
Anja Wegmann, Polizeihauptkommissarin vom Polizeipräsidium Schwaben Süd/West. Foto: Polizeipräsidium Schwaben Süd/West.
Memmingen/Kempten (as). Die Tage werden kürzer, die morgendliche und abendliche Fahrt zur Arbeit liegt wieder häufiger in der Dämmerung. Damit steigt auch die Gefahr von Wildunfällen. Anja Wegmann, Polizeihauptkommissarin vom Polizeipräsidium Schwaben Süd/West, gibt Tipps für den Ernstfall.
Allein im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Südwest wurden im Jahr 2024 insgesamt 4.605 Wildunfälle gezählt, 2025 waren es bis Ende Juli bereits 2.878 Fälle.
„Die erste und einfachste Vorsichtsmaßnahme ist tatsächlich: Licht einschalten“, erklärt Anja Wegmann. Besonders auf Strecken auf Landstraßen mit Wald oder Buschbewuchs sei es wichtig, langsamer zu fahren und jederzeit bremsbereit zu sein. „Und ganz entscheidend: Tiere sind oft in Gruppen unterwegs. Wer ein Reh sieht, muss damit rechnen, dass weitere folgen.“
An eigene Sicherheit denken und andere waren
Kommt es dennoch zu einem Zusammenstoß, gilt zunächst die eigene Sicherheit. Die Unfallstelle muss abgesichert werden – mit Warnblinker, Warndreieck (vor der Kurve!) und Warnweste. Liegt das Tier tot auf der Fahrbahn, sollte es, so Wegmann, „mit Handschuhen oder einer Plastiktüte an den Läufen gepackt und an den Straßenrand gezogen werden“. Bei verletzten Tieren dagegen sei Vorsicht geboten: „Durch die Todesangst besteht Verletzungsgefahr, deshalb nicht zu nah herangehen.“
Polizei sofort benachrichtigen
Im Anschluss ist die Polizei über den Notruf zu verständigen. Die Beamten informieren den zuständigen Jagdpächter, der sich um das Tier kümmert. „Auch wenn das Wild noch weiterläuft, ist eine Meldung notwendig. Nur so verhindern wir, dass ein verletztes Tier hilflos im Wald zurückbleibt.“
Zudem sei der Anruf entscheidend für die Schadensregulierung, da die Versicherung eine Bestätigung von Polizei oder Jagdpächter verlangt. Wichtig sei außerdem, auf die Polizei zu warten. „Wer ein Tier ins Auto lädt, um es zu transportieren, macht sich schnell des Verdachts der Wilderei schuldig“, warnt Wegmann.
Über 280.000 Wildunfälle im Jahr 2023
Die steigenden Zahlen sind kein regionales Phänomen. Bundesweit wurden laut Gesamtverband der Versicherer (GDV) im Jahr 2023 mehr als 280.000 Wildunfälle gemeldet – über 750 pro Tag. Die Gesamtschäden überschritten erstmals die Milliardengrenze.
Fachleute sehen verschiedene Ursachen für den Anstieg: leisere Elektroautos, die von Tieren schlechter wahrgenommen werden, veränderte Lebensräume durch den Klimawandel und die Zeitumstellung, die die Dämmerungszeiten verschiebt und damit zu mehr Kollisionen während des Berufsverkehrs führt. Hinzu kommt die insgesamt steigende Verkehrsdichte.
Langsam fahren und bremsen statt ausweichen
Besonders hoch ist die Gefahr im Frühjahr und im Herbst. Im April und Mai sind Rehböcke nach der Winterruhe auf Reviersuche, im Oktober und November treibt die Brunftzeit viele Tiere über die Straßen. „Vor allem in diesen Monaten sollten Autofahrer besonders aufmerksam sein, das Tempo reduzieren und nie ausweichen, sondern im Ernstfall stark bremsen“, fasst Wegmann zusammen.
Fazit: Wildunfälle sind längst keine Randerscheinung mehr, sondern ein ernstzunehmendes Verkehrsrisiko. Mit Aufmerksamkeit, angepasster Geschwindigkeit und dem richtigen Verhalten im Ernstfall lassen sich viele Gefahren vermeiden – für Mensch und Tier.