
Memmingen (as). Anlässlich der Wahlen der betrieblichen Schwerbehinderten-vertretung, die alle vier Jahre in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 30. November ansteht, erneuert der vdk Ortsverband Memmingen die bereits im August vom Sozialverband vdk Deutschland aufgestellte Forderung nach einer deutlich höheren Ausgleichsabgabe, wenn sich Arbeitgeber ihrer Beschäftigungspflicht für Schwer-behinderte entziehen.
„Trotz der allgemein guten wirtschaftlichen Lage auf dem Arbeitsmarkt sind etwa 180 000 Menschen mit Behinderung in Deutschland ohne Beschäftigung“, kritisiert der Vorsitzende des vdk Memmingen Heinrich Minst. Viele Menschen mit Schwerbehinderung seien hoch qualifiziert und motiviert, fänden aber dennoch keine Beschäftigung. „Gerade angesichts des oftmals beklagten Fachkräftemangels ist es nur schwer nachvollziehbar, wenn ein qualifizierter Bewerber nicht eingestellt wird, weil er im Rollstuhl sitzt“, so Minst.
"Viele Arbeitgeber zahlen lieber die Ausgleichsabgabe"
Auch in Memmingen und im Landkreis Unterallgäu sei die Arbeitslosenquote Schwerbehinderter überdurchschnittlich hoch. „Viele Arbeitgeber zahlen lieber die Ausgleichsabgabe, als einen Behinderten einzustellen.“ Hat ein Arbeitgeber mindestens 20 Arbeitsplätze, hat er fünf Prozent davon mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Wenn er diese Beschäftigungspflicht verletzt, muss er eine Ausgleichsabgabe entrichten, die zwischen 115 und 290 Euro monatlich liegt.
Der Ausreden gäbe es viele, beklagt Minst. Solche wie: „Ich kann das meinen anderen Mitarbeitern nicht zumuten“ oder „Ich kann mir einen behindertengerechten Arbeitsplatz nicht leisten.“ Doch werde dabei gern vergessen, dass die Regierung von Schwaben Fördermittel für einen Umbau bereitstellt. Braucht ein blinder oder schwer sehbehinderter Mensch z.B. eine Arbeitsassistenz, werden auch diese Kosten von den Integrationsämtern übernommen.
"Die Firmen stehlen sich aus der Verantwortung"
„Doch die Firmen kaufen sich lieber frei“, so Minst. „Manche Arbeitgeber stehlen sich auch aus der Verantwortung, indem sie Arbeiten aus dem Unternehmen an die Behindertenwerkstätten Memmingen oder Lautrach weitergeben. Um nicht selbst einen Arbeitsplatz schaffen zu müssen.“ (Die Arbeitsleitung der Werkstätten kann, zumindest teilweise, mit der Ausgleichsabgabe verrechnet werden.)
Ein häufiges Argument gegen die Einstellung sei auch, dass man der schwerbehinderte Arbeitnehmer unkündbar sei. „Das stimmt so nicht, erklärt Minst, „doch bevor die Kündigung ausgesprochen wird, muss das Integrationsamt zustimmen.“
Schwerbehinderten droht nach Verlust des Arbeitsplatzes Hartz IV
Nach Informationen des DGB haben schwerbehindert Menschen nach Verlust des Arbeitsplatzes ein sehr viel höheres Risiko, arbeitslos zu bleiben. 60 Prozent der arbeitslos gemeldeten schwerbehinderten Menschen wird nicht mehr von der Arbeitsagentur, sondern im Hartz IV System betreut.
„Die Stadt Memmingen mit ihren zweieinhalbtausend Angestellten - inklusive Klinikum - geht hier als Arbeitgeber mit gutem Beispiel voran“, lobt Minst. „Sie überschreitet die Pflichtquote von fünf Prozent freiwillig.“
Stadt Memmingen geht mit gutem Besispiel voran
Stimmt. Gesetzlich vorgeschrieben wären knapp 95, die Stadt Memmingen hat jedoch 120,3 ihrer Arbeitsplätze schwerbehinderten Menschen zur Verfügung gestellt – auch wenn diese fünf Tage mehr Urlaubsanspruch im Jahr haben.
Info: Die Broschüre „Was ist, wenn es mir passiert? – Tipps für behinderte und von Behinderung bedrohte Beschäftigte“, DGB21364, ist beim DGB Bestellservice beziehbar (Stichwortsuche).