„Baderegeln bedeuten Hirn einschalten!“

Besonders im Corona-Sommer können Baderegeln Leben retten

veröffentlicht am 24.06.2020

Rettungsschwimmer der DLRG Memmingen/Unterallgäu bei der Aufsicht an einem Baggersee. Foto: DLRG Memmingen-Unterallgäu

Memmingen (as). Jürgen Bonnemann ist seit 40 Jahren bei der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft Memmingen/Unterallgäu (DLRG) aktiv und möchte auch in diesem Jahr für die Gefahren der heimischen Gewässer sensibilisieren. Die Corona-Auflagen werden voraussichtlich zu einer höheren Auslastung der Badeseen führen. Bonnemann appelliert daher im Gespräch mit der Lokalen an die Bürger, besonders umsichtig zu sein.

Seit 40 Jahren bei der DLRG aktiv: Jürgen Bonnemann, hier im Gespräch mit der Lokalen. Foto: Sonnleitner

Herr Bonnemann, nun sind die Freibäder wieder geöffnet, doch die Corona-Auflagen verkomplizieren den Badespaß und Schwimmen im Schichtbetrieb ist nicht jedermanns Sache. Rechnen Sie damit, dass viele Badegäste an offizielle Badeseen oder auf andere Gewässer ausweichen?

Ja, wir erwarten an sommerlichen Tagen einen Ansturm auf die unbewachten Seen und Weiher in unserer Region und in ganz Bayern, zumal viele ihren Urlaub zuhause bzw. im Inland verbringen. Weder wir noch die Wasserwacht haben genügend Personal, um für alle Badeseen eine Aufsicht zu stellen.

Also könnte das Baden, neben der Infektionsgefahr, auch andere Risiken bergen?

Allerdings. In den letzten Jahren gab es in Bayern leider die meisten Ertrinkungstoten, jedes Jahr zwischen 80 und 90 Badeopfer, weil wir überall Tümpel haben, Kiesweiher und Baggerseen. Das gibt es in dieser Form in anderen Bundesländern nicht. Freigewässer haben oftmals verborgene Gefahrenstellen. Manche Baggerseen haben Steilufer, das heißt: Nach einem Stück mit flachem Ufer fällt der Seegrund plötzlich steil ab. Wer nicht sicher schwimmen kann, ist dort in Lebensgefahr. Und: Ein Kopfsprung in einen unbekannten, zu flachen See kann mit einer Querschnittslähmung enden. Auf dieses Risiko macht die DLRG seit vielen Jahren in ihren bekannten Baderegeln aufmerksam.

Die Baderegeln, die man auf der Homepage der DLRG findet, richten sich an den gesunden Menschenverstand …

Genau, Baderegeln bedeuten nichts anderes als Hirn einschalten! Also immer abkühlen und, falls möglich, duschen, bevor man ins Wasser geht, nicht mit vollem oder leerem Magen oder bei Gewitter ins Wasser gehen – eigentlich Allgemeinplätze, die dennoch nicht immer beachtet werden.

Welche sind die häufigsten Gründe für Badeunfälle?

Alkohol und Überschätzen der der eigenen Kräfte. In einem Jahr hatten wir drei oder vier Badeunfälle von alkoholisierten Jugendlichen innerhalb einiger Wochen, das passiert dann meist so um Mitternacht. Also Hände weg vom Alkohol! Ihre Kräfte überschätzen sollten auch Senioren nicht, auch für sie gilt: Nicht erhitzt in kaltes Wasser gehen, da sonst z. B. ein Immersions- oder Kälteschock droht.

Was raten Sie Eltern mit kleinen Kindern?

Die Eltern sind immer sehr stolz, wenn die Kinder ihr Seepferdchen gemacht haben, doch dieses Abzeichen ist nur eine Einstiegsqualifikation und liefert keine Garantie, dass die Kinder richtig schwimmen können. Auch Kinder mit Seepferdchen sollten also unbedingt von den Eltern überwacht werden. Bedingt geeignet für Badeausflüge mit kleinen Kindern ist der Waldweiher in Buxheim, da ist der Einstieg ziemlich flach und das Wasser warm. Der Woringer Baggersee hingegen ist für kleine Kinder gefährlich, weil hier der Einstieg ins Wasser steil ist.

Wie reagiert man am besten, wenn man merkt, dass ein Badender in Gefahr ist?

Zuallererst den Notruf 112 wählen. Bei eigenen Rettungsaktionen immer von der kürzesten Stelle vom Ufer aus anschwimmen und sicherheitshalber Abstand halten, weil Ertrinkende in Panik um sich schlagen oder sich festklammern. Besser die Distanz mit einem Handtuch oder notfalls Badeanzug überbrücken. Und Aufblasbares nutzen, das herumliegt, oder auch Poolnudeln. Sehr nützlich sind alte Surfbretter wie sie in Woringen am Baggersee zu finden sind.

Und die DLRG wird sofort alarmiert, wenn ein Notruf eingeht?

Ja, wenn der Funkwecker losgeht, fahren wir schnellstmöglich von unserer Einsatzzentrale in der Mammostraße mit unserem voll ausgerüsteten Fahrzeug los. Doch viel Zeit bleibt uns nicht, denn der Tod durch Ertrinken bzw. Sauerstoffmangel tritt nach wenigen Minuten ein. Wer selbst nicht eingreifen kann, sollte sich also unbedingt die Position des Ertrinkenden merken und exakt beschreiben, um uns die Suche zu verkürzen.

Wie bereitet sich die DLRG auf die Badesaison vor?

Unsere Einsatzkräfte üben regelmäßig die verschiedenen Szenarien. Wir versuchen in möglichst engen Abständen alle Seen in der Umgebung zu betauchen, damit wir im Einsatzfall bestmögliche Hilfe leisten können. Wenn die Hilfe nicht direkt vor Ort ist, kommt es auf jede Sekunde an, denn, wie gesagt, das Ertrinken dauert nur wenige Minuten …

Die Baderegeln findet man auf der Homepage der DLRG Memmingen/Unterallgäu unter https://memmingen.dlrg.de/unser-angebot/baderegeln-und-eisregeln/

Info: Die DLRG als größte freiwillige Wasserrettungsorganisation der Welt hat sich der Verhinderung von Ertrinkungsfällen verpflichtet und trägt verantwortlich dazu bei, die Sicherheit der Menschen im, am und auf dem Wasser zu gewährleisten. Mit ihrem humanitären Einsatz retteten die Wachgänger im Jahr 2019 950 Menschen vor dem Ertrinken. Dennoch ertranken in Deutschland mindestens 417 Menschen im Jahr 2019. Jährlich ertrinken in Europa weit über 37.000 Menschen – weltweit laut einer WHO Studie aus dem Jahr 2015 fast 400.000 (372.000) Menschen. Das ist zu vergleichen mit einer deutschen Großstadt. Ertrinken ist weltweit die zweithäufigste Todesursache bei Kindern im Alter von 5 bis 14 Jahren.

Die DLRG Memmingen-Unterallgäu hat fünf Einsatzleiter und insgesamt etwa 30 Rettungsschwimmer mit Fach- und Sanitätsausbildung.