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"Memmingen braucht endlich ein bürgerfreundliches Entwicklungskonzept" - Ein Gespräch mit dem ÖPD-Vorsitzenden Prof. Dr. Dieter Buchberger

veröffentlicht am 08.01.2016

Dieter Buchberger Der ÖDP-Vorsitzende Prof. Dr. Dieter Buchberger. Foto: privat

ÖDPMemmingen (as). Das neue Jahr hat begonnen, die Parteien melden sich zu Wort und geben auf Neujahrssitzungen ihre Meinung zu aktuellen Fragen und Projekten kund. Zentrale Themen beim Dreikönigsfrühschoppen der ÖDP waren der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) sowie die Energie und Wirtschaftspolitik der Stadt. Lokale-Redakteurin Antje Sonnleitner sprach mit dem ÖDP-Vorsitzenden Prof. Dr. Dieter Buchberger.

Herr Professor Buchberger, die lang schwelenden Diskussionen um den ÖPNV scheinen allmählich konkret zu werden?

Ja, doch nach wie vor gestalten sich die Planungen sehr schwierig, da Oberbürgermeister Dr. Holzinger als dessen Vorsitzender den ÖPNV-Ausschuss leider nicht einbindet. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern des ÖPNV-Ausschusses hat es unsere Stadtratskollegin Heike Essmann als zuständige Stadtratsreferentin jedoch geschafft, sich Gehör in dieser wichtigen Frage zu verleihen.

Im Februar soll ein Gutachtergespräch stattfinden. Was ist geplant, was soll sich ändern?

Es gibt nach wie vor zu viel Individualverkehr. Neue Parkhäuser werden gebaut, aber es ist kein Geld da, um den Busverkehr auszubauen und die Stadtteile anzubinden. Hier lässt die Stadt sogar Zuschüsse verfallen. Doch der ÖPNV gehört ebenso zur kommunalen Daseinsvorsorge wie Strom. Wasser. Wenn das Gutachten vorliegt, kann der Nahverkehrsplan für die nächsten neun Jahre (wir geraten bereits in Verzug) gemeinsam mit dem Landkreis Unterallgäu beschlossen werden.

Aus einer EZA-Studie geht hervor, dass der Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 in Memmingen erheblich höher als in den anderen Allgäuer Städten ist. Wie kann man hier gegensteuern?

Wir liegen rund 90 Prozent über dem bayrischen und knapp 25 Prozent über dem deutschen Durchschnitt. Hier stehen der Stadt auch vor dem Hintergrund des Pariser Klimaabkommens in nächster Zeit große Aufgaben bevor. Als Ingenieur für Energiewirtschaft fordert unser Stadtratskollege Florian Buchberger, die Potenziale des ÖPNV, von Gebäudesanierungen, Nahwärmeversorgung und Elektromobilität zu nutzen - z.B. bei der Sanierung alter Parkhäuser Ladestationen einzubauen.

Sie sehen sowohl in Bezug auf das Bahnhofs- als auch auf das geplante Ikea-Areal die Gefahr, dass Filialisten, die keine Bindung zur Memminger Altstadt haben, auf die neuen Handelsflächen umsiedeln?

Durchaus, doch beim Thema Bahnhofsareal ist es unserem Stadtratskollegen Michael Hartge gelungen, fraktionsübergreifend Anregungen zum Schutz der Memminger Innenstadt durchzusetzen. Statt dort ein riesiges Shoppingcenter anzusiedeln, gibt es nun eine Investorenausschreibung die ganz gezielt auch die Wohnnutzung eines des Areals forcieren soll.

Wäre eine Ikea-Ansiedlung ohne das geplante Fachmarktzentrum für die ÖDP zustimmungsfähig? Falls es doch zum „Komplettpaket“ kommt, was kann man tun um Leerständen in der Innenstadt vorzubeugen?

Wir sehen keine Notwendigkeit für eine Ikea-Ansiedlung, beugen uns aber schweren Herzens dem Willen der Mehrheit des Stadtrates – obwohl wir den Vertrauenschutz der Händler in der Innenstadt, die zuletzt die Altstadtsanierung mitbezahlt haben, als Verpflichtung verstehen. Mit den Fachmärkten wird „auf der grünen Wiese“ ein innenstadtrelevantes Sortiment von ca. 15.000 bis 20.000 Quadratmetern entstehen. Leerstände in der Innenstadt sind dann nicht zu vermeiden und können auch nicht kompensiert werden, da insbesondere der Internethandel dem Präsenzhandel stark zusetzt.

Ein Gewinn für die Stadt sind doch zumindest die zusätzlichen Gewerbesteuereinnahmen?

Nicht unbedingt, Ikea zahlt in Deutschland durch eine Spezialvereinbarung mit dem jetzigen EU-Ratspräsidenten Junker und weitere „intelligente“ Steuerkonstruktionen faktisch keine Körperschaftssteuer und leistet an Gewerbesteuern nur einen Bruchteil dessen von dem was ein regionaler Unternehmer aufbringen würde.

Ein weiteres drängendes Thema ist der Klinikverbund mit dem Unterallgäu. Ist hier endlich eine Entscheidung in Sicht?

Nein, aber dringend vonnöten. Es muss Vereinbarungen geben, wie sich die einzelnen Kliniken in Hinblick auf eine überregionale Versorgung aufstellen sollen, damit die Bürger unserer Region eine fachlich qualifizierte, möglichst wohnortnahe und dennoch bezahlbare stationäre Versorgung haben. Mit Dr. Susanne Hartge haben wir ein kompetentes Mitglied im Klinikumssenat. Die laufenden Verhandlungen sind allerdings noch vertraulich.

Ein Blick in die jüngste Vergangenheit: Ist das heftig umstrittene Airportgelände nun kein Thema mehr für die ÖDP, wurde der Ausgang des Bürgerentscheid als Wille des Volkes „widerspruchslos“ akzeptiert?

Wir werden im Interesse der Steuerzahler uns darum kümmern, dass der Steuerzahler nicht für Versäumnisse der Politik haften muss. Der Quadratmeterpreis von 60 Euro ist völlig überhöht, zumal die Stadt Memmingen von den etwa zwei Millionen Pacht- und Mieteinnahmen aus Parkplätzen und Immobilien auf dem Airport-Gelände nur etwa einen Anteil von 15.000 Euro bekommt.

Wie sieht es mit der Haftung für eine ggf. erforderliche Altlastenentsorgung aus?

Durch eine schriftliche Erklärung der BIMA war den Gremien der Stadt und des Landkreises bereits länger bekannt, dass diese nicht für die Beseitigung von Altlasten auf den von uns zu erwerbenden Grundstücken zahlt. Dies geht auch aus der Bundestagsdrucksache 18/6997  (S. 36/37) klar hervor (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/069/1806997.pdf). Oberbürgermeister Dr. Holzinger und Landrat Weirather haben hier falsch informiert. Nun sind die Kreis- und Stadträte ggf. in der Haftung für Sanierungskosten, sofern die Grundstücke zum bisher festgelegten Preis angekauft werden, bzw. tatsächlich Sanierungskosten auf uns zukommen.

Und wieder zurück in die Zukunft: Wieso sind alle Parteien so zurückhaltend, was eine Nominierung des zukünftigen Memminger Oberbürgermeisters betrifft? Wer ist Ihr Kandidat?

Nach unseren Informationen tun sich die Parteien schwer, geeignete Kandidaten zu finden. Die ÖDP beabsichtigt nicht, dieses Mal einen eigenen Kandidaten zu stellen. Wir hoffen, dass wir eine Kandidatin oder einen Kandidaten einer anderen Partei unterstützen können.

Die ÖDP-Fraktion im Stadtrat ist mittlerweile auf fünf Mitglieder angewachsen. Neue Mitglieder brachten neue Impulse und Themen ein. Wo sehen Sie die Schwerpunkte für Memmingen in den nächsten Jahren?

Memmingen braucht endlich ein bürgerfreundliches Entwicklungskonzept, wie es unsere Nachbarstädte (Neu-)Ulm, Kempten schon längst haben. Unser Stadtrat Michael Hartge weist immer wieder auf dieses Thema hin. Wir können die Stadt nicht länger nur nach Investorenwünschen gestalten. Dies gilt umso mehr, da - für uns unvorstellbar - laut Oberbürgermeister Dr. Holzinger eine Einwohnerzahl von 100.000 anvisiert wird. Ein Wachstum muss maßvoll und geplant stattfinden.

 

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