"Es gibt noch einigen Nachholbedarf"

Behindertenbeirat fordert weitere Verbesserungen für Menschen mit Handicap

veröffentlicht am 03.04.2019

Der Memminger Behindertenbeirat tagte vollzählig und engagiert im Rathaus. Foto: Sonnleitner

Memmingen (as). Der barrierefreie Ausbau des Memminger Freibades war nur eines von vielen Themen und Anträgen, die auf der jüngsten Sitzung des Behindertenbeirats behandelt wurden. Elf Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland gebe es auch in Memmingen noch einigen Nachholbedarf, begrüßte die Vorsitzende Verena Gotzes die Teilnehmer im Sitzungssaal des Rathauses.

Der Wille zu Verbesserungen sei sehr ausgeprägt von Seiten der Stadt, betonte Oberbürgermeister Manfred Schilder, verbunden mit einem Lob an die „rührige Arbeit des Behindertenbeirats“. „Es ist ja auch schon vieles geschehen“, erinnerte er an vielfältige Aktivitäten wie zum Beispiel die 100 Bücher in einfacher und Leichter Sprache, die der Rotary Club der Stadtbücherei gespendet hat (wir berichteten).

Regina Sproll blickte in einem Bildvortrag auf die vielfältigen Aktionen des Behindertenbeirats im letzten Jahr zurück. Sie erinnerte an die Teilnahme am Europäischen Protesttag im Mai, das sommerliche Straßenfest zum 30. Jubiläum auf dem Theaterplatz und den "Familientag ohne Grenzen", der auch heuer gemeinsam mit der AOK im Stadtpark veranstaltet werden soll.

Außerdem wurde eine Arbeitsgruppe für Menschen mit Behinderung im Klinikum gegründet, um das Personal im Umgang mit Patienten mit Handicaps zu schulen.

Bestandsaufnahme der Memminger Bushaltestellen

Die kommunale Behindertenbeauftragte Anna Birk (Fachstelle Inklusion) hob die Aktion „Sicher unterwegs im Linienverkehr“ hervor, die alle paar Jahre stattfindet, damit behinderte Menschen sich im öffentlichen Nahverkehr sicherer fühlen. In diesem Jahr steht eine Bestandsaufnahme der Memminger Bushaltestellen auf dem Aktionsplan des Behindertenbeirats, denn die Haltestellen sollen bis 2022 vollständig barrierefrei sein. Da dies finanziell aber nicht zu schaffen sei, arbeite man derzeit an einer Prioritätenliste, erklärte Anna Birk. Demnach sollen die Bushaltestelle in Quartieren, wo viele Menschen mit Behinderung leben, zuerst barrierefrei umgestaltet werden.

In diesem Zusammenhang erinnerte sie an den Vorschlag, die Fördergeldvergabe im ÖPNV an den Grad der Barrierefreiheit der Busse anzupassen, den Jürgen Haffelder vom Memminger Busunternehmen Angele im Rahmen eines Treffens mit Politiken im Juni 2018 unterbreitet hatte (wir berichteten).

Mobiler Lift für das Freibad

Es folgten die Berichte zu noch laufenden Anträge. Zum barrierefreien Ausbau des Freibades berichtete der Rathauschef, dass die Stadt einen mobilen Lift angeschafft habe, der im Frühjahr eingebaut werden soll und auch im künftigen Bad einsetzbar sei. Schilder erinnerte daran, dass der Stadtratsbeschluss zur Bäderfrage erst für Juni vorgesehen sei. In der Übergangszeit strebe die Stadt „Verbesserungen mit vertretbarem Kostenaufwand“ an.

Dann beschäftigte sich das Gremium mit der Umgestaltung bzw. Übersetzung der städtischen Homepage in Leichte Sprache, um die Inhalte auch Menschen zugänglich zu machen, die geistige oder Lernbehinderungen haben oder über eingeschränkte deutsche Sprachkenntnisse verfügen.

Städtische Webseite in Leichter Sprache

„Grundsätzlich ja“, begrüßte Manfred Schilder den Antrag, wies aber auf das Problem der technischen Realisierbarkeit hin. Stefan Schachenmayr, Leiter des Amts für Informations- und Kommunikationstechnik, schlug „eine Art Zweisprachigkeit“ durch weitere Schaltflächen vor, so wie man dies auch teilweise bereits in Englisch realisiert habe. Allerdings umfasse die Homepage über 1.000 Seiten, so dass eine professionelle, zertifizierte und rechtssichere Übersetzung in Leichter Sprache, die zudem nach festen Regeln geschehen müsse, ein langwieriges und kostspieliges Unterfangen sei. „Dann müssen wir eben das Wichtigste herausfiltern“, bemerkte Birk auf diesen Einwand hin kompromissbereit.

Haushaltsstelle und taktile Orientierung

Auch neue Anträge wurden eingebracht wie die Einrichtung einer Haushaltsstelle für den Behindertenbeirat mit einem Budget von 1.000 Euro im Jahr, um beispielsweise Exkursionskosten für Begleiter abzudecken. „Ehrenamtlicher Einsatz soll keine zusätzlichen Kosten verursachen“, äußerte Schilder Verständnis für dieses Anliegen.

Ein gemeinsamer Antrag des Beirats mit der MEWO Kunsthalle befasst sich mit einem „taktilen Orientierungsplan“ als Leitsystem für Menschen mit Sehbehinderung, der im Eingangsbereich der Kunsthalle aufgestellt werden soll. Deren Leiter Dr. Axel Lapp wies in diesem Zusammenhang auf die geplante Ausstellung „Imperfekt“ zum Thema Inklusion und Barrierefreiheit hin. Der beantragte Übersichtsplan ist mit großen Buchstaben und Blindenschrift versehen und auch für Rollstuhlfahrer gut bedienbar. So könnten auch sehbehinderte Menschen die Ausstellungen ohne fremde Hilfe besuchen. Auf skeptische Einwände einer Stadträtin hin erwiderte Verena Gottes, dass die Vermittlung von Bildungsinhalten laut UN-Konvention niemanden ausschließen dürfe.

Beide Anträge werden nun geprüft.