„Die Bevölkerung verträgt mehr offenen Diskurs“

Gerhard Pfeifer über die Zeit mit und nach Corona

veröffentlicht am 04.05.2020

Gerhard Pfeifer, Geschäftsführer des in Memmingen ansässigen Unternehmens Pfeifer Seil- und Hebetechnik. Foto: privat

Memmingen (rad). Die Corona-Krise hat vor allem enorme Auswirkungen auf die Wirtschaft als die tragende Säule unserer Wohlstandsgesellschaft. Die Lokale hat sich mit Gerhard Pfeifer, Geschäftsführer des in Memmingen ansässigen Konzerns Pfeifer Holding, über die Auswirkungen von Covid-19 auf sein Unternehmen und eine Renationalisierung der Weltwirtschaft unterhalten.

Herr Pfeifer, die Corona-Krise hat uns alle unvorbereitet erwischt. Welche Maßnahmen hat die Firma Pfeifer ergriffen, um den Schaden für das Unternehmen und die Mitarbeiter so gering wie möglich zu halten? Haben Sie Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt? Sind auch Stellenstreichungen geplant?

Am Standort Memmingen haben wir sehr früh eine Taskforce gebildet, einen mehrstufigen Kriseninterventionsplan entwickelt und in enger Taktung konsequent unsere Hygienemaßnahmen und Distanzkonzepte verfeinert. Als wirtschaftliche Maßnahme haben auch wir zum Teil Kurzarbeit eingeführt. Stellenstreichungen sind nicht geplant.

Welche Sicherheitsvorkehrungen sind im laufenden Betrieb nötig? Mehr Desinfektionsmöglichkeiten? Sie haben tausend Atemschutzmasken an das Memminger Gesundheitswesen gespendet - sind solche oder ähnliche Masken auch bei Pfeifer aktuell Pflicht? Wie ziehen die Mitarbeiter mit?

Wir haben konsequent für Desinfektionsmöglichkeiten gesorgt, Mitarbeiter eingewiesen und einen Dienstleister engagiert, dessen MitarbeiterInnen unvermeidliche Kontaktpunkte wie Türklinken und Lichtschalter im Umlaufverfahren regelmäßig desinfizieren. In unserer Näherei produzieren wir seit dieser Woche ebenfalls einfache Mund-Nasen-Masken für unsere Mitarbeiter. Bei den von uns gespendeten Schutzmasken handelte es sich um hochwertige FFP2- und FFP3-Atemschutzmasken, die nach unserer Überzeugung aktuell besser im medizinischen Bereich eingesetzt werden sollten. Wir haben zwischenzeitlich nochmals circa 500 weitere Exemplare an das örtliche Gesundheitssystem gespendet. Unsere Mitarbeiter zeigen volles Verständnis für die Maßnahmen und eine hohe Disziplin!

Welche kurzfristigen Auswirkungen hat die Corona-Krise auf Investitionen? Müssen Strategien neu überdacht, neue Märkte gesucht werden?

Im Augenblick geht es zunächst um Schadensbegrenzung. Investitionen werden angesichts der Planungsunsicherheit zurückgestellt. Es wird eine neue Zeit nach Corona anbrechen. Wir denken darüber nach, was das für unsere Märkte und Kunden bedeutet und arbeiten an Konzepten, uns auf die neuartige Situation während und nach Corona einzustellen.

Stichwort Weltmarkt: Die Pfeifer-Gruppe ist auch in Asien und Amerika und China vertreten. Muss vielleicht wieder ein wenig kleiner gedacht werden? „Globalisierung light“ etwa, dass bspw. in Memmingen für den deutschen/europäischen Markt produziert wird, in USA für Amerika?

Eine Krise wie Corona kann durch Renationalisierung nicht aufgehalten werden. Corona hat eher die globale Vernetzung von Menschen dokumentiert. Langfristig werden bei Anpassung der Faktorkosten ohne Zweifel mindestens kontinentale Produktionsketten entstehen. Wir produzieren im Übrigen heute schon für China in China und in den USA für die USA – wenn auch nicht ausschließlich.

Wie sieht die Firma Pfeifer sich von der Regierung in dieser Krise unterstützt? Wie beurteilen Sie generell den Job, den die Politiker machen? Halten Sie die Maßnahmen für angemessen oder bisweilen auch überzogen?

In einer so brachial über das Land hereinbrechenden Krise alle Entscheidungen fehlerfrei zu treffen, ist unmöglich. In Summe hat die Politik in Deutschland sicher einen sehr guten Job gemacht. Angesichts der gezeigten Disziplin der Bevölkerung wäre jetzt aber ein deutlich differenziertes Vorgehen möglich und nötig. Der wirtschaftliche Schaden, die finanzielle Last für die nächsten Jahre, aber auch gesundheitliche Folgeerscheinungen, die indirekt durch die Corona-Krise entstehen, werden täglich größer – und über letzteres wird kaum berichtet.

Ein Blick nach vorn: Irgendwann geht’s wieder weiter, wie sieht sich Pfeifer Seil- und Hebetechnik aufgestellt? Kann aus der Krise auch gelernt werden? Wenn ja, was?

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir noch nicht seriös abschätzen, ob wir für die Zeit nach Corona gut aufgestellt sein werden. Tatsächlich halten wir bestimmte Teile unserer Märkte für ziemlich stabil und sehen uns aus heutiger Sicht gut gerüstet. Gezeigt hat die Krise, dass die Bevölkerung mehr offenen Diskurs verträgt und seriöse Informationen schätzt. Hoffentlich bleiben diese Ansätze erhalten.

(Das Gespräch führte Wolfgang Radeck)