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„Ich kann, ich will, ich muss“

Premiere von Transit Woyzeck am LTS

veröffentlicht am 04.12.2023
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Woyzeck (links: Sebastian Egger) wird von den Regimentsärzten im Rahmen eines Experiments in Augenschein genommen (Mitte: Levi Roberta Kuhr, rechts: Michael Naroditski). Foto: LTS © Jürgen Bartenschlager

Memmingen (dl/sg). Mit „Transit Woyzeck“ bringt das Landestheater Schwaben (LTS) ein Sozialdrama von Georg Büchner auf die Studiobühne, das fesselt, fasziniert, berührt und schockiert. Drei junge Schauspieler brillieren ausdrucksstark in mehreren Rollen.

Büchner selbst hat Woyzeck fragmentarisch geschrieben und vor seinem frühen Tod nicht beenden können, was ein wesentlicher Charakter des Stückes ist.
Nicht zuletzt ein gelungenes Bühnenbild holt das Stück nach rund 200 Jahren in die Moderne, wobei die Essenz nicht an Aussagekraft und Wirkung verloren hat.

Im Hamsterrad

Die Inszenierung von Intendatin Christine Hofer auf der Studiobühne arbeitet aus dem Fragment die Strukturen von Unterdrückung und Machtmissbrauch in einer streng hierarchisch aufgebauten Gesellschaft heraus. Sie schafft den Brückenschlag ins Heute, denn für nicht wenige werden die Verhältnisse, in die sie geboren werden, zur ausbruchsicheren Zelle. Die Anforderungen des Lebens in prekären Situationen und Krisen treiben die Menschen vor sich her und an den Rand. Gleich mehrere schlechtbezahlte Jobs müssen ausgeübt werden, um den Unterhalt der Familie zu sichern. „Transit Woyzeck“ bringt ausdrucksstark das Hamsterrad auf die Bühne, aus dem es kein Entkommen gibt. „Ich kann, ich will, ich muss“ wird dabei zu Woyzecks ständiger Selbstgeiselung, zum Motor im Hamsterrad in der Hoffnung den Verhältnissen doch zu entkommen. Innerpsychisch sind auch weitere Figuren treffend angelegt, sodass sich zwischenmenschliche Bindungen und Zwänge nach und nach zumindest erahnen lassen.

Der Mensch als Abgrund

Büchners Anti-Held Woyzeck kann von seinem kargen Lohn beim Kommiss nicht leben, verdingt sich zusätzlich nicht nur als Barber seines Hauptmanns, sondern auch als Versuchskaninchen beim Regimentsarzt. Und das alles nur, damit er den Unterhalt seiner Geliebten Marie und ihrem unehelichen Kind zahlen kann. Eine Affäre Maries treibt den von allen Seiten drangsalierten und physisch wie psychisch labilen Woyzeck immer tiefer in Wahnvorstellungen, bis die Situation schließlich eskaliert. Prägnante Sätze von Woyzeck wie „Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einen, wenn man hinabsieht“ hallen im Zuschauer nach.

Angst als Motor

Schauspielerisch bravourös gespielt, erntete die Premiere von „Transit Woyzeck“ viel Applaus, in den sich eine nachdenkliche, ergriffene Atmosphäre eingewoben hat. Denn das Stück hält Spiegel vor und hinterlässt Spuren.
„Angst ist der Turbo unserer kapitalistischen Gesellschaft. Es gibt ein großes Interesse an Wunden, Rissen und Verletzungen. Darauf verzichten? Was wäre dann mit dem Motor, der unsere Welt zusammenhält?“. Das Stück endet offen und mit dem Gedanken, was wäre, wenn irgendeine Figur sich an einer Stelle anders entschieden hätte.

Weitere Termine und Karten
Bei allen Vorstellungen gibt es 30 Minuten vor Beginn eine Einführung.