"Rückkehr der Logik des kalten Krieges“ ?

Ukraine-Krieg und die Folgen waren Thema beim Wirtschaftsforum der IHK

veröffentlicht am 29.10.2022

Politikwissenschaftler Prof. Herfried Münkler aus Berlin referierte über die Folgen des Ukrainekrieges.

Memmingen/Ungerhausen (sg). Politik, Gesellschaft und Wirtschaft stehen zur Zeit weltweit vor enormen Herausforderungen. Nicht zuletzt zeigt der Ukrainekrieg Auswirkungen, auch in unserer Region und beinahe alle Bereiche. Beim traditionellen Wirtschaftsforum für Memmingen und das Unterallgäu referierte der renommierte Politikwissenschaftler Prof. Herfried Münkler über die Folgen des Ukrainekrieges.

Das WirtschaftsForum ist eine Dialogplattform von heimischen Wirtschaftsvertretern und Politikern. Die gemeinsame Veranstaltungsreihe von IHK Schwaben, Kreishandwerkskammer, Stadt Memmingen, Landkreis Unterallgäu, ProNah und VR-Bank fand nun schon zum elften Male statt, heuer war die „Green Factory“ der Alois Müller GmbH in Ungerhausen Gastgeber für Gäste aus Wirtschaft und Politik.

Gastgeber Andreas Müller.

Krieg und Energiekrise bei uns
Im Zeichen der derzeitigen Energiekrise war die „GreenFactory“ der Alois Müller GmbH augenscheinlich der passende Ort für die Veranstaltung, bei der Gastgeber Andreas Müller, Geschäftsführer der Alois Müller GmbH, in einer Präsentation mögliche Wege aus der Energiekrise aufzeigte. Seine „GreenFactory“ sei lange belächelt worden, mache sich jetzt aber bezahlt, so Müller. Die CO2-neutrale Fabrik am Hauptsitz in Ungerhausen produziert nahezu energieautark. Man habe die regenerativen Energien in den letzten zehn Jahren stark vernachlässigt, stellte Müller fest – in der Politik und auch vonseiten der Unternehmen. Die Alois Müller GmbH zeigt mit regionalen Projekten wie es anders gehen kann, sei es durch Fernwärmenetze in Benningen, Dickenreishausen und im Memminger Süden, durch die Umstellung auf Biogas und Pellets am Allgäu Airport oder die Entstehung eines Solarparks in Heimertingen.

Der Ukrainekrieg und seine Folgen

Der renommierte Politikwissenschaftler Prof. Herfried Münkler von der Humboldt-Universität Berlin referierte vor etwa 200 Gästen über den „Ukrainekrieg und seine Folgen“. Dieses komplexe Thema beleuchtete Münkler von mehreren Seiten und trat bei der Betrachtung geopolitisch auch einen Schritt zurück, um Zusammenhänge klar zu machen. So sprach Münkler darüber, welche Möglichkeiten der Beendigung des Krieges es gebe, welche Erwartungen und Hoffnungen wir uns abschminken und worauf wir uns langfristig einstellen müssen.

Prof. Herfried Münkler.

Es wird nicht mehr so wie es war

Es sei eine Illusion zu denken „wenn der Ukrainekrieg vorbei sei, könne es wieder so werden wie es war.“ Der Ukrainekrieg stelle einer Zäsur dar und das sei mehr als eine „Zeitenwende“, wie Scholz es im Februar diesen Jahres formulierte. Die Situation zwischen Russland und der Ukraine müsse geopolitisch in einem größeren Gesamtbild betrachtet werden. Dass wir „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen“, werde nicht passieren. Im Gegenteil: Der Krieg werde uns noch viel Geld kosten und andauern. Münkler sprach bewusst von „uns“, denn auch Deutschland ist Teil der „Rüstungsspirale“ und finanziell am Krieg beteiligt. Er betonte: Der Ukrainekrieg sei „eine Herausforderung für Europa und für die europäische Führungskraft Deutschland“. Der weit verbreiteten Annahme, dass uns der Krieg nichts anginge, weil er nicht in unserem Land stattfinde, zog er damit den Zahn. An Migrationsbewegungen merken wir bereits deutlich, dass es uns etwas angeht.

„Rückkehr der Logik des kalten Krieges“

Die einzig sinnvolle Lösung sei ein langfristiger Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland, so Münkler, jedoch eher unwahrscheinlich. Appeasement-Politik – Land gegen Frieden - sei ebenfalls eine mögliche Lösung. Appeasement habe zwei Gesichter und welches das entscheidende ist, wisse man vorher nicht. Münkler erinnerte an die Situation in Nahost, wo Appeasement zwischen Israel und Ägypten gelang, zwischen Israel und Palästina allerdings nicht.

Wahrscheinlich - und bereits zu beobachten - sei eine „Rückkehr der Logik des kalten Krieges“: Durch Rüstung abzuschrecken, sich in den Allianzen gegenseitig finanziell zu erpressen und in eine Rüstungsspirale zu treiben. Münkler schloss mit dem dazu passenden römischen Sprichwort: „Si vis pacem para bellum“ – frei übersetzt: Man muss die eigenen Fähigkeiten zur Führung eines Krieges zeigen, um den Frieden sicher zu stellen.

Fotos: Wolfgang Radeck