„Es kommt darauf an“!

Landestheater kündigt "kämpferische neue Spielzeit" an

veröffentlicht am 29.04.2019

Das Team des Landestheaters Schwaben hat die neue Spielzeit 2019/2020 vorgestellt (von links): Dramaturg Thomas Gipfel, Chefdramaturgin Anne Verena Freybott, Intendantin Dr. Kathrin Mädler und Eva-Maria Trütschel, Pressereferentin und Assistentin der Theaterleitung. Foto: Antje Sonnleitner

Memmingen (as). „Es kommt darauf an“, so lautet das Motto der neuen Spielzeit 2019/2010 am Landestheater Schwaben. Und das ist keineswegs abwägend gemeint, sondern eher als ein kämpferisches „Jetzt gilt‘s!“ zu verstehen. Es geht um viel, um unser aller Zukunft in Zeiten des Umbruchs nämlich, bzw. um die Frage, wie wir die Welt, in der wir leben, gestalten wollen und was wir selbst dafür tun können. Dieses brennende Anliegen liegt der Stückauswahl für die neue Spielzeit zugrunde, die nun vom Team des Landestheaters vorgestellt wurde.

Doch zunächst einmal gab es euphorische Momente: Intendantin Dr. Katrin Mädler hatte bei der Pressekonferenz viele gute Neuigkeiten im Gepäck. Da waren zunächst einmal die Einnahmen der letzten Spielzeit, die um 193.000 Euro höher waren als erwartet - ein Plus das nicht zuletzt durch hohe Zuschauerzahlen erwirtschaftet wurde. Gebraucht wird dieser Überschuss dringend, denn mit dem Erwerb eines neuen LKWs für die Gastspielorte steht eine große Investition an.

Besonders freut sich des Landestheater-Team über den frisch gewonnenen "Theaterpreis des Bundes 2019", eine Auszeichnung für kleine und mittlere Theater in Deutschland, die mit beschränkten Mitteln Beachtliches auf die Bühne stellen (wir berichteten).

Zudem ist „Haidy! Heimat!“ für den Kinderstücke-Preis bei den Mühlheimer Theatertagen nominiert (Preisvergabe ist am 17. Mai) und, wie berichtet, konnte Schauspieler Sandro Sutalo sich 2018 über den Bayerischen Kunstförderpreis freuen. (Leider wird Sutalo in der nächsten Spielzeit nicht mehr dabei sein, da er ans Staatstheater Kassel wechselt. Auch Jan Arne Loos und Miriam Haltmaier haben sich für die kommende Theatersaison neue Ziele vorgenommen. Neu ins Team kommen Franziska Roth und Tim Weckenbrock.)

"Drängende politische Fragen"

Weniger erfreulich als diese Erfolgsmeldungen sind die drängenden welt- und europapolitischen Fragen, die den Impuls für die neue „besonders politische und kämpferische Spielzeit“ geben: Die Klimapolitik, der Umgang mit zunehmender Migration, wachsende soziale Ungleichheit und zunehmende Tendenzen, die Freiheiten der Demokratie aufs Spiel zu setzen - so subsumiert Dr. Mädler die beängstigenden aktuellen Entwicklungen.

Und sie nennt auch gleich das Gegengift: „Informieren und Visionen entwickeln, wie es weitergehen soll mit uns und dieser Welt.“ - Jeder sei verantwortlich, „wir nehmen unsere Zukunft in die Hand“, erinnert sie an die starke Botschaft der „Fridays for Future“. (Auch das neue Design von Spielzeitheften und Plakaten der jungen Grafikerin Sarah Eigenseher unterstreicht diese kämpferische Ansage mit schlagkräftigen, feuerroten Zentralmotiven.)

Die neue Saison im Großen Haus

In diesem Sinne eröffnet das Landestheater die neue Saison im Großen Haus am 20. September 2019 mit dem wohl berühmtesten (Bühnen-)Aufstand der jungen Generation gegen Eltern und Establishment: „Die Räuber“, das erste Drama des jungen Schiller, schildert eine kälter werdende Gesellschaft, an deren Rändern sich Unzufriedenheit, Misstrauen und Gewalt regen.

Weiter geht es mit einer deutschen Erstaufführung am 1. November: Der 1938 verfasste Roman „Der Reisende“ des damals jungen Autors Ulrich Alexander Boschwitz erzählt hellsichtig und visionär den Leidensweg eines jüdischen Kaufmanns in Berlin nach der Pogromnacht.

Die kleinen Theaterzuschauer dürfen sich auf das Familienstück von Christine Nöstlinger „Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse“ freuen, das am 17. November im Großen Haus Premiere feiert.

Eine ebenso humorvolle wie erfolgreiche Produktion auf deutschen Bühnen ist das futuristische Songdrama „Ewig jung“ von Erik Gedeon, das am 20. Dezember erstmals in Memmingen gezeigt wird. Die Schauspieler spielen sich selbst in 40 Jahren und feiern die alten Zeiten mit Evergreens und Songs der 60er Jahre bis heute.

Am 14. Februar 2020 folgt dann mit Bertolt Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“ ein Klassiker des kämpferischen Theaters - und eine Warnung an jede Gesellschaft, die sich den tödlichen Gesetzen des Marktes bedingungslos unterwirft.

Die letzte Premiere im Großen Haus ist das Schauspiel „Vögel“ des libanesisch-kanadischen Autors Wajdi Mouawad am 17. April 2020: Ein ebenso politisches wie poetisches Märchen über Schuld, die zerstörerische Macht der Vergangenheit und die unangreifbare Kraft der Liebe vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts.

Die neue Spielzeit im Studio

Im Studio startet die neue Saison am 21. September 2019 mit Terroralarm in der Damentoilette: In dem witzigen und temporeichen Stück „Demut vor deinen Taten Baby“ schließen sich drei Frauen zu einem Überfallkommando zusammen und simulieren Terroranschläge, um ihren Mitmenschen zu vermitteln, wie schön es doch ist, davon gekommen zu sein.

Weiter geht‘s im Studio am 26. Oktober mit einer Uraufführung der brisanten Autobiografie „Ein deutsches Mädchen“ von Heidi Benneckenstein. Das Stück erzählt, wie einer jungen Frau der Ausstieg aus der Neonazi-Szene gelingt.

Am 2. November präsentiert Schauspieler Jens Schnarre im Rahmen der Reihe "Werkstatt - Ensemble macht Theater" einen Liederabend rund um die ganz großen Gefühle. Der Titel? Na, “LIEBE!!!“ natürlich!

Der Premierenreigen im Studio schließt am 21. Februar 2020 mit dem hochaktuellen Drama „Ich rufe meine Brüder“ von Jonas Hassen Khemiri. Mit viel Spielwitz erzählt das Stück von der Heimatlosigkeit eines jungen Mannes mit Migrationshintergrund auf der Suche nach der eigenen Würde.

Neue Theater-„Extras“

Auch die neuen Theater-„Extras“ wollen zum Nachdenken anregen und Diskussionen anstoßen. Einen veränderten Blickwinkel bietet das Begleitprogramm „Theater und Kirche“: Zu den Premieren von „Die Räuber“, „Der Reisende“, „Ewig jung“ und „Mutter Courage und ihre Kinder“ werden in Zusammenarbeit mit den evangelischen und katholischen Dekanen in den Memminger Kirchengemeinden Gottesdienste gestaltet und ihre Inhalte aus theologischer Sicht beleuchtet. Die genauen Termine stehen noch nicht fest.

Neu ist auch die Reihe „Die Zukunft unserer Region – Gespräche über das Allgäu“. Mit Bezug auf Premieren der Spielzeit gibt es Gesprächspodien mit Expert/innen zu drängenden aktuellen Themen: So steht anlässlich der Uraufführung „Ein deutsches Mädchen“ am 20. Oktober um 11 Uhr die Frage im Mittelpunkt: „Wie rechts ist unsere Region?“.

Weitere Aspekte dieser Reihe sind ist eine Verstärkung des Angebots für junge Menschen und, anlässlich der Bayerischen Theatertage 2020, steht im April ein „Lob der Provinz“ an: Hier wird kontrovers über das Leben und die Kultur außerhalb der Metropolen diskutiert.

Weiterhin auf dem Programm stehen außerdem etablierte "Extras" wie die Bürgerbühne Schwaben, Theaterführungen, Einführungen und Nachgespräche zu Premieren und der "Literarische Salon".

Und noch etwas steht jetzt schon fest: Das erste Premierenwochenende wird am Samstag, 14. September, wieder mit einem Theaterfest eröffnet!