Die Lokale Memmingen
Gefro AOK JB Sport Enerix Brommler Golfclub Memmingen Innoverta Landestheater Schwaben Cineplex Kaminwerk Memmingen FC Memmingen Rechtsanwalt Philipp Hacker Radio AllgäuHit

"Die Mehrheit der Wähler ist gegen den Extremismus" - Vortragsabend über Pakistan

veröffentlicht am 14.11.2013

Sufi-Musik Besingen die Liebe zu Gott: Mahmood Sabri, Ushtiaq Butt und Belal Nawidsadet (v. links)  bauen interkulturelle Brücken im Antoniersaal. Fotos: as

Memmingen (as). Das junge Land Pakistan taucht beinahe täglich in den Nachrichten auf, vor allem in Zusammenhang mit dem Afghanistan-Konflikt, doch nur wenige verstehen, was dort vorgeht. Die pakistanische Kultur ist uns sehr fremd, die religiösen Konflikte rätselhaft und verworren. Ein Insider und Experte ist der Islam- und Politikwissenschaftler Dr. Andreas Rieck. Auf Einladung der vhs Memmingen, der Gleichstellungsbeauftragten, dem Projektbüro Soziale Stadt und dem Arbeitskreis „Lebendiger Westen“ ist er aus Berlin angereist war, um den 100 Gästen im Antoniersaal diese widersprüchliche Kultur näher zu bringen.

Dr. Andreas Rieck Dr. Andreas Rieck kritisiert die lasche Haltung der pakistanischen Regierung gegenüber den Extremisten.

Der 1947 aus den vorwiegend islamisch geprägten Teilen Britisch-Indiens entstandene Vielvölkerstaat Pakistan ist seit seiner Unabhängigkeit Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen. Die Gewaltakte der letzten Jahre und die zunehmende Radikalisierung lassen ausländische Beobachter befürchten, dass "der Alptraum des nuklearen Zeitalters" in der Atommacht Pakistan Wirklichkeit werden könnte.

Unterschiedlichen Kulturen und die ungleiche Verteilung von wirtschaftlichen Ressourcen und politischer Macht machen Pakistan zu einem Land der Widersprüche. Religiöser Extremismus, lange Phasen der Militärherrschaft und der Machtmissbrauch korrupter politischer Parteien gehören ebenso zur Realität des nach wie vor von Geheimdienst und Militär gelenkten Landes wie der Kampf um Demokratie und eine Tradition kultureller Toleranz. So war Pakistan Rückzugsort und Ausbildungsstätte des islamistischen Terrors, spielte aber nach dem 11. September 2001 eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Terrorismus.

Anhand von Bildern und Texten gab Dr. Rieck einen Rückblick auf die Geschichte des Landes von den frühen Hochkulturen über die britische Herrschaft bis heute - wobei es ihm besonders um die Entwicklung des Islam ging. Etwas erstaunt reagierten die 100 Zuhörer auf seine Ankündigung, der radikale Islam in Pakistan sei Thema seines Vortrages und nicht, wie angekündigt, „Pakistan, ein Land mit vielen Fragezeichen“. (Hier gab es im Vorfeld wohl Abstimmungsprobleme der Veranstalter mit dem Referenten).

Die Rätsel und Fragezeichen sind jedenfalls geblieben, denn das Zuviel der Namen, Zahlen und Fakten in Riecks Vortrag verwirrte eher als dass es Klarheit schuf. Spannender und authentischer wäre es gewesen, wenn Rieck, der jahrelang - und das sehr gerne! -  in Pakistan lebte, seine persönlichen Eindrücke und Erfahrungen geschildert hätte.  Immerhin stieß der Vortrag eine Debatte an über die Rolle des Westens bei vergangenen aktuellen Entwicklungen.

Ohne den amerikanischen Einmarsch in Afghanistan hätte es den Extremismus nicht gegeben, meinte eine Zuhörerin. Das Grundübel sei, dass die USA Extremisten für ihre außenpolitischen Ziele eingesetzt hätten, bestätigt der Referent: „Seit 2001 versucht der Westen rückgängig zu machen, was er in den 80er Jahren gefördert hat“.  Erst durch die Entrüstung über die Zusammenarbeit der pakistanischen Regierung mit den USA sei der Terror ins Land gekommen. "Die Mehrheit der Wähler ist gegen den Extremismus, doch die Politiker versuchen weiterhin - aus Angst vor Konflikten - sich mit den Islamisten zu arrangieren", kritisierte Rieck. Die Terrorbekämpfung sei "wischi-waschi".

Nach so viel Theorie genossen die Gäste die indisch-pakistanische Sufi-Musik, dargebracht von Mahmood Sabri (Gesang, Harmonium), dem 14-jährigen Tabla-Spieler Belal Nawidsadet und Sänger Ishtiaq Butt. Ungewohnt für unsere Ohren, zogen die ekstatischen Gesänge über die „Liebe zu Gott“ (Qawwali) un die mitreißende Rhythmen in ihren Bann. Zum Abschuss genossen die Besucher ein wohlschmeckendes Fingerfood-Buffet mit türkischen Spezialitäten.