
"Ich habe einen Krieg zu finanzieren" - mit dieser Begründung fordert der Lehnherr (Michael Naroditzki) die Erbschaftssteuer von einer verzweifelten Witwe (Julia Schmalbrock) ein. Fotos: A. Marx
Illerbeuren (as). Mit Witz und Charme vor ernstem Hintergrund: Die familienorientierte Mitmachausstellung "Freiheit im Freilicht“ zu den Freiheitsrechten von 1525 hatte an zwölf Stationen viele Attraktionen zu bieten. In Szene gesetzt wurde das theatral-museale Erlebniswochenende vom und im Schwäbischen Freilichtmuseum Illerbeuren in Kooperation mit dem Landestheater Schwaben.

Bettlerinnen vom Spielclub 18+ der Bürgerbühne an Station drei: Der dazugehörige Artikel fordert die Abschaffung der Leibeigenschaft: Die Bauern sehen sich als freie Menschen, die nicht mehr an ihren Herrn gebunden sein wollen.
Die Forderungen der Zwölf Bauernartikel wurden am Wochenende in der historischen Kulisse des Freilichtmuseums lebendig. Für Groß und Klein waren die Aspekte ausbeuterischer Arbeit, großer Armut, herrschaftlicher Willkür und der Kampf der Bauern um ihre Freiheit dabei mal szenisch, mal interaktiv und mit augenzwinkerndem Charme auf einem Parcours durch das Gelände erfahrbar.
Geschichte hautnah
In über drei Stunden erlebten die Besucher an zwölf Stationen Sinn und Inhalt der Zwölf Bauernartikel durch gespielte Szenen, Audio-Stationen oder in Form von Mitmach-Aktionen. Der Wortlaut der Artikel war auf Tafeln in altdeutscher Schrift mit Übersetzung zu lesen, zusätzlich gab es eine kurze Erklärung zur Bedeutung der jeweiligen Forderung, ins Heute übersetzt. So war an Station sechs sogar von „Work-Life-Balance“ die Rede, bezogen auf den 6. Bauernartikel, in dem die Bauern verlangten, dass der harte Frondienst auf ein erträgliches Maß reduziert werden solle und eine angemessene Entlohnung forderten.

Erst die Arbeit, dann das Brot: Sophie Freodevaux und Arno Stallmann ließen die Besucher erst einmal Sackhüpfen. Der Hintergrund: Station 2 bzw. Bauernartikel zwei nimmt die Besoldung des Pfarrers aufs Korn.
Fron und Zwangsarbeit
In den Räumen des ältesten Hauses auf dem Gelände des Freilichtmuseums, der über 350 Jahre alten Sölde Honsolden, veranschaulichten Audiotexte das Thema der Fron bzw. Zwangsarbeit. So war beispielsweise zu hören, dass einem Bauern, der aus Krankheitsgründen seiner Fron nicht nachkommen konnte, seine beiden Ochsen – und damit die Existenzgrundlage - gepfändet wurden.
Armut und Abhängigkeit
„Freiheit wird nicht gegeben, sie wird erstritten“, rief die erboste Witwe (Julia Schmalbrock) ihrem Lehnherrn (Michael Naroditzki) hinterher, der von ihr unerbittlich den „Todfall“, eine Art Erbschaftssteuer, einfordert. „War der Bauer gestorben, nahm man seinen Hinterbliebenen das letzte Geld auch noch weg, so dass die trauernde Witwe und ihre Kinder in größte Armut und Abhängigkeit gerieten, der Willkür eines Herren ausgeliefert“, informierte die Tafel die Besucher an dieser Station über den 11. Bauernartikel. Imaginärer Ort des Geschehens: der Utterhof.

Eine Szene zum Schmunzeln: Um die freie Wahl des Pfarrers ging es bei Station 1: In der Kapelle Hettisried bewarb sich ein Pfarrer (Klaus Philipp) bei der "Gemeinde", indem er seine Sünden beichtet.
Macht und WIllkür
Was Willkür bedeutet, demonstrierten Stephan Brömme, Lotte Gosch und Sven Kleine an Mitmach-Station 7, vor der Pumpstation und Maschinenwerkstatt. Wer hier eingelassen werden wollte, musste Arbeitsdienst verrichten – nicht nach festgelegten Regeln, sondern willkürlich und ungerecht. So mussten die Besucher sinnlos Wassereimer hin- und herschleppen und immer wieder dieselben Äpfel auflesen, um eine Ahnung davon zu bekommen, was es bedeutet, nach Lust und Laune herumkommandiert zu werden. Demgemäß richtet sich Artikel sieben gegen die Willkür bei der Fronarbeit.
Lieder zu Freiheit und Arbeit
Wer alle Stationen durchlaufen hat und zwölf Stempel auf seiner Karte gesammelt hatte, bekam an der letzten Station, der Torfwirtschaft, eine kostenlose Erfrischung – und durfte zudem noch ein Konzert genießen: Von Bass und Keyboard begleitet, trugen Schauspieler des Landestheaters Lieder rund um die Themen Arbeit, Freiheit und Widerstand vor. Zu hören waren Lieder von (ost)deutschen Liedermachern ebenso wie brasilianische Folksongs oder „Hard Days Night“ von den Beatles, „Nine to five“ von Dolly Parton, „Underdog von Alicia Keys" – und zum krönenden Abschluss: „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen.