Schwaben (dl/as). Sollten Selbstständige künftig verpflichtend in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen? Diese Frage beschäftigt derzeit Politik und Wirtschaft gleichermaßen. Die Vollversammlung der IHK Schwaben positioniert sich klar: Eine Pflichtmitgliedschaft lehnt sie ab und plädiert stattdessen für flexible Vorsorgemodelle mit Wahlfreiheit.
Die von der Bundesregierung eingesetzte Rentenkommission soll bis zum Sommer 2026 Vorschläge zur Zukunft des deutschen Rentensystems erarbeiten. Dabei wird auch eine verpflichtende Einbeziehung von Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung diskutiert. Die IHK Schwaben spricht sich in einem nun verabschiedeten Positionspapier deutlich dagegen aus.
„Unternehmerinnen und Unternehmern sollte ein möglichst breites Spektrum an Altersvorsorgemöglichkeiten offenstehen“, betont Nina Reitsam, Leiterin des Bereichs Unternehmensservice bei der IHK Schwaben. Eine pauschale Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung sei daher nicht zielführend – insbesondere für Soloselbstständige und Kleinstunternehmen.
Soloselbstständige besonders betroffen
Rund 78 Prozent der IHK-Mitgliedsbetriebe in Bayerisch-Schwaben sind Soloselbstständige oder Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten. Sie bilden einen zentralen Pfeiler der regionalen Wirtschaft, sehen sich jedoch bereits heute mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert: von hoher Bürokratie über rechtliche Unsicherheiten bis hin zu Problemen rund um die Scheinselbstständigkeit.
„Diese Betriebe tragen ein hohes unternehmerisches Risiko und verfügen oft über schwankende Einkommen“, so Reitsam. Viele organisierten ihre Altersvorsorge daher individuell – etwa über private Vorsorgeformen, berufsständische Versorgungswerke, Betriebsvermögen oder Immobilien. Eine verpflichtende Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung könne bestehende Vorsorgestrategien entwerten und insbesondere in der Gründungsphase zu erheblichen finanziellen Belastungen führen.
Vorsorgepflicht ja – aber mit Wahlfreiheit
Grundsätzlich hält die IHK Schwaben eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige für sinnvoll. Entscheidend sei jedoch die Ausgestaltung. „Wir brauchen flexible, verlässliche und rechtssichere Lösungen“, betont Reitsam. Starre Vorgaben würden unternehmerische Initiative ausbremsen und die Eigenverantwortung schwächen.
Das verabschiedete Positionspapier spricht sich daher für eine Vorsorgepflicht mit Wahlfreiheit aus. Entscheidend sei das Ziel einer verlässlichen Altersabsicherung – nicht der Weg dorthin. Voraussetzung dafür seien transparente Kriterien, Planungssicherheit sowie Bestandsschutz für bereits getroffene Vorsorgeentscheidungen.
Mehr Rechtssicherheit gefordert
Darüber hinaus fordert die IHK Schwaben klare Regelungen und mehr Rechtssicherheit beim Thema Scheinselbstständigkeit. Eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens sei dringend notwendig. Auch die hohe bürokratische Belastung für kleine Unternehmen müsse reduziert werden.
„Die derzeitigen Rahmenbedingungen führen zunehmend zu Geschäftsaufgaben“, warnt Reitsam. Besonders bei jungen, gut ausgebildeten Selbstständigen seien Abwanderungstendenzen erkennbar – ein Signal, das die Politik ernst nehmen müsse.