
Memmingen (as). Nach wie vor haben Schwerbehinderte es schwerer, einen Arbeitsplatz zu finden. Mehr als an der Behinderung an sich scheitert eine Einstellung oft an den Barrikaden in den Köpfen der Arbeitgeber, die meinen, dass behinderte Arbeitnehmer hohe Kosten verursachen, intensive Betreuung erfordern und außerdem unkündbar sind. Dass sich dies in der Realität anders verhält, demonstriert die Memminger Firma Buzil im Rahmen eines Pressegespräches, zu dem die Agentur für Arbeit eingeladen hat.
Dass die 27-jährige Bürokraft Stefanie Weis im Rollstuhl sitzt, fiel bei der Gesprächsrunde nicht weiter auf. Ebenso wenig beeinträchtigt Ihre eingeschränkte Mobilität ihr Arbeitsvermögen. Die junge Frau aus Attenhausen ist gelernte Bürokraft und absolvierte vor ihrer Beschäftigung bei Buzil im Rahmen der „unterstützten Beschäftigung“ der Deutschen Angestellten Akademie (DAA) vier Jahre lang in Nürnberg ein Praktikum nach dem anderen. Mittlerweile von der Reha-Abteilung der Agentur für Arbeit betreut, war Stefanie Weis auch beim Buzil-Werk Wagner zunächst als Praktikantin beschäftigt, doch hier mündete die Probetätigkeit nun ab 1. Dezember in einen regulären Arbeitsvertrag.
"Sie hat sich toll eingearbeitet und passt ins Team“
„Ob Frau Weis im Rollstuhl sitzt oder den Gang entlangläuft, spielt für uns keine Rolle“, erklärt Personalleiterin Carolin Rossi, "sie hat sich toll eingearbeitet und passt ins Team.“ Da sei auch der Zuschuss, den die Firma von der Agentur für Arbeit bezieht, nur ein zusätzliches „Zuckerl“.
Die Firma Buzil geht mit gutem Beispiel voran, was Offenheit und Unvoreingenommenheit betrifft: In der Frauenhoferstraße 17 sind drei Schwerbehinderte und vier Gleichgestellte (mit einem Behinderungsgrad von 30 bis 50 Prozent) beschäftigt. Bei 120 Beschäftigten in Memmingen hat die Firma ihre Quote damit sogar über-erfüllt. Denn laut Sozialgesetzbuch sind bei einer Betriebsgröße ab 20 Mitarbeitern fünf Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Pro vakantem Platz fällt sonst eine Ausgleichsabgabe von 105 bis 260 Euro im Monat an - die viele andere Firmen lieber bezahlen, als eine Einstellung behinderter Mitarbeiter zu erwägen.
"Keineswegs Arbeitnehmer zweiter Klasse"
"Dabei sind diese keineswegs von Haus aus Arbeitnehmer zweiter Klasse", machte Peter Litzka, Leiter der Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen, deutlich. Vielmehr zeichneten sich behinderte Mitarbeiter durch starke Treue zum Betrieb aus. Die Agentur erhofft sich eine Sogwirkung von Unternehmen wie die Firma Buzil: "Wir wollen behinderten Menschen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt geben, die sie verdienen", so Litzka. "Dazu müssen wir weg kommen von der Vorstellung, dass behinderte Arbeitnehmer permanent Hilfestellung benötigen. Notwendig sei lediglich eine Anpassung des Arbeitsplatzes.
Ein Aufzug war bereits vorhanden, nur die Toilette habe man umbauen müssen, erklärte Carolin Rossi. Die Firma tat dies in Eigenregie – doch auch für solche Umbaumaßnahmen gibt es finanzielle Hilfen von der Arbeitsagentur, klärt Martin Klinger, Berater für schwerbehinderte Menschen, auf.
Schwerbehinderte Arbeitnehmer sind nicht unkündbar
Die Einstellung eines schwerbehinderte Mitarbeiters wird von der Agentur für Arbeit mit einem monatlichen Eingliederungszuschuss von 40 bis 60 Prozent des Bruttogehalts gefördert. Hinzu kommt eine Sozialversicherungspauschale. „Nach Ablauf des Jahres kann man einen neuen Antrag stellen, oder ein Zuschuss beim Integrationsamt in Augsburg beantragen", erklärt Klinger. Falls es trifftige Gründe gibt, den schwerbehinderten Arbeitnehmer nicht weiter zu beschäftigen, sei nach Absprache mit dem Integrationsamt auch eine Kündigung möglich.
Zwar ist die Anzahl Arbeitsloser im Wirtschaftsraum Memmingen von Januar 2013 bis November 2014 zurückgegangen. Doch partizipieren schwerbehinderte Menschen nicht von dieser Entwicklung: Im gleichen Zeitraum ist hier der Anteil an Arbeitslosen gestiegen. Unabhängig von ihrer Qualifikation haben Behinderte also schlechtere Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden. Dies belegen die Zahlen, die Reinhold Huber, Sprecher der Arbeitsagentur Kempten-Memmingen, vorlegt. Im November 2014 waren 123 Schwerbehinderte arbeitslos, 25 mehr als im Vorjahr. Im Allgäu ist die Beschäftigungsquote im bayerischen Vergleich unterdurchschnittlich.