"Kultur ist kein Luxus!"

Theater-Ensembles wenden sich in offenem Brief an Ministerpräsident Söder

veröffentlicht am 02.11.2020

Bleiben die Theater im November wirklich geschlossen? Einige bayerische Theaterensembles haben sich nun mit einem offenen Schreiben an Ministerpräsident Markus Söder und den bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Bernd Sibler gewandt, um ihre Häuser wieder für das Publikum öffnen zu dürfen. Archivfoto: Sonnleitner

(dl). In einem offenen Brief appellieren die künstlerischen Theaterensembles der Städte Augsburg, Bamberg, Nürnberg, Memmingen, Regensburg, Fürth und Würzburg an Ministerpräsident Markus Söder und den bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Bernd Sibler, die Theater als einen "Ort wichtigen gesellschaftlichen Diskurses" vom Lockdown auszunehmen. Hier das auch vom Landestheater Schwaben unterzeichnete Schreiben:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Söder,

sehr geehrter Herr Staatsminister Sibler,

sehr geehrte BürgermeisterInnen, KulturdezernentInnen und ReferentInnen,

wir, die künstlerischen Ensembles der Städte Augsburg, Bamberg, Nürnberg, Memmingen, Regensburg, Fürth, Würzburg, schließen uns dem dringlichen Appell der Münchner KollegInnen vom 28.10.2020 von ganzem Herzen an.

Wir verstehen Ihre Besorgnis um die steigenden Infektionszahlen, und wir teilen sie in vollem Umfang. Deshalb haben sich sämtliche bayerischen Theater in den letzten Monaten ein äußerst strenges Hygienekonzept auferlegt und es penibel eingehalten.

Die Sicherheit unserer ZuschauerInnen ist uns äußerst wichtig.

Die Belüftungsanlagen sind während des gesamten Spielbetriebs in Betrieb und gewährleisten einen durchgehenden Frischluftaustausch. Der Abstand zwischen den ZuschauerInnen in den Zuschauerräumen und Foyers übertrifft weit den geforderten Mindestabstand von 1,50 m. Während der Vorstellung tragen alle ZuschauerInnen einen Mund-Nasen-Schutz. Die Zuschauerzahlen sind durch die stark verkleinerten Kartenkontingente zu den Vorstellungen so reduziert, dass zu keinem Zeitpunkt eine Infektionsgefahr durch Nähe entstehen kann: Sämtliches Personal im Vorderhaus, im Kartenverkauf und an der Garderobe ist sowohl durch Mund-Nasen-Schutz als auch zusätzliche Plastikvisiere abgeschirmt.

KollegInnen haben sich zusätzliche private Beschränkungen auferlegt, und auch Reisen zum Zwecke künstlerischen Austausches wurden nicht angetreten, um unter allen Umständen einen Spielbetrieb im eigenen Theater zu gewährleisten. Auch die freischaffenden KünstlerInnen, die an den Theatern eine Wirkungsstätte haben, sind davon betroffen.

Seit Beginn der Maßnahmen gibt es keinen Hinweis darauf, dass Theater zu Orten von Spreader-Ereignissen geworden sind. An dieser Stelle können wir nur den Brief der Münchner KollegInnen zitieren und dazu auffordern, durch ExpertInnen die jeweiligen Theater zu prüfen, um der Regierung die Möglichkeit einer realistischen Einschätzung an die Hand zu geben.

Sämtliche Theater in Bausch und Bogen zu schließen, hat im Hinblick auf den Infektionsschutz keinen Nutzen.

Und es ist schädlich!

Kultur ist kein Luxus, sondern eine zwingende Notwendigkeit jeder zivilisierten Gesellschaft!

Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, von einem „fehlenden Run auf die Theater“ sprechen, so liegt das schlicht an dem sehr beschränkten Kartenkontingent. Die wenigen Karten wurden sofort von den ZuschauerInnen in Anspruch genommen.

Die Theater sind ein Ort, wo ein wichtiger gesellschaftlicher Diskurs ermöglicht wird, ein gemeinsamer gedanklicher und emotionaler Austausch in diesen schwierigen Zeiten. Wir wirken durch gemeinsames Erleben wertvoller Narrative einer drohenden zunehmenden Vereinsamung entgegen. Durch diese pauschale Schließung wird eine kostbare Möglichkeit vertan, einer zunehmend verunsicherten Gesellschaft einen Ort der Besinnung und des Ausgleichs anzubieten.

Und diese pauschale Schließung ist unverständlich für die, die sich um die Ausarbeitung und Umsetzung der von der Politik vorgegebenen Hygienemaßnahmen bemüht haben. In Konsequenz ist die Aussage Ihres Schließungsbeschlusses das Eingeständnis, dass alle Vorgaben, alle Hygienekonzepte wertlos sind. Es fühlt sich wie eine Kapitulation vor der Pandemie an. Lassen Sie uns die Chance, dem gemeinsam entgegenzuwirken, indem wir die kreativen Orte in unserer Mitte offen halten!

Ensemblemitglieder des Staatstheater Augsburgs,

des ETA Hoffmann Theater Bambergs,

des Mainfrankentheater Würzburgs,

des Stadttheater Fürths,

des Staatstheater Nürnbergs,

des Theater Regensburgs,

des Theaters Pfütze (Nürnberg),

des Gostner Hoftheaters (Nürnberg)

des Theaters im Gärtnerviertel (Bamberg),

des Nana Theaters im Club Kaulberg (Bamberg),

des Landestheaters Schwabens (Memmingen),

des Theater Mummpitz (Nürnberg)