„Es liegt keinem daran, Panik oder Angst zu verbreiten“

Pressegespräch im Rathaus zu Corona-Maßnahmen

veröffentlicht am 23.10.2020

Informierten im Rathaus über die aktuelle Corona-Situation (von links): Dr. Daniela Schönhals, Leiterin Gesundheitsamt, Thomas Schuhmaier, Leiter Referat für öffentliche Sicherheit und Ordnung, Oberbürgermeister Manfred Schilder und Maximilian Mai, Vorstand Klinikum Memmingen

Memmingen (as). In einem Pressegespräch erläuterte Oberbürgermeister Manfred Schilder gemeinsam mit Thomas Schuhmaier, Leiter des Referats für öffentliche Sicherheit und Ordnung, Dr. Daniela Schönhals, Leiterin des Gesundheitsamts, und Maximilian Mai, Vorstand des Klinikums Memmingen, Sinn und Zweck der aktuellen Corona-Maßnahmen und betonte, dass man die Krise nur meistern könne, wenn alle Bürger sich an die von der bayerischen Staatsregierung und der Stadt Memmingen verordneten Maßnahmen hielten. Vielerorts fehle es jedoch an Verständnis in der Bevölkerung.

„Wir stoßen an Grenzen“, mit dieser Feststellung eröffnete Oberbürgermeister Manfred Schilder das Pressegespräch im Rathaus über die aktuelle Corona-Situation. Angesichts explosionsartig steigender Infektionszahlen seien die Gesundheitsämter überlastet. Memmingen stehe mittlerweile bundesweit mit an der Spitze der Corona-Hotspots, doch dessen ungeachtet seien viele Bürger „mit großer Sorglosigkeit unterwegs“. Zwar erkenne ein Großteil der Menschen erkenne die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen an und halte sich daran, doch sähe sieht sich die Stadtverwaltung mit einem hohen Maß an Kritik konfrontiert und der Ton, vor allem in den sozialen Medien, werde zunehmend rauer, beklagte der Oberbürgermeister.

„Es liegt keinem daran, Panik oder Angst zu verbreiten“, betonte Schilder, man wolle die Menschen lediglich mit der Realität konfrontieren, auch wenn diese sich anfühle wie ein schlechter Traum. Memmingen sei als eine der ersten bayerischen Städte in die rote Zone gekommen, erklärte Schilder die zusätzlichen Verschärfungen der vom Freistaat verordneten Corona-Maßnahmen, welche die Stadt in Absprache mit der Regierung von Schwaben verhängt hat.

"In der roten Zone gibt es keinen Handlungsspielraum"

Schilder ging auch auf das umstrittene Thema der Maskenpflicht an Schulen während des Unterrichts ein - vor ein paar Tagen hatten sich Eltern von Grundschülern vor dem Rathaus versammelt, um dagegen zu protestieren. "Die Rechtslage ist eindeutig", so Schilder. In der roten Zone gebe es keinen Handlungsspielraum, das gelte auch für die Schule. Über alle Jahrgangsstufen hinweg sei die Maskenpflicht im Unterricht notwendig, um Schüler und Lehrer bestmöglich zu schützen und den Regelunterricht aufrechtzuerhalten, erklärte der OB und verwies auf die Buxheimer Grundschule, die wegen einiger Corona-Erkrankungen geschlossen ist.

„Eine Schulschließung ist keine Lösung"

In diesem Zusammenhang kritisierte er das abweichende Verhalten von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter und des Unterallgäuer Landrats Alex Eder, sie haben die Grundschüler von der Maskenpflicht ausgenommen. "Mir fehlt das Verständnis für solche Alleingänge", so Schilder. Rückgrat zeige nicht, wer vom Konsens zur Corona-Prävention abweiche, sondern wer den Schutz der Kinder in der Krise gewährleiste. Nur wer eine Maske trage, schütze sich und andere. „Eine Schulschließung ist keine Lösung, wir brauchen präventive Maßnahmen“, so Schilder.

"Das Virus sickert in die Bevölkerung ein"

Thomas Schuhmaier, Leiter des Referats für öffentliche Sicherheit und Ordnung, legte die Infektions-Zuwachsraten in Memmingen anhand der Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) und des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) dar. So hätten sich Anfang Oktober in einer Woche so viele Menschen (nämlich zwölf) infiziert wie heute an einem Tag. "Das Virus sickert langsam aber sicher in die Bevölkerung ein", so Schuhmaier. Betroffen seien alle Bevölkerungsschichten und Altersstufen vom Geburtsjahrgang 1934 bis 2003.

Derzeit befinde sich Memmingen auf Pandemiestufe drei, "ich rechne damit, dass wir noch in die dunkelrote Phase kommen", so Schuhmaier. Um Szenarien wie in Tschechien und den Niederlanden zu vermeiden, sollte die Bevölkerung sich dringend an die “AHA+L“-Regel halten: Abstand, Hygiene, Alltagsmaske und Lüften.

Gesundheitsamt wird verstärkt

Um eine weitere Verschärfung der Lage abwenden zu können, ist das städtische Gesundheitsamt derzeit über die Kapazitätsgrenzen hinaus gefordert. Anders als zu Zeiten des Lockdowns im Frühjahr gebe es nun weitaus mehr Kontaktpersonen Infizierter zu ermitteln. Dazu wurde das Team von Gesundheitsamtsleiterin Dr. Daniela Schönhals von zwölf Angestellten auf 19 aufgestockt. Dazu kommen ab 26. Oktober noch fünf SoldatInnen, die vom Ministerium bereitgestellt wurden. Bei Bedarf kann auch von der Regierung von Schwaben und der Polizei weitere Unterstützung angefordert werden.

Damit die Nachverfolgung von infizierten weiter möglich ist, appelliert Schönhals gemeinsam mit OB Schilder und Schuhmaier an alle Bürger, die Kontakte zu reduzieren. Optimalerweise sollten Infizierte ihre Kontaktpersonen auch selbstständig informieren, sobald ein positives Testergebnis vorliegt.

"Das Klinikum ist absolut leistungsfähig"

"Die Patienten und Angehörigen machen sehr gut mit", wusste Maximilian Mai als Vertreter des Memminger Klinikums Positives zu berichten. Das Klinikum sei absolut leistungsfähig und in der Lage, jedes Corona-Setting mitzutragen. Man sei gut gerüstet für ein etwaiges weiteres Ansteigen der Infektionszahlen. Vom 10. März bis heute habe das Klinikum 63 Patienten betreut, aktuell befinden sich neun Corona Infizierte im Klinikum, zwei davon auf der Intensivstation. Sowohl auf der Isolier- als auch auf der Intensivstation stünden ausreichend Betten zur Verfügung. Jedoch betonte auch Mai betonte, dass das Einschränken von Kontakten eine große Rolle spiele, um die Situation im Klinikum auch weiterhin gut meistern zu können.

Ein besonderes Anliegen war es dem Klinikumsvorstand zu betonen, dass niemand aus Furcht vor Corona zu Hause bleiben solle, wenn eine stationäre Behandlung nötig sei. "Wir stehen rund um die Uhr bereit, niemand soll zögern, im Notfall unsere Dienste in Anspruch zu nehmen", so Mai. Mit dem aktuell verordneten Besuchsverbot nimmt das Klinikum sein Hausrecht war und verschärft dadurch die geltende Allgemeinverfügung der Stadt Memmingen (wir berichteten).

"Ein Flickenteppich an Maßnahmen"

Die Fragen der lokalen Pressevertreter bezogen sich auf die regionale Uneinheitlichkeit der Maßnahmen, auf die man auch von den Lesern immer wieder angesprochen werde. Viele Menschen würden die Abweichungen als Willkür wahrnehmen. "Der Flickenteppich an Maßnahmen ist ein bundesweites Phänomen", bedauerte Oberbürgermeister Schilder die Ungereimtheiten, die das Verständnis für die Maßnahmen erschweren. "Der Freistaat gibt hier klare Regeln vor, doch die Städte und Kreise können an einigen Stellschrauben drehen", erläuterte der Rathauschef.

So könne jede Kommune eine eigene Allgemeinverfügung mit schärferen Maßnahmen erlassen, wenn dies nötig sei, erklärte Schuhmaier. Speziell in Memmingen sei man gut beraten, umsichtiger zu Werke zu gehen, um aus der roten Zone zu kommen. Kritisiert wird von den Lesern und Bürgern vor allem das Absagen großer Sportveranstaltungen - laut Schuhmeier "Treiber im Infektionsgeschehen". Die Städte entscheiden auch, wo im öffentlichen Bereich Masken getragen werden müssen. In Memmingen betrifft dies derzeit die Fußgängerzone, den Marktplatz, den Weinmarkt sowie Theater- und Schrannenplatz.

Maskenkontrollen geplant

"Wir brauchen die Einsicht der Menschen", appellierte Schilder abschließend an das Grundverständnis der Bevölkerung. Doch auf Druck und Zwang wird man wohl nicht verzichten können. Ob die Maskenpflicht eingehalten wird, soll durch sporadische Kontrollen überprüft werden. Die erste valide Kontrolle ist für den heutigen Samstag geplant.