Stadtrat fällt Richtungsentscheidung für Entwicklung des Quartiers

Das neue Tor zur Altstadt: Bahnhofsareal bekommt ein Gesicht

veröffentlicht am 06.02.2018

So sähe nach dem Siegerentwurf der Ten Brinke Group die Maximilianstraße dort aus, wo sie in die Bahnhofstraße einmündet. Unser Vorschaubild zeigt die Kalchstraße mit Blick in Richtung der Baudenkmäler. Repros: Stadt Memmingen

Memmingen (as). Das Bahnhofsareal hat in der jüngsten Stadtratssitzung erstmalig ein Gesicht bekommen: Mit fünf Gegenstimmen entschieden sich die Räte für den Entwurf der niederländischen Ten Brinke Group. Im Gegensatz zu dem zweiten noch im Rennen befindlichen Angebot der baden-württembergischen Activ Group füge sich dieses Konzept harmonisch in die Umgebung ein, erklärte Baureferatsleiter Fabian Damm. Stadtrat und Verwaltung waren sich jedoch darin einig, dass der Entwurf noch überarbeitet werden muss, um den Anforderungen zu entsprechen.

Die Maximilianstraße im Brinke-Entwurf aus der Vogelperspektive.

Zu Beginn der öffentlichen Sitzung betonte Oberbürgermeister Manfred Schilder, dass es sich lediglich um eine Richtungsentscheidung für die Bebauung des rund 7.700 Quadratmeter großen Quartiers zwischen Maximilianstraße, Heidengasse, Kalchstraße und Bahnhofstraße handele und nicht etwa um ein konkretes Bauvorhaben.

Abzüglich einer Fläche von knapp 700 Quadratmetern, die in privater Hand bleibt, ist das seit 2012 in Planung befindliche Areal Eigentum der Memminger Wohnungsbau eG und der Stadt Memmingen. Bei einer Bürgerinformation in der Stadthalle im Juli 2014 wurde ein Investorenwettbewerb vorbereitet, der Ende 2014 ausgelobt wurde. Von den acht eingereichten Angeboten schieden im Laufe des folgenden Jahres fünf Planungskonzepte aus. Nach der Absage eines weiteren Bieters im Mai 2017 verblieben nur noch zwei Interessenten: die Activ Group und  Ten Brinke mit Niederlassung in Regensburg.

Die Ecke Bahnhof -/Kalchstraße nach dem Entwurf der Activ-Group.

Nutzungsmix aus Wohnen, Handel und Gastronomie

Fabian Damm erläuterte die Kriterien, nach denen die verbliebenen beiden Angebote für die neue Bebauung des Areals bewertet wurden, und die Gewichtung der Bewertung. Mit jeweils 35 Prozent standen hier Architektur und Wirtschaftlichkeit (also der Preis) im Vordergrund, mit jeweils 15 Prozent wurde bewertet, ob ein attraktiver Nutzungsmix aus Wohnen, Handel, Gastronomie und öffentlichen Räumen gewährleistet ist und mit weiteren 15 Prozent die Verkehrsanbindung und Grundstückserschließung des jeweiligen Entwurfs.

"Harmonische Gesamtbild"

Im Gesamtergebnis erhielt der Bieter Ten Brinke 4,15 von fünf möglichen Punkten, der Konkurrent Active GmbH nur 2,82 Punkte. Fabian Damm lobte unter anderem das harmonische Gesamtbild des Ten Brinke Entwurfs: “Das städtebauliche Gesamtkonzept ergänzt stimmig Struktur und Gefüge des Denkmalensembles“. Positiv bewertet wurde die Gestaltung des Stadteingang an der Kalchstraße, die flexiblen Grundrisse der Gewerbeeinheiten und das öffentliche Wegenetz mit Anbindung zur Altstadt. Der Entwurf gehe konform mit dem Altstadt-Entwicklungskonzept, so der Baureferatsleiter.

Entwurf der Activ-Group mit Hoteleingang und Einfahrt zur Tiefgarage.


Abstriche in punkto Wohnen

Abstriche gab es vor allem in punkto Wohnen: Vorgesehen sind beim Siegerkonzept lediglich neun Wohneinheiten. Ein Minus gab es auch, was den Denkmalschutz betrifft, denn zwei das quartierprägenden Gebäude müssten dem Konzept weichen.

Der architektonisch wesentlich mondänere Vorschlag der Activ GmbH ("rattenscharf“, so CRB-Stadtrat Wolfgang Courage) wurde als überdimensioniert für die Innenstadt empfunden. "Das massige Erscheinungsbild lässt Sensibilität und Rücksicht gegenüber dem baulichen Bestand vermissen", kritisierte Damm. Bestehende Gebäude würden von Neubauten "in die Zange genommen" und die "bedrohliche Baumasse" des Entwurfs hinter der Kalchstraße störe das harmonische Gesamtbild. Außerdem kritisierte er die mangelnde Einbindung des Baudenkmals "Goldenes Rad", die unklare Wegeführung und das Fehlen attraktiver öffentlicher Bereiche.

Der große Pluspunkt des Activ-Entwurfs: Hier sind 66 Wohneinheiten eingeplant und die "Stärkung der Wohnfunktion in der Innenstadt" war eines der im Vorfeld formulierten Auswertungskriterien. Allerdings lägen die im neuen Areal entstehenden Wohnungen ohnehin im oberen Preissegment, wie SPD-Stadtrat Ressler zum Thema Wohnungsnot ergänzte. Helmut Börner, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, wies darauf hin, dass in der alten Gärtnerei, dem Parkplatzgelände nördlich der Augsburger Straße und östlich der Bahngleise, eine große neue Wohnanlage entstünde .

Die Flächenplanung der beiden Modelle im direkten Vergleich zeigt, dass ein Schwerpunt des Brinke-Konzepts im Dienstleitungs- und Bürobereich liegt. Auch die Gastronomie steht mehr Fläche zur Verfügung. Große Abstriche gibt es beim Wohnen. Die Nutzflächern für den Hyndel sind bei Activ etwas größer, aber unflexibler. In beiden Entwüfen ist eine zweigeschossige Tiefgarage mit 328 bzw. 327 Stellplätzen geplant.                                                                                                                                                                                                                                                                                                    

Belebung des Quartiers

Der mangelnde Wohnraum, der kontraproduktiv für eine Belebung des Quartiers sei, bewog die Stadträte der ÖDP, gegen das Konzept zu stimmen das aber grundsätzlich von allen Fraktionen als geeignete Grundlage für die Gestaltung des Eingangs zur Altstadt bewertet wurde. In den Verbesserungswünschen der Stadtverwaltung ist dieser Punkt noch nicht enthalten.
 
Was die Belebung der Innenstadt durch Wohnbebauung betrifft, gingen die Meinungen weit auseinander. Von ehemals 12.000 wohnten nur noch 4.000 Menschen im Zentrum der Stadt, argumentiert ÖDP-Stadtrat Michael Hartge, der Neubau von neun Wohnungen sei einfach zu wenig, um "abends wieder Leben in die Stadt zu bringen".
Diesem Standtpunkt schließen sich auch Klaus Holetschek und  Stefan Gutermann (beide CSU) an. Auch Gutermann versteht die Neugestaltung des Quartiers als Chance, Leben in die Stadt zu bringen.
"Die Innenstadt braucht Magnete, keine neuen Wohnungen", meint hingegen Verena Gotzes (SPD). Der Schwerpunkt solle gerade in Hinblick auf Ikea im innerstädtischen Handel liegen. Auch Stadtrat Herbet Müller ist der Ansicht, dass eine Belebung der Innenstadt nicht von der Anzahl der Wohnungen abhinge.

Keine externe Beratung

Heiß diskutiert wurde die von Stefan Gutermann angeregte Einbeziehung externer unabhängiger Städtebau-Experten in den weiteren Planungsprozess, der bis zur Sommerpause abgeschlossen sein soll. Es handele sich immerhin um ein wichtiges städtbauliches Projekt, wie Gutermann betonte. Auch Prof. Josef Schwarz plädierte für den "Blick von außen". Der Vorschlag wurde jedoch letztendlich mit 21 zu 18 Stimmen abgelehnt.

Oberbürgermeister Manfred Schilder bat daraufhin die Stadträte Börner und Schwarz, ihren Sachverstand als Architekten in die weiteren Gespräche einzubringen.