„Demokratie ist kein Wunschkonzert“

Seit einem Jahr Rathauschef: ein Gespräch mit OB Manfred Schilder

veröffentlicht am 21.03.2018

Memmingens Oberbürgermeister Manfred Schilder. Fotos: Sonnleitner/Radeck 

Memmingen (as). Oberbürgermeister Manfred Schilder ist jetzt seit einem Jahr im Amt. Wie gut hat er sich im Rathaus-Chefsessel etabliert? Und wie ist seine Ansicht zu den anstehenden Projekten? Die Lokale sprach mit ihm über den derzeitigen Stand der Dinge im Städtle.

Herr Schilder, Sie sind jetzt seit einem Jahr im Amt. Sind Sie bereits ein Stück weit desillusioniert?

Nein, ich war schon immer auf dem Boden der Tatsachen angesiedelt und weiß, dass die Dinge nicht immer nach meinem Kopf gehen müssen. Demokratie ist kein Wunschkonzert und bedeutet stets auch Kompromissbereitschaft.

Wann haben Sie sich zuletzt gewünscht, dass die Dinge anders liefen?

Bei Ikea. Wir haben in den Verhandlungen mit dem Möbelriesen den größtmöglichen Erfolg erzielt, dennoch wünschte ich, wir hätten noch mehr rausholen können. Ich bin zwar ein Freund liberaler Märkte, doch Wettbewerb muss auf Augenhöhe erfolgen und der kleine Memminger Händler als Einzelkämpfer braucht gegen einen solch großen Wettbewerber Schützenhilfe von Seiten der Stadt.

Sehen Sie das Bahnhofsareal nun auf einem guten Wege?

Ja, der Stadtrat als Souverän hat sich mit dem Entwurf der Ten Brinke Group für ein zu Memmingen passendes Konzept entschieden (wir berichteten, Anm. der Red.). Damit ist aber nur die Richtung vorgegeben, einige Punkte des Entwurfs werden noch weiter angepasst.

Ein Bieter war ja bereits abgesprungen, weil sich der Prozess zu lange hinzog.

Stimmt, eine Entscheidung musste gefällt werden, auch aus Fairness gegenüber den Wettbewerbern.

Meiner Erfahrung nach ist es oft besser, Entscheidungen zeitnah zu treffen und konsequent umzusetzen. Selbst auf die Gefahr hin, dass sie sich im Nachhinein als falsch erweisen - aber ewig zu ringen bringt nichts. Das soll aber nicht heißen, dass ich Schnellschüsse mag. Die Dinge wollen gut abgewogen sein, doch dann heißt es: „Butter bei die Fische“.

Ein Thema war zuletzt überhaupt nicht mehr präsent, was tut sich in Sachen Regio-S-Bahn?

Es ist ein sehr dickes Brett, das wir da bohren. Die Bahn hat wirtschaftlich natürlich andere Interessen als wir als Kommune und fragt sich „Lohnt es sich, da zu investieren?“. Wir hingegen möchten durch ein vernünftiges ÖPNV-Angebot, mit dem wir uns übrigens zeitnah beschäftigen werden, Nachfrage generieren und Bürger dazu bringen möchten, das Auto stehen zu lassen.

Eine ganz andere Frage - was macht eigentlich der Zehntstadel?

Im September wird die Sanierung beginnen. Nachdem uns nun nahezu alle Förderbescheide vorliegen, steht der Umsetzung nichts mehr im Wege.

Selbst wenn ein Beschluss gefasst ist, braucht die Ausführung oft sehr viel Zeit, werden Sie nicht manchmal ungeduldig?

Durchaus, auch wenn ich insgesamt ein entspannter Mensch, den nichts so schnell umwirft. Was Bau- und Sanierungsprozesse derzeit zusätzlich verlangsamt, ist die gute Konjunktur. Die Baubranche brummt, das bedeutet hohe Wartezeiten und überhitze Preise. Einige städtische Maßnahmen wie die Schulsanierungen dulden jedoch keinen Aufschub.

Welche Sanierung steht nach der des Strigel-Gymnasiums an?

Danach ist die Edith-Stein-Schule dran. Da wie nur die alte Realschule als Ausweichquartier haben, können wir nicht mehrere Schulen parallel sanieren. Handlungsbedarf bestünde grundsätzlich für alle in den 70er Jahren gebauten Schulen gleichzeitig.

Welchen Weg geht Memmingen, auch räumlich gesehen?

In der räumlichen Entwicklung ist Memmingen durch seine Stadtgrenzen beengt. In der letzten Bürgerversammlungen wurde der Vorwurf laut, es würden keine Baugebiete ausgewiesen. Doch wir haben auch eine Pflicht unseren Kindern und Enkeln gegenüber, Umweltressourcen und Flächen zu erhalten, anstatt alles zuzupflastern. Hier müssen wir gut abwägen. 

Eine schon unendliche Geschichte, wie entwickelt sich die Klinikfrage?

Auch das gehört zur Kategorie „dicke Bretter“ - wir sind auf gutem Wege, doch der Prozess ist aufwändig und zeitintensiv. Immerhin herrscht eine gewisse Harmonie mit dem Landratsamt und es gibt gemeinsame Ziele.

Wie beurteilen Sie die Resonanz ihres Wirkens in der Bevölkerung, welche Rückmeldungen bekommen Sie?

Ich bekomme positive Resonanz, es sei einiges anders geworden, heißt es, es herrsche eine offenere, transparentere Kommunikation, Bürger und Mitarbeiter fühlten sich wahr-, mit- und ernst genommen. Ich kann also schon sagen, dass ich eine eigene Duftmarke hinterlassen habe (lächelt).

A propos eigene Duftmarke: Schreiben Sie Ihre Reden alle selbst?

Ja, wenn ich mich auf vertrautem Terrain bewege, kann ich mich auch auf mein Improvisationstalent verlassen, bei Themen, die mir fremd sind, bereite ich mich inhaltlich vor und arbeite mich ein. So kann ich meinem Gegengenüber Werteschätzung vermitteln.