"Keil zwischen Naturschützer und Landwirte getrieben"

Kein Kompromiss in Sicht bei „jetzt red i“ live aus Hawangen

veröffentlicht am 01.03.2019

Auf dem Podium bei "jetzt red i": Der stellvertretende Bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Richard Mergner, Landesvorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern. Foto und Vorschaubild: Sonnleitner

„Alles erledigt, Bienen gerettet?“, fragte BR-Moderator Tilmann Schöberl provokant in die Runde. Die anwesenden Bauern jedenfalls fühlen sich vom Ausgang des Volksbegehrens eher verraten, dies machte die Diskussion des Bayerischen Fernsehens „jetzt red i“ live aus Hawangen deutlich. Auf dem Podium stellten sich der stellvertretende Bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Richard Mergner, Landesvorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern, den Fragen und Forderungen der Naturschützer und Landwirte im Publikum.

"Als Prügelknaben für sämtliches Verschulden der Gesellschaft an den Pranger gestellt", bezeichneten sich einige Landwirte nach dem überaus erfolgreichen Artenschutz-Volksbegehren in der Sendung "jetzt red i". Die Bauern, die sich am Mittwochabend im BR Fernsehen live zu Wort meldeten, beklagen ein existenzgefährdendes "Bauernbashing". Sie fürchten, durch strenge Vorschriften in Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein.

30 Prozent Bioanteil bis 2030

Denn im Rahmen der angestrebten Veränderungen sollen Biotope besser vernetzt, Uferrandstreifen stärker geschützt und der ökologische Anbau von derzeit zehn auf 30 Prozent bis 2030 ausgebaut werden.

Bauern und Bauernverband wehren sich gegen die daraus abgeleiteten strengen Vorgaben für Mindestflächen und kritisieren die vorgesehenen strikten zeitlichen Einschränkung für das Walzen und Mähen von Wiesen. Vor allem fürchten sie, dass die Fördermittel für Umweltleistungen wegfallen, wenn die bisher freiwilligen Maßnahmen zum Gesetz werden. Ein Kreisobmann des Bauernverbandes im Publikum sprach von einem "Eingriff in das Eigentum" der Landwirte.

Vorgaben "nicht praxisgerecht"

Als „nicht praxisgerecht“, kritisierte Aiwanger (selbst Landwirt) die Vorgaben. Wenn die Bauern nicht in den Ruin getrieben werden sollen, müssten hohe Ausgleichszahlungen geleistete werden, machte er deutlich. Beim Thema Gewässerrandstreifen beispielsweise ginge um mehrere 100 Quadratkilometer meist bestes Ackerland, das den Bauern verloren ginge. "Will ich das den Bauern zum Nullsummenspiel abnehmen oder rechne ich hoch, wie viel das an Ersatzleistungen wäre. - Ja, dann kostet das Geld, oder ich sage, der Bauer muss auf ein paar tausend Euro verzichten und ins Gras beißen", so Aiwanger.

Der Wirtschaftsminister hält die Vorgabe von 30 Prozent Bioanteil bis 2030 für zu ehrgeizig. "Wenn wir genügend Geld finden, 100 bis 200 Millionen mehr im Jahr auszugeben, dann kann man diese Ziele anstreben. Ich würde mir das wünschen. Aber wenn es darauf ankommt, dann werden viele sagen, 'so viel Geld können wir nicht zur Verfügung stellen'", meint Aiwanger.

"Es ist ein Skandal, wie Lebensmittel verramscht werden"

Im Gegensatz zu Richard Mergner vom Bund Naturschutz glaubt der Bayerische Wirtschaftsminister nicht, dass der Großteil der Verbraucher bereit sei, sein Einkaufsverhalten zu ändern und für hohe Qualität mehr zu bezahlen. "Es ist ein Skandal, wie Lebensmittel verramscht werden", stimmt Mergner ihm zu, allerdings habe die Marke "von hier" gezeigt, dass die Leute durchaus bereit seien, regional und saisonal einzukaufen und für Qualität zu zahlen.

"Wenn Sie eine Zukunft haben wollen, produzieren Sie nicht nur für den Weltmarkt oder den Discounter, sondern schauen Sie, dass Ihre Qualität auch entsprechend gut vermarktet wird. Damit Sie nicht zu den Bauern gehören, die in den nächsten Jahren zusperren müssen“, appelliert der Landesvorsitzende BUND an die Bauern - verbunden mit der Bitte, aus der "Schmollecke" herauszukommen: "Die schlechte Agrarpolitik der letzten Jahre hat dazu geführt, dass tausende Höfe aufgeben mussten, nicht das Volksbegehren", betonte Mergner.

Keil zwischen Naturschützer und Landwirte getrieben

Sowohl von Seiten der Unterstützer als auch von Seiten der Gegner des Volksbegehrens wurde in der Sendung mehrfach bedauert, dass ein Keil zwischen Naturschützer und Landwirte getrieben worden sei. Diesen Eindruck konnten die Politiker auf dem Podium nicht widerlegen, auch wenn Aiwanger gegen Ende der Sendung sagte, er sei überzeugt, "dass ein Kompromiss möglich ist“.

"Förderpolitik der EU ist ungerecht"

Immer wieder richtete sich der Blick auch über den regionalen Tellerrand hinaus auf die EU-Agrarpolitik. Ein bayerischer Volksentscheid könne EU- und Weltagrarpolitik nicht ändern, entgegnete Aiwanger einer Dame aus dem Publikum, die die flächenbezogene Vergabe von Fördergeldern kritisierte. Auch Mergner bezeichnete die Förderpolitik der EU als ungerecht.

Alle Blicke richten sich nun auf die Staatsregierung: „Ich habe viel positive Energie gespürt und viel fachliche Kompetenz“, hat indes Söder in München alle Beteiligten nach dem ersten Treffen des Runden Tischs für mehr Artenschutz gelobt. Hier hofft man, die kontroversen Interessen unter einen Hut zu bringen.

Wie geht es weiter? - Der Landtag muss nun entscheiden: Wenn er das Volksbegehren unverändert annimmt, wird es zum Gesetz. Lehnt er es ab, dann entscheidet die Bevölkerung in einem Volksentscheid, für den der Landtag auch einen Gegenvorschlag zur Abstimmung stellen kann.