
Memmingen (as). Das weltweit agierende und auch im Memminger Raum mittlerweile renommierte Quintett Quadro Nuevo kam von seinem Aufenthalt in Buenos Aires mit einem großen Koffer voller Inspirationen und Tangostücke zurück - verewigt auf seiner 19. CD „Tango!“ - welche die fünf Weltmusiker auf die Bühne des ausverkauften Kaminwerks brachten.
Ihre „europäische Antwort auf den argentinischen Tango“ klingt jetzt noch ein bisschen argentinischer: Im sommerlichen Buenos Aires wurden die fünf Musiker fündig auf ihrer unentwegten Suche nach der Seele des Tango.
Die Musik von Quadro Nuevo basiert auf der Neuinterpretation des in den 50er Jahren in der „besseren Gesellschaft“ Argentiniens als „Musik der Unterwelt“ in Verruf geratenen Tangos durch den Akademiker Astor Piazzolla. Er brachte Mittel des Jazz und Perkussioninstrumente sowie Elemente der klassischen Musik in den Tango ein, konturierte die Musik der Bars und Kaschemmen durch stringentere Harmonien und Rhythmen – was ihm neben Bewunderung auch vehemente Ablehnung seiner Landsleute einbrachte. Erhalten blieben die Herzstücke des Tangos, der sehnsuchtsvolle Klang des Bandoneons (gespielt von Andreas Hinterseher), die synkopischen Rhythmen und harmonischen Wendungen, die Staccati sowie die generell melancholische Stimmung der Musik.
Quadro Nuevo beginnt das Konzert mit eigenwilligen Interpretationen von Klassikern aus den 30er und 40er Jahren wie „Por una cervezza“ (Für ein Bier) oder „Buscandote“ (Auf der Suche nach dir). Für die jazzige Note sorgt auch die Ergänzung der klassischen Tangoinstrumente durch Mulo Francels Saxophone.
„Wir haben viele alte Stücke gefunden, viel mehr als wir gesucht hatten“, erklärt Francel nonchalant - auch die Moderationen im Stil augenzwinkernder Plaudereien sind von unverwechselbarem Charme und erheitern das Publikum.
Der Tango ist Feuer und Asche zugleich
Die Faszination der Weltmusik-Band für den Tango erschließt sich an diesem Abend wohl jedem der Zuhörer: Der Tango umschreibt eine Musik, die Feuer und Asche zugleich ist, flirrendes, oszillierendes Leben und das Gefühl von Verlust und Leere im fahlen Mondlicht. In ihr klingen alle Tonarten und Zwischentöne des Lebens an. Der Grundtenor ist voller Nostalgie und Melancholie wie die lyrisch-poetische Eigenkomposition „El Titiritero“ (Der Puppenspieler) von Pianist Chris Gall - doch immer wieder spannen die Melodien ihre Flügel auf und schwingen sich hoffnungsvoll empor in Sphären schwebender Leichtigkeit. Es ist eine kapriziöse, launenhafte Musik - mal leicht und tänzelnd oder schwebend-entschwindend und dann wieder pompös und gewichtig, voller Stolz und Hochmut. Oder gar prahlerisch und eitel wie der „Gallo Ciego“ (Blinder Hahn), von der Band musikalisch karikiert und interpretiert mit einem ironischen Augenzwinkern.
Fließend melodische Passagen wechseln sich ab mit wahn-witzigen, virtuosen Improvisationen, wild-schäumenden Staccati und Soli ab. Wie im Tango üblich, sind die Instrumente gleichberechtigt und übernehmen abwechselnd rhythmusgebend-untermalende oder tragende Funktion für Thema und Contrecanto. Jedes der Instrumente akzentuiert, konturiert und doch verschmelzen die Töne ganz wunderbar, greifen quasi tänzerisch ineinander. Immer wieder erzeugt das Quintett Spannung durch Tempowechsel, Innehalten und Gleiten – man meint die Sohlen der Tangotänzer übers Parkett fliegen zu sehen - und baut mit Vorliebe kleine Überraschungsmomente in den Vortrag ein. Durch ihre hingebungsvolle, leidenschaftliche Darbietung macht Quadro Nuevo aus jeder Milongo ein rauschendes Fest.
Mit dem Taxi auf den Spuren des Tango
Neben Klassikern des Tangos hat die Band originelle Eigenkompositionen parat, die Geschichten erzählen wie der „Buenos Aires Taxidrive“, der seine Entstehung zahllosen abendlichen Taxifahrten durch die Metropole des Tangos verdankt, immer auf der Suche nach den Zentren des Geschehens. Hier zeigt Kontrabassist D.D. Lowka wieder einmal seine virtuosen perkussiven Fähigkeiten und Harfinistin Evelyn Huber untermalt die rasante Fahrt durch die City von Buenos Aires auf dem Salterio.
Quadro Nuevo beendet den Tangoreigen zur Freude des Publikums mit Piazzollas Stücken „Oblivion“ und „Libertango“ und der bekannten Filmmusik „Vuelvo al Sur“ („so wie wir sie hören“). Die letzten Töne tragen die Zuhörer fort – gen Süden.