Memmingen (as). In ihren 30 Jahren als Memminger Stadtführerin hat die muntere Bankkauffrau und Stadträtin Sabine Rogg viel erlebt. So gibt es nicht nur etwa 30 Führungen voller Geschichten und Anekdoten über historische Ereignisse und Persönlichkeiten, sondern auch kuriose Geschichten über die Stadtführungen selbst. Einige davon hat sie der "Lokalen" erzählt.
„Fräulein, mein Gebiss ist gebrochen“, auch für unvorhersehbare Notfälle muss eine Stadtführerin ein offenes Ohr haben. Im Mittelalter wäre es wohl zudem als schlechtes Omen gedeutet worden, wenn eine alte Frau bei einer Stadtführung ausgerechnet vor dem Hexenturm ohnmächtig wird. Und wenn die Kinderlehrkirche kahl wirkt, weil Teilnehmer den Blumenschmuck einfach als Souvenir mitnehmen, ist dies zumindest ein schlechter Auftakt für die nächste Messe.
„Kurioserweise passiert immer in Kirchen etwas“, erzählt Sabine Rogg. „Einmal habe ich abends in der Frauenkirche die falschen Schalter gedrückt – ich wollte das Licht in der Sakristei anschalten, stattdessen ertönten auf einmal die Kirchenglocken mit lautem Getöse“. Gott sei Dank war Pfarrer Wagner schnell zu Stelle, um den „Fehlalarm“ zu beenden.
"Die Stadtkatze ist ökumenisch"
Für kleine Showeinlagen sorgt Stadtkatze Lilli, eine leidenschaftliche Teilnehmerin bei Stadtführungen. „Als wir einmal die Martinskirche betraten, lag Lilli brettlesbreit auf dem Altar“. Das Tier schätzt die kühle Stille eines Kirchenraumes – kein Wunder, denn sie ist bei Pfarrer Ralf Matthes am Martin-Luther-Platz zuhause. „Lilli ist aber ökumenisch“, versichert Rogg lächelnd.
Situationskomik ist ein schönes Zuckerl, doch natürlich steht die Wissensvermittlung im Vordergrund. „Als Stadtführerin muss man wissen wo man die Leute abholen muss und wo man sie hinbringen will“, erklärt Sabine Rogg. Oft agiere ich aus dem Bauch heraus mache spontaner Abstecher. Ich nehme einfach mit, was gerade an Sehenswertem auf dem Weg liegt." So ist keine Stadtführung wie die andere und auch nach so vielen Jahren merkt man Rogg die Begeisterung für ihr historisches Hobby an, dass sie zwei Mal in der Woche abends oder am Wochenende bei Wind und Wetter vor die Tür bzw. die Stadttore treibt.
Sabine Rogg, die sich privat als schüchtern bezeichnet, hält gerne Vorträge. „Es ist toll, wenn man die Leute gepackt hat. Wenn der Funke überspringt, ist das auch für mich inspirierend." Ihre Laufbahn begann Pfingsten 1977: Als 17-jährige Schülerin verdiente sich Rogg ihr Taschengeld im Bauernhofmuseum Illerbeuren. 1984 schlug der verstorbene Heimatpfleger Uli Braun ihr vor, durch Memmingen zu führen. Heute teilen fünf Frauen die immense Themenpalette der gebuchten und öffentlichen Führungen unter sich auf.
Ein Lieblingsthema hat Rogg nicht: „Wir haben alle Führungen als Team kreiert, es sind unsere Babies, die wir die wir aufgezogen, gehätschelt aber auch getrimmt haben“, so Rogg. Oft entwickeln sich aus dem Angebot Erfolgsstories wie die Gruselführung.
Führungen brauchen Event-Charakter
„Wichtig ist, dass die Führungen Event-Charakter haben, dass sie kurzweilig und unterhaltsam sind", erklärt Rogg. Man zähle keine Jahreszahlen auf wie vor 20 Jahren, sondern erzähle aus dem Alltag der Menschen damals. "Die Leute merken sich nicht, aus welchem Jahr ein Haus stammt, sondern eher, warum eine Etage darin niedriger ist als die andere“, weiß Rogg.
Der Erfolg zeigt sich auch darin, dass viele junge Leute Führungen mit Titeln wie "Desperate Housewives im 17. Jahrhundert“ besuchen. „In den letzten 15 bis 20 Jahren hat sich viel getan“, sagt die gebürtige und überzeugte Memmingern Rogg. "Die Menschen sind sensibilisiert für die Schönheit der Stadt, viele finden Memmingen 'zauberhaft'.“