"Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit"

Markus Rinderspacher hält flammendes Plädoyer für Europa

veröffentlicht am 08.04.2019

Auf Einladung des Memminger SPD-Kandidaten Francesco Abate besuchte der europapolitische Sprecher der SPD Markus Rinderspacher die Maustadt. Foto: Würth

Memmingen (ew). „Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit“ - unter diesem Motto hielt der Vizepräsident des bayerischen Landtags und europapolitische Sprecher der SPD Markus Rinderspacher im Hotel Weißes Ross eine flammende Rede über die Europäische Gemeinschaft. Rinderspacher bezeichnete die Europawahl am 26. Mai als eine Schicksalswahl. Es gehe dabei nicht darum, ob Konservative oder Sozialdemokraten ein paar Stimmen mehr oder weniger bekämen, sondern, ob die europäische Idee in Zukunft noch Fortbestand habe.

Rinderspacher macht sich Sorgen um die Zukunft und fragt ob das, was unsere Eltern in den vergangenen 70 Jahren aufgebaut haben, in Zukunft noch Gültigkeit haben wird. „Unsere Kinder werden uns fragen, ob wir vergessen haben, dass in den beiden Weltkriegen viele Millionen Menschen ihr Leben verloren haben", so der Sozialdemokrat. Diese Wahl hat laut Rinderspacher eine große Bedeutung für den Kontinent, die Demokratie, die Freiheit und die Menschenrechte. „Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit“, so Rinderspacher weiter, denn nur 46 Prozent der Weltbevölkerung lebten in freiheitlichen Demokratien und es würden immer weniger.

"Von innen und außen attackiert"

Europa werde von innen und von außen attackiert. Von innen durch nationalistische Regierungen in Polen und Ungarn, die offen die Meinung äußern, dass freiheitliche Demokratien nicht die beste Lösung seien. Von außen durch die Chinesen, Russen und Amerikaner, die sich ins Fäustchen lachen, wenn beispielsweise das Vereinigte Königreich sich mit dem Brexit der Lächerlichkeit preisgibt.

Nationalismus bedeute, so Rinderspacher, immer Krieg und überall in Europa seien Populisten auf dem Vormarsch, um unsere Gesellschaft zu destabilisieren. Die Europäische Union als Idee komme immer weiter ins Rutschen. Dabei profitiere man nicht nur in Bayern von offenen Grenzen, offenem Denken und Handeln und der freien Marktwirtschaft, so der Landtagsabgeordnete.

EU doppelt geteilt

Rinderspacher sieht die EU in Nord-Süd und West-Ost als doppelt geteilt. In den osteuropäischen Staaten sei die Demokratie zwar angekommen, werde aber nicht besonders hoch gehalten. Man habe in diesen Ländern jahrzehntelang die Erfahrung gemacht, dass transnationale Zusammenarbeit und die Abhängigkeit (von Moskau) immer eine Knute bedeutete. Diese Länder wollen seiner Meinung nach jetzt unabhängig sein und ihre Nationalität pflegen, weil sie es bisher nicht durften.

Auf der anderen Seite stehe der reiche Norden gegen dem „darbende Süden“ mit einer Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 50 Prozent, beispielsweise in Spanien. Diese Hoffnungslosigkeit führe uns vor Augen, dass auch Solidarität und Gerechtigkeit globalisiert werden müssen. Nach der Wirtschaftskrise mit 1,6 Billionen Euro Ausgaben für Bankenrettungen fragten viele Menschen "was ist mit meiner Rente, mit der Sanierung meiner Schule, mit der Infrastruktur für die ältere Generation?".

Rinderspacher plädiert in seiner Rede auch für ein Europa mit europäischem Mindestlohn, gekoppelt an eine Bemessungsgrundlage von 60 Prozent des Durchschnittslohns eines Landes. Auch dass große Konzerne keinen einzigen Cent Steuern bezahlen, während jeder Handwerksmeister seine Steuern regelmäßig abführt, ist Rinderspacher ein Dorn im Auge.

Konkurrenz aus China

Eine große Gefahr sieht der europapolitische Sprecher auch in der Konkurrenz durch China. Die Welt verändere sich in dramatischer Art und Weise und China befinde sich mit seinem leninistischen Prinzip auf einem Siegeszug, weil es effizienter arbeite als eine Demokratie, die von langen Entscheidungsprozessen geprägt ist.

Im fernen Osten habe sich eine Verbindung von Kapitalismus und Leninismus etabliert, mit dem Ergebnis, dass die meisten Milliardäre inzwischen in China leben. „Wie wollen wir Sozial- und Umweltstandards verteidigen oder gar exportieren, wenn wir nicht durch eine gemeinsame Wirtschaftspolitik zusammenhalten?“, so der Sozialdemokrat. Die wirtschaftlichen Riesen würden in Amerika und China geboren, "und wenn es uns nicht gelingt zu punkten, dann werden wir das Nachsehen haben", erklärt Rinderspacher.