Happy Birthday, Unterallgäu!

Der Landkreis feiert heuer sein 50-jähriges Bestehen

veröffentlicht am 04.07.2022

In einer Talkrunde befragte (v. links) Moderatorin Sandra Baumberger Helmut Koch (Kreisrat a. D.), Doris Kienle (Kreisrätin a. D.), Hans-Joachim Weirather (Landrat a.D.) und Dr. Stephan Winter (stellv. Landrat und Erster Bürgermeister Mindelheims) zu ihren Erinnerungen zu erinnerungswürdigen Ereignissen und Meilensteinen für den Landkreis. Fotos: Melanie Springer-Restle

Unterallgäu (dl). 50 Jahre ist es nun her, dass der Landkreis Unterallgäu, wie wir ihn heute kennen, im Jahr 1972 im Rahmen der Kreisgebietsreform zusammengeführt wurde. Jetzt feiert er seine Goldene Hochzeit. Während das zusammengewürfelte Stück Land anfangs mit seiner arrangierten Ehe zu kämpfen hatte, kann man heute ohne Zweifel von einer glücklichen und fruchtbaren Partnerschaft sprechen. Dies bestätigten auch sämtliche Redner des gestrigen Festaktes im Mindelheimer Forum.

Im Rahmen der Kreisgebietsreform wurden im Jahr 1972 seinerzeit insgesamt 110 Gemeinden aus den damaligen Landkreisen Mindelheim, Memmingen, Illertissen, Kaufbeuren und Krumbach zusammengeführt - nicht nur zur Freude der betroffenen Bürger.

„Die Würfel sind gefallen und wir müssen mit dem neuen Tatsachen fertig werden“, soll der erste Landrat des neuen Landkreises Unterallgäu, Otto Weikmann, damals in seiner pragmatischen Lebenseinstellung gesagt haben, wusste Landrat Alex Eder bei seiner Ansprache. Auch Weikmanns Nachfolger, Hermann Haisch und Hans-Joachim Weirather hätten alles getan, dass die Menschen, die im Unterallgäu leben, Freizeit und Arbeit idealerweise verbinden können, so Eder.

Dass der Landkreis mit seinen nunmehr 52 Gemeinden anfängliche Identitätsprobleme längst ad acta gelegt hat, zeigt nicht nur das landkreiseigene Ensemble „Landrat´s Amt´s Musik“, das den Festakt musikalisch umrahmte. Man kann guten Gewissens sagen: Der Landkreis hat sich zusammengerauft. „50 Jahre später können wir voller Überzeugung sagen, dass aus der einstigen Vernunftehe eine stabile Partnerschaft geworden ist, so Eder. Daran ändere auch der Kohlberg nichts, der gern als „grüne Grenze“ und Unterteiler des Landkreises in Ost und West gesehen werde. „Für mich gibt es keine Grenze, nur einen Tunnel“, so Landrat Alex Eder.

Eder hatte zu Beginn seiner Eröffnungsrede bedauert, nicht alle Gäste und Ehrengäste namentlich nennen zu können. Nichtsdestotrotz war seine Liste erstaunlich lang. Doch sein besonderer Dank galt den Bürgern, der Vereinsarbeit und dem Ehrenamt, dem Rückgrat des Landkreises. Dieser könne sich Dank der hiesigen Unternehmerkultur auch wirtschaftlich sehen lassen. Mit 7.000 ansässigen Betrieben stellt er für seine rund 150.000 Bewohner insgesamt 73.000 Arbeitsplätze bereit. „Unser Landkreis ist äußerst innovativ“, resümierte Eder.

„Kneipps Heimat“ oder „Sieben-Schwaben-Kreis“ statt „Unterallgäu“?

Klaus Holetschek, Festredner und Bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege, trägt sich ins Gästebuch des Landkreises Unterallgäu ein.

Festredner war Gesundheitsminister Klaus Holetschek, der den Landkreis als ehemaliger Bürgermeister der Stadt Bad Wörishofen nach den Worten Eders wie seine Westentasche kenne. Holetschek erinnerte an die Anfangszeit, in der viele Bürger und Politiker besorgt auf die Veränderung blickten. Es stellte sich die Frage nach Zugehörigkeit, Identität und Heimat. Dies fing schon bei der Namensfindung des Landkreises an. Wie die Gäste später in der Talkrunde von Moderatorin Sandra Baumberger erfuhren, standen auch Namen wie „Kneipps Heimat“, „Sieben-Schwaben-Kreis“ oder „Vorderallgäu“ zur Diskussion. Holetschek betonte, wie wichtig das Wörtchen „Allgäu“ für den Landkreis sei. Altlandrat Hans-Joachim Weirather pflichtete ihm bei: „In den 50 Jahren mag nicht alles richtig gemacht worden sein, aber die Namensbildung passt.“ Das Allgäu sei, so Holetschek, vielen ein Begriff, stifte Identität und ist auch für den Tourismus von großer Bedeutung.

Die Befürchtung, der Landkreis werde eine bürgerferne Großkommune, habe sich, so der Gesundheitsminister, nicht bewahrheitet. Im Gegenteil, das Unterallgäu stehe für „Einheit und Vielfalt“. Die Zukunft liege nun in der interkommunalen Zusammenarbeit. „Sich unterhaken und gemeinsame Lösungen suchen“, lautet Holetscheks Patentrezept für die Stärkung des Landkreises.

Einen Seitenblick auf das Unterallgäu aus der Sicht eines Zugezogenen präsentierte der Wahl-Unterallgäuer Thomas Reuß aus Unteregg. In seinem „Landkreislied Unterallgäu“, seiner musikalischen Liebeserklärung an den Landkreis, arbeitete er auf charmante Weise und mit einem Augenzwinkern die Eigenheiten der Region heraus und brachte das Publikum zum Lachen. „Kennst Du das Land, in dem die Wäsche von der Leine frisch nach Stall riecht?“, lautet eine Zeile. Das Land, in dem die Wälder ganz aus Fichten sind und die Jungen mit dem Moped schwarz in die Stadt fahren, wo die Feuerwehr den Durst löscht, der Kirchturm noch der Wecker ist und der Pfarrer am besten Indisch spricht. Ja, das Land, in dem der Schulbus die Kinder mitten in der Nacht abholt und an dem die Autobahn vorbeifährt - lauter Bilder von einer heilen Welt.

In der Talkrunde der Mindelheimer Zeitung ließen Hans-Joachim Weirather (Landrat a.D.), Dr. Stephan Winter (stellvertretender Landrat und Erster Bürgermeister Mindelheims), Doris Kienle (Kreisrätin a.D.) und Helmut Koch (Kreisrat a.D.) ihre Erinnerungen an die Anfangszeit des Landkreises Revue passieren.

Der Dienstälteste, Helmut Koch (46 Jahre im Dienst), resümierte: „Die Mindelheimer haben gut profitiert, aber jeder hat ein bisschen was bekommen. Wir in Babenhausen unsere Realschule.“ Auf die Frage nach der wichtigsten Entscheidung für den Landkreis, waren sich die Redner einig, dass der Klinikverbund sowie die Schulen wichtige Meilensteine waren. Dr. Stephan Winter ergänzte die Liste um Aspekte der Mobilität. Die A96 sei entscheidend gewesen sei für das Zusammenwachsen des Landkreises, die Elektrifizierung für die Anbindung an die Bahnhofzentren. Auch die Erneuerungsbauten für die Realschulen in Babenhausen und Ottobeuren sowie die Verwandlung eines Aushilfsgymnasiums in ein Vollgymnasium in Ottobeuren waren wichtige Momente in der Gestaltung der Schulkultur. „Ein Meisterstück des Kreistages“, so Weirather, war die Entscheidung im Jahr 2011, alle Schulen gleichzeitig zu sanieren.

Auch die turbulente Zeit rund um den gescheiterten Bürgerentscheid zum umstrittenen Grundstückskauf am Allgäu Airport kam zur Sprache. „Das war spannender als der Landratswahlkampf“, erinnerte sich Weirather, der sich sicher ist, dass es strategisch richtig war, sich am Grundstückskauf zu beteiligen.

Große Dankbarkeit signalisierte Weirather ob der Großzügigkeit von Burghard Grob, dessen Unternehmen seinerzeit zwei Millionen für die Technikerschule auf den Tisch legte. „Ohne Burghard Grob gäbe es keine Technikerschule“, so der Altlandrat. Weitere zwei Millionen Euro spendete der Unternehmer dann für die Anschaffung eines MRT. „Es ist ein großes Glück, solche wohlwollenden Menschen in den eigenen Reihen zu haben“, resümierte Weirather.

Auf die Frage, was die Redner dem Landkreis für die nächsten 50 Jahre wünschen, antwortete Weirather spontan: „Ich möchte in Fellheim in den Zug nach Memmingen steigen, in Türkheim umsteigen und mit der Staudenbahn weiterfahren. Ferner sollen Bürger und Politiker, so Weirather, ihren Eigensinn zurückdrängen und den Gemeinsinn in den Mittelpunkt stellen. Während Helmut Koch sich wünschte, dass der Landkreis seinen bisherigen Kurs auch weiterhin halte, möchte Doris Kienle, dass die Bevölkerung gut von A nach B kommt. Dr. Stephan Winter wünschte sich mehr Mut, Veränderungen durchzuführen.

Kreisrat a.D. und Altbürgermeister Alfons Biber erheiterte das Publikum mit seinem besonderen Rückblick: einem Mundart-Gedicht über die Geschichte des Landkreises. Dabei nahm er alles und jeden auf die Schippe und sorgte beim Publikum für viel zustimmendes Kopfnicken.

Nach dem offiziellen Programm konnten die Gäste neben einem kulinarischen Rahmenprogramm historische Fotos des Landkreises auf einer Leinwand begutachten und den Festakt ausklingen lassen.