„Seit einem Jahrhundert vorbildlich“

Die Reichshainschule feiert 100 Jahre

veröffentlicht am 11.05.2023

Die eigens für das Jubiläum formierte Lehrerband begeisterte unter anderem mit „Junge“ (Die Ärzte) und „Teach your children well“ (Woodstock).

Memmingen (sg). Vor 100 Jahren als sogenannte Hilfsschule gegründet, feiert die Reichshainschule dieses Jahr ein besonderes Jubiläum. Bei einem gut besuchten Festakt im Maximilian-Kolbe-Haus gratulierten Gäste aus der Politik und Vertreter anderer Schulen zum 100. Geburtstag, der mit Tanz, Musik und Festreden begangen wurde.

Durch den Abend führten Schulleiter Willi Seitz und seine Stellvertreterin Andrea Karasch. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von der Lehrerband und den „drei Oldtimern“, einer Musikgruppe ehemaliger Kollegen. Ein Highlight war der Bändertanz, den Schülerinnen der Klassen 5 bis 9 aufführten.

Auch schulintern wurde im Vorfeld bereits groß gefeiert: Es gab zwei Projektwochen zum Thema „Schule früher und heute“ sowie ein gemeinsames Maifest. Eine Ausstellung der Ergebnisse der Projektwoche sowie ein geschichtlicher Rückblick über die letzten 100 Jahre konnten nach der Feier besucht werden.

Ein Zeitkoffer, analog zur Zeitkapsel, mit Erinnerungen an das Jubiläumsjahr.

Schule ist Lebensraum

Vor 100 Jahren gründeten sich viele sogenannte Hilfsschulen. Auch in Memmingen begann man Kindern mit „besonderen Bedürfnissen“ eine besondere Beschulung zu ermöglichen. Nach vielen unterschiedlichen Namensgebungen gibt es seit nunmehr 21 Jahren die Reichshainschule als Sonderpädagogisches Förderzentrum. „Wir haben uns weiterentwickelt. Schule ist bei uns nicht nur Lernort, sondern Lebensraum. Es geht darum, dass die Kinder sich gesehen, sicher und wertgeschätzt fühlen. Sie sollen das lernen, was sie brauchen, um eine erfolgreiche Zukunft zu gestalten“, so Seitz. Eine sichtbare Entwicklung sei die Sanierung des Schulhauses in den letzten Jahren. Besonders freut Seitz sich auf die neue Turnhalle, die 2026 fertig sein soll. Ein weiterer großer Fortschritt sei die Digitalisierung.
„Die Reichshainschule arbeitet seit einem Jahrhundert vorbildlich, zurzeit mit über 60 Kollegen und Mitarbeitern“, lobte Dr. Ulrich Kapfer, Regierungsschuldirektor im Sachgebiet Förderschulen an der Regierung von Schwaben. Kapfer hatte einen 20.000-Mark-Schein von 1923 dabei, symbolisch für die Zeit der Gründung der damaligen Hilfsschulklasse in Memmingen. „Menschen haben sich in einer Zeit großer Krisen, unter anderem der Hyperinflation, dennoch für die Gründung von Hilfsschulen eingesetzt. Sie haben sich für eine Gruppe von Schülern stark gemacht, die bis heute nur eine kleine Lobby hat“, betonte Kapfer.

Dunkle Zeiten

In den letzten 100 Jahren gibt es in den Hilfsschulen auch ein dunkles Kapitel, das im Rückblick von Seitz und Jasmin Reymann bewusst nicht ausgespart wurde. „Da muss man schon schlucken, das ist noch gar nicht so lange her“, so Seitz, nachdem seine Kollegin Reymann die Zeit von 1933 bis 1945 beleuchtet hat, insbesondere das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten ab 1939. Sie ist in der Recherche auf den exemplarischen Fall eines ehemaligen Schülers der Reichshainschule gestoßen, der in der „Heil- und Pflegeanstalt“ Kaufbeuren, wie viele andere, vermutlich zu Tode gehungert wurde.

Mit Schwung ins nächste Jahrhundert: Jan Rothenbacher übergibt Willi Seitz im Namen der Stadt einen Roller für die Schulfamilie.

Neuanfang 1949

Nach dem Dritten Reich gab es zunächst keine Hilfsschule mehr in Memmingen, die Schüler waren wieder auf die Regelklassen verteilt worden. 1949 startete wieder eine Klasse, in den Räumlichkeiten im Untergeschoss der Bismarckschule. Es war „ein schwieriger Weg mit viel Herzblut“, wie Oberbürgermeister Jan Rothenbacher in seinem Grußwort sagte, bis 1985 schließlich 14 Klassen in das heutige Schulgebäude im Reichshain umzogen.

Schüler im Mittelpunkt

Schule wird immer im Wandel bleiben, so Seitz abschließend und mit Blick in die Zukunft, aber „Kinder und Jugendliche bleiben die Hauptsach‘, das ist klar.“ Schlussendlich sei Sonderpädagogik gar nicht so etwas Besonderes, sondern einfach „etwas mehr und ein Stückchen intensiver“.

Fotos: Svenja Gropper