"Ihr Verhalten war schändlich"

SPD-Stadtrat Matthias Ressler rügt Christoph Maier (AfD)

veröffentlicht am 16.05.2019

AfD-Politiker und Ex-OB-Kandidat Christoph Maier. Foto: privat

Empört über Maiers Verhalten: SPD-Stadtrat Matthias Ressler. Foto: privat

Memmingen/Greding (dl/as). Deutschland, Deutschland über alles: Die erste Strophe des Deutschlandliedes zu singen, ist nicht verboten, aber durchaus unüblich, gilt dies doch als Anspielung auf den Nationalsozialismus. Bei einem AfD-Treffen des nationalistischen Flügels rund um Rechtsaußen Björn Hocke, an dem auch der Memminger Landtagsabgeordnete Christoph Maier teilnahm, wurde nun das komplette Deutschlandlied angestimmt.

Auf diese Entgleisung reagierte der SPD/FDP-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Matthias Ressler, äußerst empört. Er schrieb an Christoph Maier folgenden offenen Brief:

Sehr geehrter Herr Maier,

ich muss Ihnen sagen, dass mir angesichts der jüngsten Ereignisse die höfliche Anrede in diesem offenen Brief einigermaßen schwerfällt. Wie ich der Presse entnehmen kann haben Sie und Ihre Parteifreunde in Gerding es sich nicht nehmen lassen, bei der deutschen Nationalhymne die 1. Strophe zu singen.

„Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt, wenn es stets zu Schutz und Trutze brüderlich zusammenhält. Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt - Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!“

Als Sie beim letzten OB-Wahlkampf und bei der Landtagswahl in Memmingen angetreten sind, haben Sie noch versucht den Eindruck zu erwecken, der nette Saubermann von nebenan zu sein. Mit einem freundlichen Lächeln von den Wahlplakaten haben Sie Ergebnisse im zweistelligen Bereich geholt. Die Maske des Saubermanns ist lange gefallen. Schon Ihre Auftritte zum Beispiel beim Besuch der Kanzlerin in Ottobeuren haben gezeigt, dass Sie stramm in der rechten Ecke stehen.

Ich glaube nicht, dass das Singen der 1. Strophe des Deutschlandliedes nur die übliche AfD-Provokation war. Ich befürchte es ist ein Ausdruck Ihrer Grundwerte. Das Deutschland, das Sie besingen hat mit meinem Deutschland nichts zu tun. Ihr Deutschland, welches von der Maas bis an die Memel und von der Etsch bis an den Belt reicht, hat nur Krieg und Mord über die Welt gebracht. Mein Deutschland ist das von Recht und Freiheit, von Brüderlichkeit, das Deutschland von Völkerverständigung und Menschenrechten. Und auch das Deutschland des Grundgesetzes auf dessen Boden Sie anscheinend nicht stehen.

Sie vertreten nicht nur Ihre und die Interessen Ihrer Partei in der Öffentlichkeit, sondern auch die Memmingens. In dieser Hinsicht haben Sie unserer Stadt einen schlechten Dienst erwiesen. Denn das Memmingen, dass ich liebe und schätze, ist ein Memmingen der Freiheit und des Miteinanders und nicht eine Stadt der Ausgrenzung und des Hasses.

Sie sollten sich vor allem bei den Menschen entschuldigen, die Sie gewählt und die Ihnen Ihr Vertrauen geschenkt haben. Ihr Verhalten war schändlich.

Auch wenn ich nicht so freundlich gestimmt bin, gebietet mir die Höflichkeit …

Freundliche Grüße

Matthias Ressler, Fraktionsvorsitzender SPD/FDP-Stadtratsfraktion

Info: Der Memminger Rechtsanwalt Christoph Maier ist parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag und stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für Verfassungsrecht, Parlamentsfragen und Integration.

Das ursprünglich 1841 in der Hoffnung auf eine Einheit des Landes geschriebene Lied der Deutschen war durch die Verkürzung der Nazis auf die erste Strophe kompromittiert worden war. Die Alliierten hatten es deshalb verboten. 1952 wurde es auf Drängen Konrad Adenauers wieder als Nationalhymne der Bundesrepublik eingesetzt. Seit 1991 besteht die deutsche Nationalhymne nur aus der dritten Strophe des Liedes der Deutschen (Text: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben).