Große Politik mit kleinen Bürgern

Erste Tagung des Kinderparlaments im Memminger Rathaus

veröffentlicht am 21.02.2019

Selbstbewusst präsentieren Anna Mrzyk und Emil Noske von der Edith-Stein-Schule ihren Wunschentwurf für das geplante Hallen- und Freibad. Fotos: Sonnleitner

Memmingen (as). Von allen Teilnehmern als sehr positiv bewertet, wurde die erste Tagung des Kinderparlaments im Sitzungssaal des Memminger Rathauses. Engagiert, direkt, erfrischend ehrlich und äußerst diszipliniert brachten die Schüler ihre Anliegen zur Stadtentwicklung vor.

„Hier wird große Politik gemacht“, begrüßte Oberbürgermeister Manfred Schilder die Kinder-Parlamentarier im Sitzungssaal des Rathauses. 28 Kinder der dritten bis sechsten Jahrgangsstufe waren vertreten, zwei von jeder Memminger Schule. Ihre Fragen zu den Themen Freizeit, Schule und Straßenverkehr hatten sie mit ihren Lehrern vorbereitet und vorab im Rathaus eingereicht.

Die betreffenden Ansprechpartner der Stadtverwaltung waren bestens vorbereitet und nahmen die Anliegen der Kinder genauso ernst wie die der erwachsenen Parlamentarier, die hier üblicherweise die Bankreihen füllen - auch wenn einige Argumente sowohl den Rathauschef als auch die anwesenden Lehrer und Eltern zum Schmunzeln anregten.

Mit Respekt behandelt, zeigten die Schüler Verständnis, wenn eine Idee von den Bürgermeistern und Mitarbeitern der Stadtverwaltung als nicht machbar zurückgewiesen wurde, insistierten aber mit der nötigen Hartnäckigkeit.

Eine Spielfläche für größere Kinder wünschen sich Eva Socher und Clara Maier von der Grundschule Dickenreishausen. Idealerweise sogar einen Beachvolleyballplatz.

„Kinder und ihre Bedürfnisse werden oft zu bürokratisch behandelt“, erklärte Oberbürgermeister Manfred Schilder den Kindern. Umso mehr freue er sich, dass die Kinder nun persönlich zu Wort kämen und ihre Anliegen unmittelbar vorbringen könnten.

„Die Mühlen der Verwaltung mahlen genau, aber langsam“

Während der über zweistündigen Versammlung fasste Schilder immer wieder die manchmal allzu sehr in Behördendeutsch formulierten Antworten der jeweiligen Amtsleiter kindgerecht und verständlich zusammen. „Die Mühlen der Verwaltung mahlen genau, aber langsam“, bat er die Kinder vorab um Verständnis und Geduld, was die Umsetzung ihrer Anliegen betrifft. „Ihr dürft auch nicht enttäuscht sein, wenn sich etwas gar nicht verwirklichen lässt.“ Schließlich gelte es, die Interessen aller Bürger zu berücksichtigen.

Es war ein großer Strauß an Themen, der in dieser langen, von Jugendpfleger Andreas Keller feinfühlig moderierten Sitzung behandelt wurde.

Ostermarkt angedacht

Nicht locker ließen die Kinder beim Thema Jahrmarkt. Dieser solle künftig auf zwei Wochen verlängert werden, regt eine Schülerin der Reichshainschule an. Man könne die Innenstadt aber nicht länger für den Verkehr sperren, entgegnet der Rathauschef, doch die Schülerin insistiert: Vielleicht könne man ja zu einer anderen Zeit im Jahr noch mal einen Jahrmarkt organisieren? Diese Idee fruchtet auch bei den Erwachsenen. Die Einrichtung eines weiteren, etwas kleineren Marktes zur Osterzeit werde geprüft, so Schilder.

Aufgegriffen wurde auch die Idee eines öffentlichen Bücherschranks im Memminger Osten, die eine Schülerin der Lindenschule vorbrachte. Diese Idee soll in die Pläne für die Soziale Stadt Ost aufgenommen werden, erklärte Jugendamtsleiter Jörg Haldenmayr.

Ernsthaft und diszipliniert tagte Memmingens politischer Nachwuchs im Rathaus.

Jugendcafé im Memminger Osten

„Ihr rennt bei mir offene Türen ein“, begrüßt der Leiter des Jugendhauses Alexander Mück den Vorschlag eines Kinder- und Jugendcafés im Memminger Osten. „Ich wünsche mir das auch“, so Mück, zumal Splash und Jugendhaus für die Schüler im Osten der Stadt fußläufig schwer zu erreichen seien. "Was möglich ist, machen wir auch möglich", so Mück.

Ein weiteres Anliegen, das den Kindern unter den Nägeln brannte, war der altertümliche Zustand der Bäder. „Mehr Platz zum Üben“, wünschen sich die Kinder und vor allem: moderne Rutschen. Eine Schülerin der Edith-Stein-Schule hatte ihre Vorstellungen sogar auf ein Plakat aufgemalt, das sie der Verwaltung selbstbewusst präsentierte.

„Das kostet ganz arg viel Geld“

„Das Freibad ist so alt wie ich“, erklärte Oberbürgermeister Schilder, „doch leider nicht so gut in Schuss“, ergänzte er schmunzelnd. „Wir bauen schon ein neues Bad“, informierte er die Kinder über die Pläne des kombinierten Hallen- und Freibades, „das kostet ganz arg viel Geld.“ Dort werde es dann auch einen Sprungturm und einen Cateringbereich mit kindgerechter Verpflegung geben, versprach der Rathauschef.

Mehr Unterstützung für Obdachlose

Weitere von den Kindern angesprochene Themen waren Zigarettenstummel auf Spielplätzen und die Sorge um Obdachlose in der Stadt, die dort zuweilen auf den Bänken übernachteten. Auch zu diesem Thema entbrannte eine Diskussion, in der die Schüler/innen ihre Standpunkte und Ideen verteidigten. So fordern sie mehr Unterstützung für Obdachlose, man könne zum Beispiel abgelaufene Lebensmittel vor Supermärkten verschenken. Den Einwand von Verwaltungsseite, dass sich dann auch Menschen bedienen würden, die solche Unterstützung nicht nötig hätten, wiesen die Kinder zurück. „Wer genug Geld hat, der kauft sich frische Lebensmittel.“

Bäume als Torpfosten

Ein weiterer Wunsch war die Beschattung des Bolzplatzes an der Weimarer Straße in Amendingen. Die kreativste Idee zur Abwehr der sommerlichen Hitze war, die von der Stadtverwaltung vorgeschlagenen größeren Bäume auch gleich als Torpfosten zu verwenden, damit das Spielfeld wirklich im Schatten liegt.

Tempo 30 an Schulen

Am Herzen lag den Kindern auch die Sicherheit ihres Schulwegs. In Amendingen, Dickenreishausen, Volkratshofen und Ferthofen gäbe es gefährliche und unübersichtliche Bereiche, die das Überqueren der Straße unsicher machten. Tiefbauamtsleiter Gernot Winkler bot an, sich mit den Lehrern zu treffen. Den für Amendingen vorgeschlagenen Zebrastreifen hielt Schilder für keine gute Idee, da diese erfahrungsgemäß zu unfallträchtig seien. „Wir versuchen, an allen Schulen Tempo 30 einzurichten und appellieren eindringlich an die Autofahrer, sich daran zu halten“, so Schilder.

„Etablieren, dass Kinder mitbestimmen“

Nach einigen weniger strukturierten Anläufen in der Vergangenheit soll das Kinderparlament nun zur festen Institution werden. „Wir wollen etablieren, dass Kinder mitbestimmen“, sagte Bürgermeisterin Margareta Böckh, „denn Ihr werdet die nächsten 80 Jahre hier leben.“

Im Mai soll das Kinderparlament wieder tagen.