
Memmingen (as). Sie haben es geschafft: Nach nur vierwöchiger Probezeit haben auch die neuen Schauspieler am Theater mit der Premiere der Heavy-Metal-Oper „Kanaan – The Story of Abraham“ ihre Feuertaufe hinter sich. Vom Publikum wurden die Darsteller mit Standing Ovations belohnt. Zum Dank gab es eine Zugabe und der Premierenabend mündete schließlich in Partystimmung.
Einen ungewöhnlichen Theaterabend kündigte Intendant Walter Weyers mit der von ihm und Oberspielleiter Kesten inszenierten biblischen Heavy-Metal-Oper „Kanaan – The Story of Abraham“ an. Das Stück soll an die gemeinsame Wurzel der Religionen erinnern, personifiziert durch Stammvater Abraham.
Auch in „Kanaan“ ist die Rache einer gekränkten Frau treibendes Motiv der Handlung. Doch verglichen mit der Heavy-Metal Trilogie »Klytaimnestra«, »Hel« und »Lilith« (1998 bis 2003) blieb die Inszenierung eher blass – da half auch die farbige Körperbemalung der biblischen Helden nicht. Unvergessen, wie Joséphine Weyers als zornglühende Lilith das Publikum elektrisierte mit einer Stimme, in der heißes Lava brodelte.
Der Gesang der Kanaan-Protagonisten wirkte dagegen etwas verhalten, es fehlte die für Schwermetall-Gesang nötige Verve und Wucht. (Hier wäre auch von technischer Seite evtl. etwas nachzujustieren.) Es gab aber auch durchaus Beifall für starke Töne wie die im Duett von Sara und Hagar.
Black Metal als Botschaft des Friedens
Die bis zum Akustik-Folk reichende Musik der israelischen Bands Orphaned Land und Amaseffer kam beim Publikum sehr gut an. Auch wenn es merkwürdig erscheint, mit Death und Black Metal – mit arabesken Elementen versehen – die Botschaft von Frieden, und Hoffnung transportieren zu wollen: Der martialische Tenor der Musik passt zu den düsteren Bildern seelischer und körperlicher Grausamkeit der alttestamentarischen Geschehnisse, die Choreograph Can Aslan in sehr eindrucksstarke, durch tänzerische Elementen bereicherte, Szenen und Bilder übersetzte.
“In Gottes Hand gegeben”
Graffiti-Künstler Loomit schuf ein eindrucksvolles Bühnenbild: Eine riesige offene Hand, die aus ihrer Mitte heraus blutet. „God has given – God will take“ - eine gebende Geste, aber auch eine empfangende. Die Hand Gottes und die blutbefleckte seines gekreuzigten Sohnes. Rote und grüne Kabel verbinden sie wie Blutbahnen mit den über dem Bühnenraum schwebenden überdimensionalen Ovarien. So gesehen, könnte die Hand auch als riesige Vulva interpretiert werden, die Leben und Geborgenheit schenkt, aber auch Verrat und Tod hervorbringt, weil aus Urmutter Saras Schoß nicht die verheißene Vielzahl der Nachkommen quillt. (Hochschwanger hingegen die Inszenierung, nämlich an Bedeutung und Symbolik - bis hin zu den Äpfeln im Foyer.)

Der Gang des Geschehens
Die Motive der alttestamentarischen Handlung sind Eifersucht und Rache, entsprungen aus der Unfruchtbarkeit Saras. Sie nötigt ihren gottesfürchtigen Mann Abraham, die junge Sklavin Hagar zu vergewaltigen, um mit dieser einen Sohn zu zeugen. Als aus der Verbindung mehr wird und Sara selbst doch noch einen Sohn gebiert, befiehlt sie Abraham, Hagar und deren Sohn Ismael (Christian Müller) in die Wüste zu jagen. Beide überleben – „in Gottes Hand“ gegeben.
Im zweiten Teil fordert Gott von Abraham, er solle seinen Sohn Isaak (Jan Arne Looss) schlachten. Wieder gehorcht dieser, bis Gott ihm Einhalt gebietet. (An dieser Stelle führt eine ironische Brechung die stellenweise etwas aufgebauschte Melodramatik ad absurdum.)
Die Protagonisten bekennen Farbe
Erst am Grab des Vaters begegnen sich beide Söhne - Ismael, Prophet des Islam, und Isaak, Stammvater der Christen und Juden - beide verbittert über ihr Schicksal und voller Hass. Es kommt zum Kampf in buntem Lichtgewitter. Die Hautfarben der beiden (die 'biblischen Figuren' sind mit verschiedenen Farben bemalt wie "Manschgerl" auf einem Spielfeld) durchmischen sich – als symbolträchtige Vision für die Annäherung ihre Völker?
Die zentrale Frage am Schluss: Werden Isaak und Ismael einen Neuanfang finden oder „Prisoners oft the Past“ bleiben? „Niemand wird siegen, Gott ist auf jeder Seite“, sagt der dunkle Engel des Herren (Sabrina Becker a.G.), als er das heutige Palästina schildert.
Obwohl mit poetischen Texten aufbereitet, blieb die Story etwas plakativ. Das bedächtige Tempo der Dialoge nahm viel Schwung weg. War auch der Kontrast zwischen musikalischen und gesprochenen Inszenierungsteilen beabsichtigt - ganz stimmig wirkte er nicht. Weniger Effekt und mehr echte Intensität, das hätte der Botschaft gut getan.