Die Deindustrialisierung stoppen?

Deutschland braucht wieder mehr Investitionen

veröffentlicht am 24.04.2024

"Deutschland brennt", sagt Prof. Dr. Dr. Hans-Werner Sinn, einer der bedeutendsten deutschen Volkswirtschaftler,. Bildschirmfoto: Svenja Gropper

München (sg). Wie hängen Energiewende, Deindustrialisierung und die Zukunft der deutschen Wirtschaft zusammen? Und wie können wieder mehr Investitionen nach Deutschland und Bayern geholt werden? Dazu referierten Prof. Dr. Dr. Hans-Werner Sinn, einer der bedeutendsten Volkswirtschaftler, sowie Dr. Theodor Weimer, Vorsitzender Vorstand der Deutschen Börse AG, auf Einladung des Wirtschaftsbeirats Bayern.

Deutschland, ehemals Exportweltmeister mit einer starken Automobil- und Chemie-Industrie, wird nicht zuletzt durch ideologisch-grüne Politik geschwächt und verliert zunehmend im globalen Wettbewerb.
„Deutschland brennt“, formuliert Sinn es kurz und drastisch. Denn Deutschland verbrenne seine alten Industrien. Durch die Energiewende in Deutschland entstehe eine erzwungene Deindustrialisierung – ausgelöst vor allem durch die Abschaltung der Atomenergie, das Verbot von Ölheizungen, das Verbrenner-Aus und den Abbau eines Großteils der Gasnetze. Denn alles solle verstromt werden, erklärt Sinn, am besten mit grünem Strom.

Wirklichkeitsfremde Entscheidungen

Doch die Unternehmen treibe sogenannter „Flatterstrom“ – denn grünen Strom gibt es nur bei passendem Wetter – noch mehr in die Deindustrialisierung, so Sinn. Nur in Kombination mit konventionell regulierten Kraftwerken könne die Energie für Unternehmen gesichert werden, betont er. Dabei bezieht er sich auch auf ein Gutachten des Bundesrechnungshofes von März 2024, das vom „Risiko einer erheblichen Lücke an gesicherter, steuerbarer Kraftwerksleistung zum Ende des aktuellen Jahrzehnts“ ausgeht.

„Alleingänge bei der Klimapolitik sind nicht nur kleine Beiträge, es sind keine Beiträge“, wird Sinn deutlich. Der Verzicht auf handelbare Brennstoffe wie Öl oder Gas in Deutschland werde global nur zu einer Verschiebung, nicht aber zu einer CO2-Reduktion führen. „Da ist es kein Wunder, dass die Firmen das Weite suchen und die Investitionen in Deutschland nicht mehr stattfinden“, so Sinn.

Entwicklungsland Deutschland

„So schlecht wie jetzt war unser Ansehen in der Welt noch nie“, berichtet Börsenchef Weimer und wird drastisch: „Deutschland ist für Investoren zum Ramschladen geworden. Sie investieren opportunistisch, weil es so günstig ist.“ Wirtschaftspolitisch fehle der Kompass, Wachstum durch neue Technologien finde in Deutschland nicht statt. „Ökonomisch sind wir auf dem Weg zum Entwicklungsland“, betont Weimer. Schwächende Faktoren seien neben der Energiepolitik auch eine falsche Migrationspolitik, kein Fortschritt in der Digitalisierung, steuerpolitische Entscheidungen sowie die "Komplexität der Bürokratie, in der wir ersticken“.

Verhinderer in Europa

In Europa werde Deutschland mittlerweile sogar als Verhinderer wahrgenommen, sagt Weimer. Sowohl politisch als auch wirtschaftlich habe die Bundesrepublik ihre Führungsrolle eingebüßt. Das Vertrauen in die deutsche Wirtschaft sei deutlich geschwächt. „Der Staat wird es nicht richten“, ist Weimer sicher. Wenn Investitionen wieder nach Deutschland geholt werden sollen, müsse die Wirtschaft dies selbst in die Hand nehmen und deutlich offensiver agieren, nach dem Motto „Wer zahlt, schafft an.“