„Ein Europa vom Herzen her“

Spitzenkandidatin der Bayerischen Grünen hält kämpferisches Europa-Plädoyer

veröffentlicht am 18.03.2019

Ein leidenschaftliches, frei gesprochenes Plädoyer für ein besseres, erneuertes und demokratischeres Europa hielt die bayerische Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen Henrike Hahn. Corinna Steiger, Kreissprecherin der Memminger Grünen (links im Bild), moderierte die Diskussionsrunde. Fotos: Sonnleitner

Memmingen (dl). "Meine Ideen für Europa - diskutieren Sie mit!", das war das Motto des Vortrags von Henrike Hahn, bayerische Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen für das Europaparlament. Auf Einladung des Kreisverbandes der Grünen hielt die Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen im Landesvorstand der bayerischen Grünen vor etwa 60 Gästen im Hotel Rohrbecks ein leidenschaftliches Plädoyer für ein besseres, erneuertes und demokratischeres „Europa vom Herzen her“.

Henrike Hahn, bayerische Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen für das Europaparlament.

„Die EU, das sind wir, und es liegt an uns, unser aller Projekt zu verteidigen“ - mit diesem Credo tourt die bayerische Spitzenkandidatin der Grünen Henrike Hahn derzeit durch Bayern, um ihre Ideen für Europa vorzustellen und zu diskutieren. Dabei definiert sie die politischen Ziele der Grünen als Gegenkonzept zu denen der CSU. Auf die bayerische Staatsregierung sei bei Europa kein Verlass, denn die setze auf Abgrenzung, so die Referentin. So habe Markus Söder bereits das Ende des Multilateralismus ausgerufen.

Als "nationalistisch und antieuropäisch" bezeichnet Hahn die Grenzkontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze. „Die einzigen, die Schengen derzeit perfekt nutzen, sind Kriminelle“, zitiert und kritisiert sie in Zusammenhang mit der Freizügigkeit die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer.

Scharfe Kritik an CSU und Groko

Dass CSU und Groko nicht an der Gesundheit der Bürger interessiert seien und keine effiziente Klimapolitik voranbringen könnten, habe sich im Streit um die Grenzwerte für Luftschadstoffe gezeigt. "Es geht nicht um Diesel-Fahrverbote, sondern um Einhaltung der Grenzwerte. Die Regularien sind da, aber die Groko hält sich nicht daran. Wir Grüne fordern dass ein", betont Hahn. Auch bei den CO2-Grenzwerten für Neuwagen hinke die Groko den Zielen der EU hinterher.

„Die EU ist ein wichtiges demokratisches Instrument, wo Landes- oder Bundesregierungen nicht wollen oder versagen“, so die Referentin. Leider sei es versäumt worden, den Bürgern zu kommunizieren, welche Vorteile die EU für ihr alltägliches Leben bringe, das Bündnis bleibe zu abstrakt.

Bürgernähe, Transparenz und „Miteinander“

Umso mehr gehe es den Grünen bei einer Europawahl um Bürgernähe, Transparenz und „das Miteinander“. Der Rechtsruck in Europa, der durch den Einzug der AfD in den Landtag bis vor die Haustür reiche, und das Infragestellen von Demokratie und Rechtsstaat hätten bewirkt, "dass die Wahl in einem völlig anderen Umfeld stattfindet als die vor fünf Jahren". Scharf kritisierte Hahn in diesem Zusammenhang die "Spezlwirtschaft" der CSU und ihres Europa-Kandidaten Manfred Weber mit Ungarns Ministerpäsidenten Viktor Orban und erinnerte daran, dass fast alle CSU-Europaabgeordneten im Europa-Parlament dagegen gestimmt hätten, Rechtstaatlichkeitsverfahren gegen Ungarn einzuleiten.

Politische Ziele der Grünen für Europa

„Wir wollen die EU zum weltweiten Vorreiter für Klimaschutz, erneuerbare Energien und Energieeffizienz machen“, betonte Hahn in ihrem leidenschaftlichen "Parcours-Ritt" durch die Ziele der Grünen. Dabei orientiere man sich am Pariser Klimaabkommen demzufolge Europas Energie bis 2050 zu 100 Prozent erneuerbar sein soll. Außerdem fordern die Grünen eine CO2-Steuer. „Die EU muss für Naturschutz stehen. Wer das Klima schädigt, zahlt dafür." Das Umweltgeld solle zurück an den Bürger gehen. Insgesamt müsse die ökologischen Transformation sich sozial gestalten und schwache Haushalte entlastet werden, betonte Hahn.

Landwirtschaft: Subventionspraxis ändern

Auf ein Umdenken hin zu ökologischer Landwirtschaft setzt die Politikwissenschaftlerin in der europäischen Agrarpolitik: „Wir wollen die Subventionspraxis in der Landwirtschaft verändern. Jetzt kommt sie besonders den großen Betrieben zugute und bringt Umweltzerstörung, Höfesterben und Industrialisierung.“

Das Volksbegehren "Rettet die Bienen", das auch die Grünen unterstützt haben, wertet Hahn als "tolles Signal" von Bayern aus für einen grenzüberschreitenden Artenschutz. "Es liegt auch an uns Bürgern" appelliert Henrike Hahn an ihre Zuhörer, auch weiterhin selbst aktiv zu werden und das Feld nicht nur den Politikern zu überlassen.

"Instrument für soziale Gerechtigkeit"

Dass die EU außerdem ein "kostbares Instrument für soziale Gerechtigkeit" sei, belegte die Referenten damit, dass sie sich traue, gegen die Steuerflucht großer Digitalkonzerne wie Google und amazon einzuschreiten und ihren Anteil am europäischen Gemeinwesen einzufordern.

"Es war noch nie so wichtig zur Wahl zu gehen", so das Fazit der Referentin, und einzutreten für das "Friedensprojekt Europa" und Errungenschaften wie die Freizügigkeit: “Damit wir dort leben, lieben und arbeiten können, wo wir wollen.“

"Wir kämpfen für ein Europa, für das es sich zu kämpfen lohnt!", beendet Hahn ihr kämpferisches Europa-Plädoyer unter großem Applaus der aufmerksamen Zuhörer.

Lebhafte und kritische Diskussion

Im Anschluss an das Referat entspann sich eine lebhafte und kritische Diskussionsrunde. Der thematische Bogen war weit gespannt, die Fragen an Henrike Hahn reichten von gemeinsamen europäischen Stromnetzen über das „nicht verhandelbare Menschenrecht auf Asyl“, die Massentierhaltung, Uploadfilter und Verteidigungspolitik („nicht die Budgets anheben, sondern auf europäischer Ebene besser koordinieren“, so Hahn dazu) - bis hin zum "ökologisch und sozialverträglichen Freihandel".

Ein Schwerpunkt lag auf dem Lobbyismus, den einige Zuhörer sehr kritisch beobachten. Das Europaparlament habe ein breites Lobbyregister, bestätigte Hahn. Darum läge ein besonderes Augenmerk der Grünen darauf, den Einfluss der Lobbyisten zu reduzieren. „Wir Grüne wachen sehr kritisch über die innere Wehrhaftigkeit von Demokratie und Rechtsstaat“, betont die Referentin.

"Ökonomie und Ökologie zusammen denken"

„Ein Europa vom Herzen her“, wünscht sich Henrike Hahn, die sich bei der europäischen Bürgerbewegung „Pulse of Europa“ engagiert und bei den "Fridays for Future" mit demonstriert.

Und: Sie will Ökonomie und Ökologie zusammen denken. „Das ist ganz klar auch meine Leidenschaft und Expertise, was ich im Europaparlament vertreten möchte“, betont Hahn ihre Erfahrung in der Beratung technologieorientierter Unternehmen mit Schwerpunkt Strategie, Marktforschung und Wettbewerbsanalyse.

„Den Menschen erfahrbar machen, wie bereichernd Europa ist, das ist ein wichtiges Anliegen, wenn ich gewählt werde“, lautet das Schlusswort der Europawahl-Kandidatin.