Peter Lasser, Personalleiter der Firma Magnet-Schultz, mit Qualitätsfachfrau Maria Walter (Mitte) im Gespräch mit der Behindertenbeauftragten der Stadt Memmingen Heidi Dintel. Foto: SonnleitnerMemmingen (as). "Schwer behinderte Menschen haben vom wirtschaftlichen Aufschwung wenig profitiert", bedauert Marianne Meyer, die Behindertenbeauftragte des Landkreises Unterallgäu. Gemeinsam mit Heidi Dintel, der Behindertenbeauftragten der Stadt Memmingen, lud sie zum "Regionalen Tisch für Arbeit" ins Maximilian-Kolbe-Haus.
Um einen runden Tisch sitzt man, zumindest vorerst, noch nicht. Doch die Informationsveranstaltung für Arbeitgeber im Kolbe-Haus ist ja auch erst der Auftakt für eine bessere Integration behinderter Arbeitnehmer in Allgäuer Firmen.
Beschäftigungsquote behinderter Menschen im Allgäu sehr niedrig
Dass einiges an Nachholbedarf besteht, was das Engagement der Unternehmer betrifft, zeigen ernüchternde Zahlen: Die Beschäftigungsquote behinderter Menschen in Betrieben liegt im Allgäu bei 3,4 Prozent - damit befände man sich auf dem letzten Platz in Bayern, berichtete Roland Lumpe, Leiter der Abteilung Reha von der Arbeitsagentur Kempten-Memmingen.
"Inklusion bedeutet mehr als Integration", erklärte Heidi Dintel den etwa 150 Zuhörern. "Am richtigen Arbeitsplatz können blinde, seh- und hörbehinderte sowie körperbehinderte Menschen Leistungen erbringen wie jeder andere auch", so Dintel. Mit Unterstützung gelte dies auch für psychisch behinderte Menschen. Und wer Steuern und Sozialabgaben zahle, müsse auch keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Inklusion sei somit auch volkswirtschaftlich gesehen ein Muss.
"Kein Akt sozialer Wohltat, sondern Chance für das Unternehmen"
"Der Pauschalbegriff 'schwerbehindert' sagt erst einmal nichts über die Potenziale eines Menschen aus", erklärte Landrat Hans-Joachim Weirather, der bedauerte, dass Behinderte in seinem Landkreis offenbar einen erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt hätten. "Es muss kein Akt sozialer Wohltat sein, Beschäftigungsverhältnisse für Behinderte zu begründen. Es kann vielmehr auch eine Chance sein, das eigene Unternehmen besser aufzustellen", so der Landrat. Beschäftigung und Arbeit bedeute Teilhabe und sei ein wesentliches Element der Inklusion.
Diese Ansicht vertrat auch Wirtschaftsstaatssekretär Franz Josef Pschierer, der daran erinnerte, dass Behinderung ein dynamischer Prozess sei, der jeden Menschen betreffen könne. Zwar mache das Erwerbsleben allein nicht die Wertigkeit eines Menschen aus, es sei jedoch wichtig, gefordert und gebraucht zu sein. "Es gibt keine Menschen, die nur Schwächen oder Stärken haben", so Pschierer abschließend. "Wir müssen den Menschen die Chance geben, die sie verdient haben, dann haben wir auch für den Wirtschaftsstandort Bayern etwas getan".
Im Anschluss hatten die Praktiker das Wort: Stefan Bischof vom sonderpädagogischen Förderantrag Reichsheinschule machte deutlich, dass die Angebote für Menschen mit Handikap bereits im Vorschulalter beginnen.
Vermittlungsquote von 100 Prozent im Baugewerbe
Über das Berufsbildungswerk Ursberg berichtete Malermeister Georg Sirch. 140 Jugendliche werden dort von 60 Mitarbeitern individuell auf das Berufsleben vorbereitet. "Wir üben nicht, wir arbeiten tatsächlich", so Sirch. Die Vermittlungsquote betrage 70, im Baugewerbe sogar 100 Prozent.
Claudia Breuel-Ostler von der Handwerkskammer für Schwaben berät Betriebe, die Jugendliche mit Handikap ausbilden und beschäftigen. "Unser Ziel ist, dass die Jugendlichen in einem für sie zugänglichen Arbeitsmarkt durch frei gewählte Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen können", erklärte Breuel-Ostler.
Über die Arbeit der Unterallgäuer Werkstätten informiert Marie-Luise Breitfeld. "Wir arbeiten mit über 60 Firmen zusammen". Für ihre "hoch motivierten Mitarbeiter" wünscht sie sich "neugierige und offene Unternehmen".
Viele attraktive Förderungen für Arbeitgeber
Im zweiten Veranstaltungsblock referierten Roland Lumpe von der Arbeitsagentur Kempten-Memmingen, Johann Meyer vom Integrationsamt Schwaben, Dieter Kranzfelder von der Deutschen Rentenversicherung Schwaben sowie Monika Prokesch vom Integrationsfachdienst Allgäu über Förder- und Beratungsmöglichkeiten. Es wurde deutlich, dass es viele durchaus attraktive Angebote für Arbeitgeber gibt, die bereit sind, Arbeitsplätze für Schwerbehinderte zu schaffen.
"Der Betrieb steht als Lernort zur Teilhabe am Arbeitsleben an erster Stelle", betonte Roland Lumpe. Die Eingliederungszuschüsse betragen bis zu 70 Prozent - auch eine Probebeschäftigung für einen Zeitraum von drei Monaten ist möglich.
"Man will ja auch zeigen, dass man was drauf hat"
Über gelungene Teilhabe von Menschen mit körperlichem und psychischem Handikap sowie einer Lernbehinderung berichteten drei Betroffene, die bei den Firmen Christ Elektronik, Magnet-Schultz und Bau-Glass beschäftigt sind. Die Personalleiter zeigten sich sehr zufrieden mit der Arbeit ihrer Mitarbeiter. Kein Wunder, denn diese sind meist besonders stark motiviert "es zu schaffen": "Man will ja auch zeigen, dass man was drauf hat", formulierte es ein Konstruktionsmechaniker, der wegen starker Angststörung in Behandlung war.
Heidi Dintel ist zufrieden mit dem Erfolg der Veranstaltung. 1.300 Einladungen hat sie verschickt, angemeldet haben sich 65 Firmenvertreter „und die sind auch gekommen“, berichtet Dintel und ergänzt: "Ich habe auch bereits einige Anfragen erhalten."
Weitere Informationen sowie die Referentenbeiträge auf der Internetseite des Behindertenbeirates unter www.behindertenbeirat.memmingen.de