Memmingen (as). Vor 500 Zuhörern im großen Saal der Stadthalle kündigt Susanne Riha das letzte Konzert des Jahres und damit den Höhepunkt der Konzertsaison des JAMM "Jazz Art Memmingen" e.V. an: Die Jan Garbarek Group. Der norwegische Saxofonist Jan Garbarek gilt in Fachkreisen als einer der stilprägenden Musiker der Jazzgeschichte unserer Zeit, sein Sound als unverwechselbar und einzigartig.
Was schreibt man über einen Konzertabend der eigentlich vor allem eines ist: unbeschreiblich – wahrhaft magisch und dabei vom Gestus her doch so unspektakulär? Das Publikum in der Stadthalle wird Teil eines ganzen Universums von Klang – inklusive Parallelwelten - das der Mann mit dem unverkennbaren Ton zusammen mit Rainer Brüninghaus (Klavier und Keyboard), Trilok Gurtu aus Indien (Drums, Perkussion) und dem brasilianischen Bassisten Yuri Daniel entwirft. Im Verlaufe des Abends fällt kein einziges Wort- bereits dies ist ein Statement, ein Bekenntnis zum Vertrauen auf die allumfassende Aussagekraft der Musik.
Schnell wird klar, dass der Saxofonist aus Norwegen ein Teamplayer ohne Starallüren ist. Er gebärdet sich nicht als Frontman - er ist einfach einer von vier Musikern, die sich blind verstehen. Die sehr bewegte und bewegende, emotionsgeladene Musik der Formation schlägt einen ungewöhnlich weiten Spannungsbogen. Ausgehend von der schlichten Poesie eingängiger Melodien, steigern sich die Bandmitglieder im Free Jazz ihrer Improvisationen zu komplexen Klängen von wilder, expressiver Kraft, die wie Naturgewalten anmuten. "Klangbilder" – dieser Ausdruck trifft das Wesen ihrer Musik, in die nicht nur viele divergierende ethnische Einflüssen einfließen, sondern auch Elemente der E-Musik.
Eine musikalische Reise mit der Band kann z.B. mit einer beschaulichen Bootsfahrt bei sanftem Wellengang beginnen. Bald zeigen sich ein paar Gewitterwolken, ein Sturm zieht auf. Das Stück entwickelt sich zum Melodram. Garbareks Saxophon schwirrt, bringt die Luft zum Vibrieren, es singt, jubiliert, atmet. Dann übernimmt der Flügel den versöhnenden, epischen Part, der die Klarheit eines neuen Frühlingsmorgens schafft. Melancholisch-sehnsuchtsvoll klingt Garbareks Saxofon, dabei aber niemals seicht oder sentimental. Eher nachdenklich, fragend, zuweilen beinahe schmerzhaft intensiv. Gern bäumt es sich am Ende eines Stückes noch einmal auf - wie rebellierend - dann wieder feierlich-hymnisch.
Die Dialoge zwischen den Instrumenten haben oft etwas Spielerisches, sie fragen, antworten, setzen Statements, provozieren, werfen sich jonglierend die Bälle zu. Immer wieder bricht der Humor dieser kongenialen Musiker sich in Form witziger Klangspielerien Bahn.
Trilok Gurtu bedient seine Perkussioninstrumente, Becken und Trommeln wie der magische Meister einer Hexenküche. Dabei experimentiert er mit seinen Zutaten gerade so, als wolle er sich selbst überraschen. Ein mit Wasser gefüllter Blecheimer wird zum vielseitigen Klangerzeuger. Und als ob die Vielfalt der Rhythmen und Klänge, die der begnadete indische Drummer und Perkussionist mit Händen und Sticks produziert noch nicht ausreicht, kreiert er Töne und Silben zusätzlich mit Mund und Stimme, beginnt zu scatten, zu singen. Damit beschreibt er das elementare Element der Jan Garbarek-Group. das darin besteht, sich immer wieder neu zu erfinden.