrag von Professor Dr. Andreas Freytag zum Thema „Populismus im Aufschwung – Folgen für die Wirtschaftspolitik“. Doch neben kritischen Tönen gab es auch zauberhafte Unterhaltung.

So staunten die geladenen Gäste über die atemberaubenden Verwandlungskünste des Duos „Sos und Victoria Petrosyan“, das den Weltrekord im Kostümwechseln hält.  

Zu Wort kamen neben der Geschäftsführerin Dagmar Fritz-Kramer auch zwei Azubis der Firma Baufritz, die frisch, forsch und charmant über ihre Ausbildung plauderten: „Wir können auch eigene kleine Projekte umsetzen und Ideen einbringen“.

Viel Applaus ernteten die beiden Bau-Fritz-Azubis, die frisch und frei über ihre Ausbildungen als Bauzeichnerin und Zimmerin sprachen. 

Ikea "ja", Fachmärkte "nein"

In einem Gespräch mit Moderator Heinz Wendel erläuterte Gerhard Pfeifer als ihr stellvertretender Präsident die Position der IHK Schwaben zur geplanten Ikea-Ansiedlung: „Ikea ist uns willkommen. Äußerst kritisch sehen wir jedoch die Ansiedlung von Fachmärkten auf einer Einzelhandelsfläche, die fast so groß ist wie die gesamte Verkaufsfläche im Stadtgebiet“, so Pfeifer. Dies gehe zu Lasten des städtischen Einzelhandels und der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt. „Außerdem fordern wir die Überarbeitung der Verkehrssituation in der Einfahrt und am Kreisel bevor Ikea sich ansiedelt “, ergänzte er.

Ursachen des Populismus

Um Wirtschaftspolitik in größerem Maßstab ging es in dem Vortrag von Andreas Freytag. Der Professor für Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena bezeichnet „das Versagen der Demokratie und ihrer Repräsentanten“ als Ursache des wachsenden Populismus, gegen den es die offene Gesellschaft zu verteidigen gälte. Die Politiker hätten die Verlierer des Strukturwandels vernachlässigt, es gäbe nicht genug Chancen und Bildungsangebote. Durch den fehlenden Konsenz in der Einwanderungspolitik sei zudem die Integration „als Bring- und Holschuld“ nicht vernünftig umgesetzt worden. 

Prof. Dr. Andreas Freytag referierte zum Thema "Populismus".

All diese Faktoren bieten den Nährboden für „das Spiel mit der Angst“ extremer politischer Kräfte, welche die Furcht vieler Bürger vor (Sicherheits-)Verlust und Überfremdung mit einfachen, aggressiven Thesen kanalisieren und ein „Wir-gegen-die“-Gefühl erzeugen. Denn die Eigenverantwortung im Zuge der Individualisierung der Gesellschaft überfordere viele Menschen, meint Freytag. Ein großes Problem sei auch der Verlust des Vertrauens in Eliten und Autoritäten, zu dem u.a. die Bankenrettung und die Gehalts-Exzesse auf Manager-Ebene beigetragen hätten.

Abschottung und Ablehnung des Freihandels

Gemeinsame Agenda des Populismus rechter und linker Kräfte sei die Abschottung und die Ablehnung des Freihandels und offener Märkte. Als Beispiel nennt Freytag die protektionistischen Maßnahmen von US-Präsident Donald Trump, die kurzfristig Erfolg brächten, auf lange Sicht jedoch zu Wohlstandverlust führten. Trump müsse lernen, dass kein bilateraler Deal mit einzelnen europäischen Staaten möglich sei. Es könne nur Verträge mit der gesamten EU geben. Der Umgang mit Populisten wie Trump erfordere „Ruhe, Unaufgeregtheit, Beharrungsvermögen und Selbstkritik“.

„Es wird nicht einfach, den Populismus zu überwinden“, prognostiziert Freytag schließlich, doch solle man Populisten nicht ausgrenzen, sondern sich ihren Argumenten als "Ausdruck gelebter Demokratie" stellen.

Als Grundrezepte für den Erhalt der offenen Gesellschaft nannte der Wissenschaftler eine "Renaissance der Ordnungspolitik", den Abbau von Subventionen und Bürokratie, eine Reform der Steuer- und der Einwanderungspolitik sowie ein „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“. Außerdem gälte es, die Rolle der Unternehmer zu stärken und Verteilungsfragen zu diskutierten. Grundsätzlich müsse in der Wissenschaft mehr inhaltlich als formal geforscht werden, die deutsche Wirtschaftspolitik benötige jedoch eine wissenschaftliche Grundlage.

„Soziale Marktwirtschaft scheint mir wichtiger zu sein denn je“, schloss Professor Freytag seinen Vortrag.

Unser Vorschaubild zeigt Gerhard Pfeifer, stv. Präsident der IHK Schwaben, Bau-Fritz-Geschäftsführerin Dagmar Fritz-Kramer, Prof. Dr. Andreas Freytag, Klaus Rudolph, Vizepräsident der IHK Bodensee-Oberschwaben und Markus Anselment, stv.  Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben.