99. Weltfrauentag: "Macht ist nichts Unanständiges"

Ein Gespräch mit der Landesvorsitzenden der Frauen-Union

veröffentlicht am 09.03.2020

"Damenwahl": Die Damen der Frauen-Union Memmingen mit der Landesvorsitzenden der Frauen-Union Ulrike Scharf (Mitte rechts) und der Vorsitzenden der Frauen-Union Memmingen, Dr. Veronika Schraut (neben ihr). Fotos: Sonnleitner

Memmingen (dl) Anlässlich des 99. Weltfrauentags unterstützte die CSU-Landtagsabgeordnete und Landesvorsitzende der Frauen-Union (FU) Ulrike Scharf die Aktion „Damenwahl“, zu der die Frauen-Union Bayern aufgerufen hatte, am Memminger Weinmarkt. Eingeladen hatte die Frauen-Union Memmingen. Im Anschluss unterhielt sich Lokale-Redakteurin Antje Sonnleitner mit ihr über den Anlass für die Aktion: Den Einzug von Frauen in die Stadt- und Gemeinderäte zu unterstützen.

Rosen für die Damen: Passantinnen am Weinmarkt freuten sich über die Aufmerksamkeit zum Weltfrauentag.

Nachdem die Mitglieder der FU Memmingen sich ein Bild über die engagierte Frauenarbeit in der Beratungsstelle des Memminger Frauenhauses gemacht hatten (Bericht folgt) verteilte Ulrike Scharf und Dr. Veronika Schraut, Vorsitzende der FU Memmingen am Weinmarkt Rosen an Passantinnen und warben bei einem Glas Sekt für die Stärkung des frauenpolitischen Engagements.

Ziel der CSU-Charme-Offensive war es, auf die aktuelle Unterbesetzung von Frauen in Memmingens Kommunalpolitik aufmerksam zu machen: „Im Memminger Stadtrat liegt der Frauenanteil aktuell bei 22,5 Prozent, der Anteil an Kandidatinnen auf den gesamten zehn Parteienlisten liegt im Vorfeld der Wahl sogar nur bei unglaublichen 26,5 Prozent“, erklärt Dr. Schraut. Bayernweit ist nur jedes vierte Mitglied von Stadt- und Gemeinderäten weiblich. „Das zeigt, dass wir hier deutlich unterrepräsentiert sind. Deshalb rufen wir zur Damenwahl auf!“, so Schraut.

Als alle Rosen an die Frau gebracht waren, traf sich Ulrike Scharf im Beisein von Dr. Veronika Schraut, der ehemaligen Landtagsabgeordneten Ingrid Fickler und Oberbürgermeister Manfred Schilder noch im Café Moritz zu einem Gespräch mit der „Lokalen“.

Ulrike Scharf (CSU) war von 2014 bis 2018 Bayerische Umwelt-Ministerin. Seit September führt sie die Frauen-Union.

Die Lokale: Frau Scharf, Ministerpräsident Markus Söder hatte eine Ausweitung der Frauenquote gefordert und scheiterte unter anderem auch am Widerstand von Frauen in der CSU. Hannah Lotze von der JU Oberbayern sagte: „Frauen, die etwas können, werden auch was.“ Wie denken Sie über diese Aussage bzw. was denken Sie selbst über Ausweitung der Frauenquote?

Ulrike Scharf: Junge Frauen in der Politik sind überzeugt, dass sie es durch Leistung und dank ihrer Fähigkeiten schaffen, sich zu etablieren. Doch diejenigen, die länger dabei sind, machen die Erfahrung, dass Frauen ohne die Quote in der Partei viel zu langsam vorankommen. Deshalb halte ich innerparteilich die Quote für sehr sinnvoll und notwendig, um gerade in unserer konservativen Partei mehr Frauen unterzubringen, denn historisch bedingt ist die Politik eher eine Männerdomäne.

Wir haben die 40 Prozent-Quote bereits für Vorstände auf Bezirks- und Landesebene, nun wollen wir sie auch auf Kreisebene verpflichtend einführen. Ich wünschte, wir würden sie nicht brauchen, doch dieses Instrument ist einfach immer noch notwendig.

In Hinblick auf die Kommunalwahl stimmt mich zuversichtlich, dass 150 Kandidatinnen für das Bürgermeisteramt antreten. Es freut mich sehr, dass Frauen bereit sind, die Verantwortung anzunehmen und für ein Bürgermeisteramt zu kandidieren. Bei der letzten Kommunalwahl waren es wesentlich weniger.

Die Lokale: Was hält Ihrer Erfahrung nach Frauen davon ab, für ein Mandat zu kandidieren?

Dr. Veronika Schaut: Die Gründe sind vielfältig. Zum einen gibt es sehr häufig noch eine Dreifachbelastung, die Frauen sind berufstätig, doch vieles im Bereich Familien- und Haushaltsmanagement hängt einfach noch an ihnen, da haben wir hierzulande noch oft konservative Rollenmodelle. Und dann noch die Politik, durch deren Männernetzwerke man sich durchbeißen muss. In der Politik braucht man einen langen Atem und ist zudem als Frau noch einem höheren Erwartungsdruck ausgesetzt.

Förderlich ist, wenn in der Familie schon politisch gearbeitet wurde und die Frauen auch entsprechend bestärkt wurden. Das ist auch der Ansatz unserer Mentoringprogramme in der CSU. Wir sagen den Frauen: „Geh in die Politik, man braucht dich und du kannst da was bewirken.“

Die Lokale: Gibt es noch andere hinderliche Faktoren?

Ulrike Scharf: Für Frauen ist das Thema Macht etwas, womit sie ungerne umgehen. Wir Frauen sollten lernen, dass Macht nichts Unanständiges ist. Es bedeutet einfach, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen, sich mit den eigenen Argumenten auch durchzusetzen und Allianzen zu schmieden. Doch der Machtbegriff ist den Frauen meist ein Stück weit zuwider.

Ingrid Fickler: Wir keine Macht hat, kann auch nichts bewirken. Macht bedeutet auch, etwas gestalten zu können und das ist ja der Antrieb, warum man in die Politik geht.

OB Manfred Schilder: Unsere Gesellschaft ist historisch durch ein sehr patriarchalisches Prinzip geprägt, was sich peu à peu aber verändert. Nicht nur in der Politik, auch, wenn man in die Firmen schaut, findet man ganz selten Frauen an der Spitze. Ich muss sagen, mir ist eine Frau in einer Führungsposition oft viel lieber als ein Mann, weil Frauen - entgegen des Vorurteils, sie seien zu emotional - in Führungspositionen viel pragmatischer denken und handeln als Männer. Das erlebe ich immer wieder.

Dr. Schraut: Beim Weltfrauentag geht es ja nicht um die Diskriminierung von Männern sondern um Chancengleichheit, und die besteht einfach noch nicht, weil die Rahmenbedingungen gerade in der Politik ungünstig sind, da viele Veranstaltungen und Sitzungen zu familienunfreundlichen Zeiten stattfinden. Es ist unser Bestreben innerhalb der Frauenunion, dafür zu werben, dass die Bedingungen besser werden.

Die Lokale: Was steht denn in den nächsten Jahren auf ihrer Agenda als Landesvorsitzende der Frauen-Union?

Scharf: Das ewige Ziel mehr Frauen in die Mandate zu bekommen wird in den nächsten Jahren ganz oben auf der Agenda stehen. Der Frauenanteil in der CSU liegt derzeit bei 21 Prozent, das ist viel zu wenig. Ein wesentliches Element ist das Mentoringprogramm, das wir in Oberbayern vor 13 Jahren etabliert haben und das auch hier vor Ort gelebt wird. Was wir immer wieder erleben, wenn Frauen kandidieren wollen, ist der Selbstzweifel: „Kann ich das? Traue ich mir das zu? Schaffe ich das alles zeitlich?“ - Wir wollen die Frauen befähigen, dass sie sich ein Mandat als Gemeinde-, Stadt- oder Kreisräten zutrauen. Die Frauen werden ein Jahr lang an die Hand genommen, bekommen ein Schulungsprogramm und sind im Tandem mit einer Berufspolitikerin unterwegs, um das Handwerkszeug kennen zu lernen und zu merken, dass das alles kein Hexenwerk ist.

Die Lokale: Was muss sich in der Gesellschaft ändern, um Frauen den Weg in Karriere und Politik zu ebnen?

Scharf: Von der gesetzlichen Lage her sind wir schon auf einem ganz guten Weg, wir haben einen unglaublichen Ausbau der Kinderbetreuung mit vielen Ganztagsangeboten, da ist von Seiten des Freistaates meines Erachtens schon sehr viel getan. Es geht aber auch darum, junge Familien dafür zu sensibilisieren, dass Kinderbetreuung oder auch Pflege der Eltern auch Aufgabe der Männer ist, ebenso wie die Aufgaben im Haushalt.

Die Lokale: Wie haben Sie es geschafft, sich in der Männerdomäne der Politik zu behaupten?

Scharf: Man muss auch als Frau bereit sein zu kämpfen und die Auseinandersetzung auszuhalten. Ich habe mich 2013 in einer Kampfabstimmung gegen meinen Vorgänger, einen älteren Herren, im Kampf um das Direktmandat für den Landtag durchgesetzt. Das war keine einfache Aufgabe und wurde zum wichtigen Meilenstein in meiner Vita. Ich habe keine Scheu davor, mich mit Männern auseinanderzusetzen, das hat schon auch etwas mit der häuslichen Prägung zu tun (lacht): Ich habe drei Brüder das ist schon mal eine gute Voraussetzung. ich würde jeder Frau raten, den Schritt zu wagen.

Oberbürgermeister Manfred Schilder begrüßte die FU-Landesvorsitzende Ulrike Scharf am Weinmarkt. Rechts neben ihr: Dr. Veronika Schraut, Vorsitzende der FU Memmingen.