
"Miteinander vor Ort (stehend, v.li.): Jana Blessing, Madeleine Taubenberger,
Friederike Quastmayer, Rosa Maria Stölzle, Beppo Haller (alle von der
Gruppe STARK der Regens-Wagner-Stiftung), Renate Windisch (Referentin
zum Thema Empowerment), Robert Bock (Prävention und Genesungsbegleitung
im Betrieb PGiB), Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert,
Oberbürgermeister Manfred Schilder, die bayerische
Behindertenbeauftragte Irmgard Badura sowie Manuel Werner und vorne
sitzend Nina Krötzsch von STARK. Foto: Raimund Mittler, Bezirk Schwaben
Fachtag in Memmingen mit und für Menschen mit Behinderung
Memmingen (dl). „Stärken entdecken – selbst wirksam werden“ – zu diesem Thema veranstaltete Irmgard Badura, Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, ein Fachtreffen in ihrer Reihe „Miteinander vor Ort“ in Memmingen. Die Veranstaltung, an der Betroffene, Vertreter aus der Politik, Verwaltungsmitarbeiter sowie Fachleute aus den sozialen Einrichtungen der Region teilnehmen, fand in Kooperation mit dem Bezirk Schwaben statt.
Bei dem
Fachtreffen kamen insbesondere Menschen mit psychischen Erkrankungen aus dem
Raum Memmingen und dem Unterallgäu zu Wort. „In Memmingen und im Landkreis
Unterallgäu zeigt sich beispielhaft, wie gut die Vernetzung der Akteure und der
Angebote zum Wohl der betroffenen Menschen funktionieren kann“, so
Bezirkstagspräsident Reichert. Er hob insbesondere den Gemeindepsychiatrischen
Verbund (GPV) hervor, für den der Bezirk Schwaben eine hauptamtliche
Koordinatorin stellt. Ein vorbildliches Beispiel sei auch das Netzwerk „Altenhilfe
und seelische Gesundheit“.
Hervorzuheben sei überdies das hohe außerdienstliche
Engagement aller Akteure in der Sozialpsychiatrie und aus dem
Bezirkskrankenhaus Memmingen. So sei Dr. Raimund Steber, stellvertretender
ärztlicher Direktor der Klinik zugleich auch GPV-Vorsitzender.
Selbständigkeit würdigen und fördern
"Wichtig ist bei allen Aktivitäten, dass die Kompetenzen psychisch erkrankter beziehungsweise behinderter Menschen gestärkt und ihre Selbständigkeit gewürdigt und gefördert wird", betonte Raimund Mittler von der Sozialverwaltung des Bezirks Schwaben, der die Gruppe STARK vorstellte, in der Menschen mit Behinderung selbst ein Ehrenamt übernehmen. Raimund Mittler ist seitens der Bezirksverwaltung auch zuständig für das Projekt „EX-IN“ beim Bezirk Schwaben, das Robert Bock präsentierte.
Dass Arbeit psychisch krank machen kann, hat Robert
Bock als ehemaliger Geschäftsführer eines internationalen Unternehmens selbst
erfahren. „Im Wartezimmer der Psychiatrie blickte ich damals auf die Uhr und
mir wurde bewusst: Genau jetzt, um 9.04 Uhr, war mein erstes Leben vorbei.
Burn-Out und schwere Depressionen lautete meine Diagnose.“ Ins Leben
zurückgekämpft habe er sich schrittweise. Geholfen habe dabei auch das Programm
„EX-IN“, über das er gemeinsam mit anderen ins Berufsleben
zurückfand. Heute hilft mit seiner Psychiatrie-Erfahrung anderen Betroffenen
und berät Unternehmen zu Themen wie Prävention und Genesungsbegleitung.
"Welche Möglichkeiten habe ich?"
Seine Stärken entdecken und selbst wirksam werden – das möchte auch der Selbstvertretungskreis „Stark“ für Menschen mit Psychiatrieerfahrung bei Regens Wagner Lautrach. „Wir setzen uns gemeinsam mit unseren Wünschen und Lebenszielen auseinander,“ erzählt Nina Krötzsch. Die Fragen ‚Was ich will‘ und ‚Welche Möglichkeiten ich habe, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen‘ stehen dabei im Vordergrund.
Erste Schritte zur Inklusion am Arbeitsmarkt hat Manuel Werner erfahren. An zwei Tagen in der Woche arbeitet er bei der Firma Rapunzel in Bad Grönenbach und drei Tage in der Werkstatt in Lautrach. „Die Kollegen akzeptieren mich, sie fragen auch mal nach, ob alles in Ordnung ist und es mir gut geht.“
Jana Blessing kann aufgrund ihrer seelischen Erkrankung nicht sprechen. „Warum ich bei der Gruppe Stark bin?,“ fragt die Sprecherin für Jana Blessing. „Weil ich hier lerne, zu mir und meiner Erkrankung zu stehen. Ich kann mich mit anderen austauschen und mich gleichzeitig für andere stark machen“.
Ressourcen im Fokus statt Defizite
Den Fachvortrag zum Thema hielt die Diplom-Psychologin Renate Windisch, Betriebsleiterin der Isar-Würm-Lech Werkstätten, IWL gGmbH, unter dem Titel „Empowerment in der Arbeit mit Menschen mit einer psychischen Erkrankung - Plädoyer für eine Ressourcenperspektive“. Es gehe darum, sich von der „fürsorglichen Belagerung“ durch die Fachkräfte und vom Blick auf die Defizite der Menschen mit Behinderung abzuwenden, dagegen stärker deren Ressourcen und Fähigkeiten in der Vordergrund zu stellen.
„Wir brauchen die Anerkennung von „Eigen–Sinn“, also Achtung vor der Autonomie und der Selbstverantwortung des Klienten und der Respekt auch vor unkonventionellen Lebensentwürfen“, betonte die Diplom-Psychologin und Ergotherapeutin. Durch mehr Selbstbestimmung wachse auch das Vertrauen der Klienten in ihre eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen. Die Referentin zeigte an Praxisbeispielen auf, wie dies in den Isar-Würm-Lech-Werkstätten konzeptionell umgesetzt wird.