„Für mich ist das ein Ehren-Amt“

Memmingens jüngste Stadträtin spricht über ihre Erfahrungen

veröffentlicht am 27.08.2020

Nina Hartge ist Memmingens jüngste Stadträtin. Die Lokale sprach mit ihr über Ihre bisherigen Erfahrungen im Ehrenamt und ihre Ziele. Foto: Radeck

(as). Mit den 17 neuen Räten, die bei der Kommunalwahl 2020 ins Stadtparlament einzogen sind, hat sich das Gremium spürbar verjüngt. Die Lokale bat Memmingens jüngste Stadträtin Nina Hartge um eine Bilanz der ersten 100 Tage im neuen Ehrenamt.

Die 26-jährige Lehrerin ist eine von vier Mandatsträgern der Memminger ÖDP und engagiert sich außerdem im Ausschuss Kultur, Bildung und Soziales.

Frau Hartge, seit dem 1. Mai sind Sie eine von 40 Stadträte bzw. -rätinnen in Memmingen, mit 26 Jahren das jüngste Mitglied. Wie respektvoll sind Sie und die anderen immerhin 17 „Neuen“ denn aufgenommen worden?

Sehr respektvoll. Wegen der Corona-Maßnahmen war es bei den bisherigen Plenumssitzungen in der Stadthalle allerdings schwierig, mit allen in Kontakt zu kommen. Doch ich fühle mich ernst genommen, akzeptiert und gleichberechtigt mit den älteren Kollegen.

Eine „Verjüngung“ des Stadtrates haben sich eigentlich alle Parteien vorgenommen, ist dies ihrer Meinung nach auch zufriedenstellend umgesetzt worden?

Ja, vor allem bei den kleineren Parteien. Ich finde, dass wir Jungen mehr an einem Strang ziehen und uns weniger an starren Parteigrenzen und -grundsätzen orientieren. Parteiübergreifende Arbeit bringt den Stadtrat und die Stadt voran. Ein aktuelles Beispiel ist der gemeinsame Antrag auf die bleibende erweiterte Außenbestuhlung vor Gaststätten und Cafés.

Sie bereuen ihre Kandidatur also nicht?

Nein, ich bin absolut froh, dabei zu sein auch wenn es manchmal ernüchternd ist, wenn Ideen an rechtlichen Vorgaben scheitern. Ich finde auch, dass der Stadtrat der Stadtverwaltung gegenüber selbstbewusster auftreten sollte. Für mich ist es im Wortsinn ein Ehren-Amt, die Bürger der Stadt vertreten zu dürfen und dafür auch unbequeme Wege zu gehen.

Warum, glauben Sie, sind junge Leute oft desinteressiert an Politik bzw. Stadtpolitik?

Sie haben keinen Auftrag, fühlen sich nicht ernst genommen, nicht angesprochen. Wenn man sich angesprochen fühlt, macht man auch mit.

Was hat Sie motiviert, sich für den Stadtrat aufstellen zu lassen?

Das Ziel, Memmingen ökologisch voranzubringen, liegt meinen Ideen und Entscheidungen zugrunde. Natürlich haben die Schilderungen meines Vaters, der ja ÖDP-Fraktionsvorsitzender ist, eine große Rolle gespielt. Das Durchschnittsalter im Stadtrat betrug vor der letzten Wahl 61 Jahre, daher beschloss ich mit meinen Freunden Michael Rampp, Johannes Keckeis und Nadine Deuring, die junge Generation zu vertreten.

Mit welchen politischen Zielen und Vorstellungen sind Sie angetreten?

Ein ganz großes Thema für mich ist mehr Bürgerbeteiligung, ich wünsche mir eine intensivere Verzahnung von BürgerInnen und StadträtInnen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist das Jugendparlament, das im Rathaus etabliert werden soll. Ich will mich auch einsetzen für eine autofreie Innenstadt durch ein funktionierendes ÖPNV-System - toll wäre ein Gratisbus in die Innenstadt. Und, um Memmingen als Fahrradstadt zu stärken, Leihfahrrädern wie in Hamburg und subventionierte Lastenfahrräder.

Ein weiterer Wunsch ist eine Memmingen App mit allen Infos rund um Veranstaltungen, ÖPNV-Fahrpläne und Einladungen zu Plenumssitzungen. Die Homepage der Stadt ist nicht mehr zeitgemäß.

Sie unterrichten in der Amendinger Grundschule. Wie bereiten sich die Schulen auf das neue Schuljahr mit Corona vor?

Die Schulen halten sich an die Richtlinien des Kultusministeriums und mussten selbst Szenarien vorlegen für den Fall, dass sich Schüler oder Lehrer mit Covid 19 infizieren. Hilfreich wäre ein funktionierendes WLAN an den Schulen, um in Krisenzeiten mit den Schülern in Kontakt zu bleiben. Doch wenn es beim Rhythmus des Digitalpakets bleibt, geht meine Schule zum Beispiel erst in zwei Jahren ins Netz.