Medizin aus dem Atombunker

Buxheimer Firma will auf dem Airport-Gelände Cannabis anbauen

veröffentlicht am 22.11.2017

Der Eingang zum früheren Atombunker auf dem Gelände des Allgäu Airport. Das Vorschaubild zeigt die Außenansicht. Fotos: Bunker Pflanzenextrakte

(as). Seit März 2007 dürfen Ärzte schwer kranken Patienten Cannabis(-extrakte) verschreiben. Voraussichtlich kann medizinisches Cannabis ab 2019 auch in Deutschland unter staatlicher Kontrolle zu medizinischen Zwecken angebaut werden. Das Allgäuer Unternehmen Bunker Pflanzenextrakte UG will im ehemaligen Atombunker am Allgäu Airport eine Forschungsstätte errichten. Lokale-Redakteurin Antje Sonnleitner sprach mit Christoph Roßner, dem Geschäftsführer der Firma Bunker.

Christoph Roßner, Geschäftsführer der Firma Bunker Pflanzenextrakte UG. Foto: privat

Herr Roßner, Sie setzen sich bereits seit 17 Jahren für die Zulassung und Erforschung von Cannabis als Medizin ein, betrachten dies sogar als ihre Lebensaufgabe. Warum?

Ich weiß, dass es hilft, darum kämpfe ich dafür. Meine Schwester hat mit 19 Jahren Selbstmord begangen, weil sie mit ihrer schweren Epilepsie nicht mehr leben wollte. Schon ein Gramm Cannabis am Tag hätte ihr Leiden lindern können.

Seit wann gibt es die Bunker Phyto-Pharma-Development?

Die Firma bunker wurde 2015 gegründet, als nach jahrelangen Gesprächen und Verhandlungen mit Behörden und Politikern  vorauszusehen war, dass die medizinische Zulassung von Cannabis kommen würde. In Kooperation mit der TU München planen wie, ein großes Forschungszentrum am Airport zu errichten und haben auch bereits Investoren für das Projekt gefunden.

Wie kamen sie darauf, den Atombunker zu nutzen?

Ich kannte den Bunker aus Kindertagen, da ich in der Gegend aufgewachsen bin. Der  tausend Quadratmeter große Atombunker auf dem Flughafengelände, den mir die Allgäu Airport GmbH vermietet hat, ist als riesiges Hochsicherheitslabor ideal geeignet. Hier sind alle Voraussetzungen gegeben, wissenschaftliche Studien in kontrollierbarem Rahmen durchzuführen.

Wie muss der Raum beschaffen sein, damit der Hanf optimal wachsen kann?

Für das qualitätssichere Erforschen und Züchten von mindestens  80 Zuchtlinien medizinischen Hanfs brauchten wir ein steriles Reinraumklima, Licht, Luft und Feuchtigkeit müssen konstant sein. Um sterile Bedingungen (frei von Mikroorganismen) zu erzeugen und das Wachstum zu fördern, bilden sich die Wurzeln nicht in einem Substrat wie Erde oder Glaswolle, sondern wachsen auf speziellen  Luftbrücken und werden mit einer wohltemperierten Nährstofflösung benebelt.

Nach dem Anbau werden die Pflanzenextrakte in unserem Labor und in dem der TU in Garching analysiert. Doktoranden der TU München werden aber auch vor Ort wissenschaftliche Forschung betreiben. So kann das Allgäu zum Silicone Valley der Cannabis-Forschung und Medizin werden.

Was ist das Ziel dieser Forschung?

Wir wollen herausfinden, welche Inhaltsstoffe der Pflanze bei welcher Erkrankung wirken. Das war durch die Ächtung der Pflanze als illegale Droge hier zu Lande in den letzten 80 Jahren nicht möglich. in USA, Israel und Kanada wird bereits geforscht und es gibt bereits vielversprechende Studien.

Wie wirkt Cannabis auf den Organismus?

Die Cannabinoide THC und CBD sind wichtige Inhaltstoffe der Hanfpflanzen, für die der menschliche Körper Rezeptoren hat. Während THC berauschend wirkt, ist CBD überhaupt nicht psychoaktiv und entzündungshemmend daher auch sehr interessant für die medizinische Forschung. CBD wirkt entkrampfend, entzündungshemmend, angstlösend und gegen Übelkeit.

Bei welchen Krankheiten wurden CBD und THC bereits mit Erfolg eingesetzt?

CBD und THC sind eine Offenbarung für Schmerzpatienten, unterschiedliche, pflanzlichen Zusammensetzungen der beiden Wirkstoffe es wirkt bei Migräne, bei Angststörungen, als Spasmolytikum bei multipler Sklerose und bei Epilepsie. Bewährt haben sich Cannabinoide auch bereits bei diversen Krebsarten wie Knochen- und Blasenkrebs. Ein  weiteres Einsatzgebiet sind Entzündungen (vielleicht sogar als Alternative zu Antibiotika?).

Damit die Kassen die Kosten übernehmen, sind Studien notwendig. Wo nehmen Sie die Patienten dafür her?

Es ist geplant, wissenschaftlich begleitete Studien nur mit Patienten durchzuführen, die die Sondergenehmigung der Bundesopiumstelle hatten, da diese Patienten langjährige, praktische Erfahrung mit ihrem Medizinalhanf sammeln konnten, bevor das Gesetz in Kraft trat und so unser wissenschaftliche Arbeit mit diesem Wissen sehr bereichern können.

Deutsche Apotheker beziehen Cannabinoide bislang aus Holland oder Kanada. Wann wird es das erste medizinische Cannabis aus deutscher Herstellung geben?

Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte startete im März eine Ausschreibung für Hersteller. Doch es gibt noch viele juristische Fallstricke und Stolperfallen. Anbauen darf nur, wer Cannabis legal über drei Jahre lang mit einem Ertrag von 50 kg angebaut. Das ist eine unüberwindbare Hürde für europäische Hersteller! Bislang dürfen die Produzenten nicht produzieren, die Lieferanten nicht liefern, die Kassen zahlen oft nicht und Ärzte zögern…aber geplant ist die deutsche Selbstversorgung ab 2019.

Doch Sie hoffen auf die Sondergenehmigung nach Paragraph 3 des Betäubungsmittelgesetzes spätestens im Januar 2018?

Ja, ich bin guter Dinge, ich möchte  Anfang 2018 mit dem Anbau zu wissenschaftlichen Zwecken in Memmingerberg beginnen.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Roßner.