"Die Stadt ist nicht an allem schuld, was nicht rund läuft"

Stadtrat verabschiedet Haushalt der Stadt Memmingen für 2019

veröffentlicht am 12.04.2019

Nach diversen öffentlichen Beratungen in den einzelnen Senaten und Ausschüssen hat die Stadtverwaltung nun einen Haushaltsentwurf vorgelegt, der von den Stadträtinnen und Stadträten in der jüngsten Plenumssitzung abgesegnet wurde. Foto: Sonnleitner

Memmingen (as). Der Haushalt 2019 der Stadt Memmingen in Höhe von über 174 Milllionen Euro ist vom Stadtrat einstimmig verabschiedet worden. Erneut sind immense Investitionen vorgesehen, die eine Neuverschuldung von 4,2 Millionen Euro (Vorjahr: 3,4) erforderlich machen. Dabei sollen den Rücklagen, die bei Jahresbeginn 21,5 Millionen betrugen, fünf Millionen Euro entnommen werden.

In seiner Haushaltsrede betonte Oberbürgermeister Manfred Schilder, dass der städtische Etat erneut Rekordwerte erreiche. Wie bereits im Vorjahr könne eine sehr hohe Investitionsquote erreicht werden. Im Verwaltungshaushalt wolle man den sparsamen Kurs fortführen und Personalausgaben weitmöglichst beschränken.

Der Rathauschef verwies auch darauf, dass man sich nicht auf der guten wirtschaftlichen Lage ausruhen könne, zumal es bereits erste Anzeichen für eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland gebe. Die Stadt müsse für künftige Herausforderungen gewappnet sein.

„Um der Unsicherheit vieler Zeitgenossen zu begegnen, bedarf es im Handeln vor allem der Beständigkeit und Verlässlichkeit und keinen kurzfristigen Aktionismus“, betonte Schilder. Das Handeln der Stadt müsse auf soziale, wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit ausgerichtet sein.

Der Haushalt im Überblick (zum Vergrößern bitte anklicken!):

Oberbürgermeister Manfred Schilder. Fotos: privat

Oberbürgermeister Schilder: "Der Ton wird rauer"

In seiner Haushaltsrede ging Oberbürgermeister Manfred Schilder außerdem auf die trotz wirtschaftlichen Wachstums, sprudelnder Steuereinnahmen und Rekordinvestitionen miserable politische Stimmung im Deutschland ein:

„Der Ton in den politischen Auseinandersetzungen wird auf allen Ebenen rauer, teils beleidigend, teils inhaltlich verfälschend“, beklagte Schilder. Getrieben von Ängsten wie dem eigenen Wohlstandsverlust ließen sich viele Menschen durch falsche Versprechen auf einfache und schnelle Lösungen verführen.

„Auch bei uns hier in Memmingen wird die Stadt für alles verantwortlich gemacht, was nicht rund läuft“, bemängelte das Stadtoberhaupt. Als Beispiel nannte er die Ikea Absage. Vor allem im Netz werde „gemobbt, was das Zeug hält“. Mitarbeiter/innen der Stadtverwaltung, aber auch Stadträt/innen würden dabei in ziemlich rüden Ton angegangen. In diesem Zusammenhang appellierte Schilder an die Selbstverantwortung und Eigeninitiative der Bürger.

„Kritik nehme ich sehr ernst und arbeite intensiv an Verbesserungen“, so Schilder, doch seien viele dieser Debatten von Fehlinformation und Unsachlichkeit geprägt. „Diese Entwicklung ist für unsere Demokratie, für das Zusammenleben aber auch für unseren volkswirtschaftlichen Wohlstand gefährlich.“

Hier eine Zusammenfassung der Stellungnahmen der einzelnen Stadtratsfraktionen zum Haushalt 2019:

CSU: "Ein verlässlicher Partner der Wirtschaft"

CSU-Fraktionsvorsitzender Stefan Gutermann.

Die Christsozialen sprechen von einem ausgewogenen Haushalt, der das „Machbare“ beinhalte. Ausdrücklich begrüßte der CSU-Fraktionsvorsitzende und Finanzreferent des Stadtrats Stefan Gutermann, dass die Steuerhebesätze nicht verändert werden. So bleibe die Stadt weiterhin "ein verlässlicher Partner der Wirtschaft".

Große Sorgen bereitet der CSU allerdings der Investitions- und Instandhaltungsstau der Bildungseinrichtungen sowie die bauliche und wirtschaftliche Entwicklung des Klinikums. Zudem sei aufgrund geänderter gesetzlicher Rahmenbedingungen eine gesteigerte Nachfrage bei den Kindertagesstätten zu erwarten.

Ebenso müsse das Angebot an Infrastruktur und im Freizeitbereich attraktiv gestaltet werden, damit Memmingen auch weiterhin eine lebens- und liebenswerte Stadt bleibe.

Die CSU betont, dass der ÖPNV nachhaltig und deutlich verbessert werden müsse – dafür gebe es keine Alternativen.

Stefan Gutermann blickt voraus ins Jahr 2025, dann jährt sich die Abfassung der 12 Bauernartikel zum 500. Mal. Dieses Jubiläum müsse entsprechend präsentiert werden. Zudem regt die CSU eine neue Landesgartenschau in zehn oder 15 Jahren an, zumal Memmingen heute noch von den weitreichenden Verschönerungen in der Neuen Welt profitiere.

SPD/FDP: "Memmingen darf nicht den Anschluss verlieren"

SPD-Fraktionsvorsitzender Matthias Ressler.

Die SPD/FDP-Fraktion lobt die steigenden Investitionen im Haushalt befürchtet jedoch, dass Memmingen in Zukunft den Anschluss verlieren könnte: “Die Benachteiligung in der Hochschulpolitik, die Verteilung von Behörden, die Absage von Ikea – Memmingen darf als Oberzentrum nicht hinter konkurrierende Städte zurückfallen“, mahnt der Fraktionsvorsitzende Matthias Ressler. Seine Fraktion mahnt den Umbau des Kreisverkehrs Europastraße auch ohne Ikea an, den Ausbau der Ringstraßen und erinnert an die Lösung der Weinmarktfrage.

Vor allem müsse „äußerst kreativ“ über neue Möglichkeiten der Wohnraumschaffung in Form von Verdichtung und Aufstockung nachgedacht werden. Weiter plädiert die SPD/FDP für ein Budget für die Schulen, das deren baulichen Zustand sichert und großen Sanierungen vorbeugt.

Angesichts der hohen Investitionsförderung für das Memminger Klinikum begrüßt Ressler das Vorhaben der Stadt, einen Neubau zu prüfen und erinnert in diesem Zusammenhang auch an den Antrag auf eine Hochschuleinrichtung für Memmingen. „Wir werden um jeden Fortschritt kämpfen.“

Freie Wähler: „In Memmingen lässt es sich gut leben“

Freie Wähler-Fraktionsvorsitzender Helmut Börner.

Der FW-Fraktionsvorsitzende Helmut Börner erklärt, dass die Stadt wohl schon Geld habe, wie sonst wäre ein ausgewogener Haushalt mit einem Volumen von 174 Millionen Euro zu beschließen. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer würden zwar bei 32,5 Mio Euro stagnieren, allerdings begrüßen es die FW, dass dieses Ergebnis ohne Anhebung der Hebesätze erzielt wurde.

In Hinblick auf die Investitionen betont Börner, dass Memmingen bei 17 Millionen Euro Bauinvestitionen (317 Euro je Einwohner) unter allen kreisfreien Städten in Bayern im Jahr 2016 hinter Regensburg, München und Landshut auf dem vierten Platz lagen – ähnlich sei es wohl auch in 2019.

Gut und ausgewogen befinden die FW die vorgesehenen Ausgaben für die Infrastruktur wie Verkehrswege, Versorgung, Abwasserbeseitigung, Müllabfuhr, Sportanlagen etc.. Auch die Erhöhung beim Ansatz für die Förderung des Fremdenverkehrs beurteilen die FW als sehr positiv.

Zum leidigen Thema „Hurrenstraße“ meinen die FW, dass die Stadt hier endlich aktiv werden müsse, um sich nicht "endgültig lächerlich" zu machen. Der Baubeginn sei schon für 2014 zugesichert worden.

Abschließend verweist Börner auf ein Wachstumsranking des Magazins „Focus“, wo Memmingen unter 401 kreisfreien Städten und Landkreisen auf Platz drei landete. Zudem den höchsten Nettoverdienst in Schwaben mit 25.000 Euro p.a. Aufweist, wozu nach Ansicht der FW auch der vorgelegte Haushalt beitrage. „In Memmingen lässt es sich gut leben“, so das Fazit der FW.

CRB: "Zeitgemäße Ausstattung der Schulen verschlafen"

CRB-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Courage.

Der Fraktionsvorsitzende des Christlichen Rathausblocks Wolfgang Courage bemängelt im Namen des CRB, dass der Haushalt Lücken aufweise. So seien die möglicherweise erforderliche Veranschlagungen zu den Themen Strebs und Strabs nicht berücksichtigt.

Auch der CRB unterstreicht die Notwendigkeit eines gut funktionierenden innerstädtischen ÖPNV. Scharf kritisiert der CRB, wie zögerlich die zeitgemäße Ausstattung der Schulen angegangen wird. Deutschland würde diesbezüglich schon viel verschlafen, Memmingen mit einer restriktiven Budgetierung sei hier mit dabei.

Zum Thema "Bäderfrage" kommt ebenfalls Kritik - hier habe „Nasenpolitik“ Vorrang vor vorausschauender Entwicklung für ein Oberzentrum.

Trotz Lücken im Haushalt könne der Entwurf aber nicht abgelehnt werden.

ÖDP: „Mit Mut und Wissen investieren"

ÖDP-Fraktionsvorsitzender Professor Dr. Dieter Buchberger.

Der Haushalt zeige die strategischen Defizite der letzten Jahre, kritisiert Professor Dr. Dieter Buchberger. „Mit Mut und Wissen über unsere Reserven sollen wie bei einem eventuell kommenden Abschwung antizyklisch auf Kredit investieren.“ Durch zukunftsgerichteteres Arbeiten ließe sich viel Geld einsparen.

Leider fehle es an der nötigen Transparenz, da die Verwaltung „immer ein Stück Wundertüte in den Haushalt packt“. Finanzwirksame Anträge de Stadträte blieben liegen und würden erst beraten, wenn der Haushalt bereits vorliege. Sind sie dann im Etat nicht enthalten, würden sie abgelehnt. Die ÖDP fordert mehr Gestaltungshoheit des Stadtrats im Prozess der Erstellung des Etats, der zudem nicht immer erst im Frühjahr vorliegen solle.

Dass das Klinikum sich zum Sorgenkind entwickelt habe, führt die ÖDP darauf zurück, dass sich der Stadtrat sich nicht offensiv genug um einen Verbund bemüht habe und „zig Millionen in ein Klinikum investiert, das ohne Fusion vielleicht zu klein ist“.

Außerdem kritisiert die ÖDP, dass Memmingen seit 2012 keinen jährlichen Klimabericht erstellt habe, obwohl dies im Bausenat beschlossen worden sei.

Wie auch die Grünen fordert die ÖDP eine Anpassung des Gewerbesteuerhebesatzes, die unter dem bayerischen Schnitt liege, wohingegen die Grundsteuer höher sei. „Hier erwarten wir einen gerechteren Ausgleich zum Wohle der Bürger“, so Buchberger.

Bündnis 90/die Grünen: "Lauter für Klimaschutz kämpfen"

Grünen-Stadträtin Corinna Steiger.

„Every day for future“ sollte das Motto des Haushalts 2019 sein: Stadträtin Corinna Steiger mahnt mehr Umweltbewusstsein in Stadtrat und Verwaltung an. „Auch wir Grünen könnten noch lauter und intensiver für den Klimaschutz kämpfen“, ergänzt sie selbstkritisch. In Memmingen sei in den vergangenen Jahren doppelt so viel Boden verbraucht worden wie in Bayern.

Wie Ressler fordert auch Steiger eine Nachverdichtung des Wohnraums in der Stadt statt neue Wohnbaugebiete auf der grünen Wiese. Bei Neubauten und auch bei bestehenden Schulen setzen sich die Grünen für Passivhausstandard ein.

Corinna Steiger lobt das ÖPNV-Stadtbuskonzept. Um die Finanzierung, über die im nächsten Jahr abgestimmt wird, zu erleichtern, beantragen die Grünen eine Erhöhung der Gewerbesteuer für 2020 um zehn Punkte. “Das würde ca. 800.000 Euro jährlich in die Stadtkasse bringen“.

Dem Haushalt stimmen die Grünen zu, “wenn auch mit Bauchschmerzen“.