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Schöne neue Welt dank TTIP - Kommentar

veröffentlicht am 28.02.2015

AntjeMemmingen (as). Es sind geradezu paradiesische Zustände, die der Europaabgeordnete Markus Ferber in seinem Vortrag beschreibt. Unterm Strich hat TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) für uns demnach nur Vorteile. Abbau von Verbraucherschutz, Daseinsvorsorge und Demokratie? Alles kein Thema, da nicht verhandelbar. Und hat nicht die Erfahrung erst jüngst im NSA-Skandal gezeigt, wie ernst die Amerikaner unsere Wünsche und Vorstellungen nehmen?

Ferber war die zunehmende Ungeduld mit den renitenten Wählern im Saal anzumerken. Die Amerikaner zeigen sich nämlich zunehmend frustriert über die „Dämonisierung“ der Schiedsgerichte. Deutschland lebe vom Freihandel und könne sich "Unwohlsein" nicht erlauben, mokierte sich Vize-Kanzler Sigmar Gabriel im Bundestag über die Bedenkenträger. Und Kanzlerin Merkl drückt aufs Gas, weil Europa angesichts der Abkommen im asiatisch-pazifischen Raum zurückzufallen drohe.

Es geht im Kern eben nicht, wie Ferber nicht müde wurde, zu behaupten, um die „Harmonisierung“ von Standards und die Abschaffung von Zöllen. Nein, unsere Politiker quälen globalere Ängste: Die westliche Welt muss sich einigen, um nicht zum „Opfer asiatischer Standards“ zu werden, wie Ferber es ausdrückte. Und die „Wirtschafts-NATO“ TTIP soll sicherstellen, dass die globalen Wirtschafts-Spielregeln weiterhin vom Westen aufgestellt werden.

Herrschaft der Konzerne

Und weil globale US-Konzerne ein ähnliches Partnerschaftsabkommen für den pazifischen Raum anstreben, steuern wir damit auf ein System zu, das die Herrschaft der mächtigsten Kapitalgruppen über den Großteil der Welt zementiert. Juristisch abgesichert wird dies durch Schiedsgerichte, die den wirtschaftlichen Interessen zuwiderhandelnde Länder – und damit den Steuerzahler - mit Handelssanktionen bestrafen können, wenn Investoren nicht die erwarteten Gewinne erzielen.

Wozu Schiedsgerichte?

Doch hier scheiden sich die Geister. Wozu brauchen Länder mit funktionierenden Rechtssystemen eine Investitionsschutzklausel? Besonders Frankreich wehrt sich. Während es bereits gelang, öffentliche Dienstleistungen, Wasserversorgung und Bildung aus den Verhandlungen auszuklammern, kam es beim Thema Investitionsschutz auch in der achten Verhandlungsrunde zu keiner Annäherung. Dass die USA an den Schiedsgerichtsverfahren festhalten, sehen Kritiker als Indiz dafür, dass es beim Investorenschutz primär um den Ausbau unternehmerischer Macht geht. Ein Spezialrecht für die Wirtschaft also - wen wundert das, wenn 600 offizielle Berater der Großkonzerne privilegierten Zugang zu den Dokumenten und zu den Entscheidungsträgern haben? Kein Wunder ebenso, dass Ferber spöttisches Lachen erntete mit seiner Behauptung, die Konzerne seien nicht die Profiteure des Freihandels.

Wirtschaftswachstum - Prognose umstritten

Mit Vorsicht zu genießen ist auch das Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent, das TTIP uns angeblich beschert. So heißt es in einem Diskussionspapier der Tufts University, durch TTIP würden 600.000 Arbeitsplätze in Europa verloren gehen, außerdem ist von Einkommensverlust und sinkender Lohnquote die Rede.

Nun sind Studien und Prognosen mit Vorsicht zu genießen und dienen meist dem, der sie in Auftrag gibt. Doch eine gesunde Skepsis sei dem kritischen Menschenverstand vergönnt, auch wenn Sie ungeduldig werden, liebe Volksvertreter.

Antje Sonnleitner