
Beim Pflegetag im Klinikum Memmingen erzählten Menschen mit Behinderung von ihren individuellen Bedürfnissen. Foto: Häfele/Pressestelle Klinikum Memmingen
Memmingen (dl). Für Menschen mit Behinderung kann ein Krankenhausaufenthalt eine große Herausforderung darstellen. Darum fand im Klinikum Memmingen nun ein Pflegetag statt, der sich ihren speziellen Bedürfnissen widmete.
Um den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung gerecht zu werden, hat das Klinikum Memmingen zusammen mit dem städtischen Behindertenbeirat sowie der Offenen Behindertenarbeit von Regens Wagner einen Fortbildungstag für Pflegende abgehalten. Dabei wurden verschiedene Formen von Behinderungen sowie die daraus resultierenden Bedürfnisse thematisiert.
Spezieller Unterstützungsbedarf
Menschen mit Behinderung werden bei einem Krankenhausaufenthalt oft vor große Probleme gestellt. Denn die ungewohnte Umgebung in einer Klinik sowie die medizinischen Eingriffe wirken auf sie besonders beängstigend. Zudem haben sie aufgrund ihres körperlichen, psychischen oder geistigen Handicaps speziellen Unterstützungsbedarf.
„Selbst wenn Menschen mit Behinderung im Alltag gut zurechtkommen, können sie im Krankenhaus überfordert sein“, weiß Organisatorin und Pflege-Projektmanagerin Andrea Zeidler vom Klinikum Memmingen. Dies kann laut Zeidler soweit führen, dass die Diagnosestellung sowie die Behandlung erschwert werden, weil beispielsweise Krankheitssymptome oder Schmerzen nicht richtig gedeutet oder verständlich artikulieren werden können. „Oder weil die behinderten Menschen die für eine Behandlung erforderliche Mithilfe nicht erbringen können“, so Zeidler. Leider seien viele Einrichtungen auf dieses Patientenklientel nicht oder nur unzureichend vorbereitet.
Betroffene kommen zu Wort
„Wenn das Klinikpersonal mir sein Tun ganz genau erklärt, komme ich ganz gut zurecht“, erklärte die blinde Referentin Yvonne Burkhart. Ein anderer Redner, der aufgrund seiner Autismus-Spektrum-Störung eigenen Angaben zufolge panische Angst vor Berührungen hat, schilderte beim Pflegetag, dass ihm Ablenkungsmechanismen bei medizinischen Maßnahmen weiterhelfen: „In meiner Hausarztpraxis kennen sie mich mittlerweile so gut, dass sie mir während des Blutabnehmens Rechenaufgaben stellen oder mich irgendwelche physikalischen Formeln abfragen.“ Auch Menschen mit einer Körperbehinderung kamen beim Pflegetag zu Wort und erzählten von ihren individuellen Bedürfnissen.
„Körperbehinderung ist nicht gleich Körperbehinderung“, sagte dazu Regina Sproll, Beraterin bei Regens Wagner und Mitglied im Memminger Behindertenbeirat. „Es gibt Menschen mit Körperbehinderung, die sich selbst umsetzen oder beispielsweise Rollstuhlbasketball spielen können und andere, die wenig oder keine Kraft im Oberkörper und keine Sitzbalance beziehungsweise Stabilität haben. Dies gilt es zu berücksichtigen.“
Sensiblen Umgang gefordert
Für einen sensiblen Umgang mit Menschen mit Behinderung warb auch der 26-jährige Moritz Brückner, der seit einem Surfunfall im Rollstuhl sitzt und heute als Motivationsredner auftritt, um Menschen Mut zu machen: „Mein Körper funktioniert heute anders, aber mein Ehrgeiz ist geblieben.“ Brückner berät Rollstuhlfahrer, wie sie ihren Alltag einfacher gestalten können und spricht in einem Podcast über Inklusion, um Vorurteile abzubauen.
Auch eine junge Frau mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung kam beim Fortbildungstag zu Wort. Sie erzählte, dass es sie sehr verletzt, wenn das Klinikpersonal ihre psychische Erkrankung nicht ernst nimmt.
Besondere Bedürfnisse ermitteln
„Unser Ziel ist es, bereits im Vorfeld die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung zu ermitteln, um sicherzustellen, dass sie bei einem Klinikaufenthalt adäquat und erfolgreich behandelt werden“, erklärte Andrea Zeidler, die bei der Organisation des Pflegetages vom stellvertretenden Pflegedirektor Jochen Zettler unterstützt wurde.
„Behindern ist heilbar“, ergänzte Regina Sproll. „Durch solche Fortbildungstage können wir einen Perspektivwechsel wagen, die Barrieren im Kopf beseitigen und die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung ermitteln, damit wir sie bei einem Krankenhausaufenthalt nicht noch zusätzlich behindern.“