"Die Verantwortung nimmt uns niemand ab"

Gabriela Schimmer-Göresz tritt als Kreisvorsitzende nicht mehr an

veröffentlicht am 25.08.2020

Vor 15 Jahren zog die ÖDP-Vorsitzende Gabriela Schimmer-Göresz zurück aufs Land. Gute lokale und regionale Nahrung hat für sie auch in Zukunft einen hohen Stellenwert. Foto: privat

Memmingen (dl/as). Seit 32 Jahren ist sie die Vorsitzende des ÖDP-Kreisverbandes Memmingen-Unterallgäu. Bei der Hauptversammlung im August stellte sie sich nicht mehr zur Wahl: Gabriela Schimmer-Göresz zieht sich, zumindest teilweise, ins Private zurück. Politisch aktiv wird sie aber bleiben. Die Lokale sprach mit ihr.

Frau Schimmer-Göresz, wie sind Sie vor 32 Jahren zur ÖDP gekommen?

Am 26.4.1986 drückte mir in München jemand ein Flugblatt der ÖDP in die Hand. Es war der Samstag, an dem sich in Tschernobyl der GAU ereignete. Das Programm überzeugte und schon am 16. Mai wurde ich ÖDP-Mitglied. Am 12. August wurde der Kreisverband Memmingen gegründet. Dem ersten Vorstand gehörte ich als Schriftführerin an. Am 9. November 1988 wurde ich zur Vorsitzenden gewählt.

Was waren die wichtigsten Meilensteine auf diesem langen Weg?

Ich habe in der ÖDP auf allen Ebenen Verantwortung übernommen, als stellvertretende Landesvorsitzende in Bayern, als Bezirksvorsitzende in Schwaben und auch auf Bundesebene. Ab November 2014 war ich Bundesvorsitzende. Ich wurde im November 2016 für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt, musste aber Ende 2017 vorzeitig aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden. Von 1996 bis 2005 war ich Stadträtin in Memmingen. Dieses Amt musste ich wegen meines Umzugs nach Weiler aufgeben. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht. Letztlich überwog aber der lang gehegte Wunsch, wieder aufs Land zu ziehen, einen Garten zu bewirtschaften und Eigenversorgung zu leben.

Meilensteine waren stets auch meine Kandidaturen, sei es für den Landtag, den Bundestag oder das Europäische Parlament.

Worin bestanden für Sie rückblickend die größten Erfolge?

Davon gab es mehrere und zwar die von der ÖDP Bayern angestoßenen, mit Partnern und mit den WählerInnen gewonnenen Volksbegehren bzw. -entscheide: 1998 „Abschaffung des Bayerischen Senats“; 2010 „Nichtraucherschutz“ und zuletzt 2019 „Artenvielfalt – rettet die Bienen“. Auf Podiumsdiskussionen hatte ich Begegnungen mit namhaften PolitikerInnen, wie beispielsweise Hildegard Hamm-Brücher, Dr. Thomas Goppel, Markus Söder. Das erhaltene Europamandat zähle ich auch zu den Erfolgen. Am meisten gebibbert habe ich vor meinem Auftritt in der „Münchner Runde“ anlässlich der Senatsabschaffung.

Und die größten Enttäuschungen?

Enttäuscht bin ich von vielen WählerInnen, die mit dem Argument der „verschenkten Stimme“ die überfällige Wende hin zu einer öko-sozialen Marktwirtschaft sowie einer nachhaltigen Klima- und Ressourcenpolitik verhindern. Petitionen und Demonstrationen sind nicht genug. In der repräsentativen Demokratie braucht es die aktive Mitarbeit in einer Partei und für das richtige Programm. Ich halte das Programm der ÖDP noch immer für das Beste, weil es Ökologie und Soziales ideal verbindet. Das ÖDP-Programm formuliert schon seit bald 40 Jahren die Forderungen der Friday-For-Future-Bewegung.

Wie geht es jetzt weiter?

Ich höre nicht auf. Ich reduziere nach über drei Jahrzehnten meine Ämter und werde nur mehr als Delegierte im KV Neu-Ulm aktiv bleiben. War ich zu Beginn meiner ÖDP-Mitgliedschaft aus Sorge um meine damals kleinen Töchter politisch aktiv, so leitet mich heute die Sorge um die Zukunft meines Enkels. Es ist ein Teilrückzug ins Private, weil die familiären Aufgaben wachsen. Ich bleibe ein politischer Mensch, weil uns die Verantwortung niemand abnimmt. Dazu mein Lieblingszitat von Edmund Burke: "Niemand begeht einen größeren Fehler als jemand, der nichts tut, weil er nur wenig tun könnte."