„Kleine Sensation“: Spätmittelalterliche Besiedlung entdeckt

Archäologe erklärt aufregende Funde auf der Baustelle Augsburgerstraße

veröffentlicht am 17.12.2018

Der Archäologe Fabian Hopfenzitz erklärt den Anwesenden beim symbolischen Spatenstich die Funde auf der Baustelle der Siebendächer Baugenossenschaft an der Augsburger Straße. Fotos: Sonnleitner 

(as). Als „kleine Sensation“ bezeichnete der Memminger Archäologe Fabian Hopfenzitz Funde auf der Baustelle der Siebendächer Baugenossenschaft an der Augsburger Straße, die auf eine spätmittelalterliche Besiedlung des Areals an der alten Salzstraße (heute Augsburger Straße) hindeuten (wir berichteten). Die Lokale sprach mit dem Fachmann über die historische Einordnung und Bedeutung der Entdeckungen. 

Herr Hopfenzitz, bereits beim Wohnbauprojekt der Siebendächer-Baugenossenschaft in der Krautstraße stellte man anhand archäologischer Funde fest, dass die sogenannte Kalchvorstadt bereits 1260 bebaut war. An der Augsburgerstraße fanden sich nun Überreste einer spätmittelalterlichen Besiedlung. Wie sind diese zeitlich genauer einzuordnen?

Offenbar hat hier bereits im 14. bzw. 15. Jahrhundert eine erste Besiedlung stattgefunden. So fanden wir bisher vor allem die Überreste von Holzgebäuden in Form von sogenannten Pfostengruben. Innerhalb dieser Gruben wurden bei mittelalterlichen Gebäuden die dach- bzw. wandtragenden Holzpfosten eingestellt. Teile dieser Gebäude waren offenbar auch unterkellert. Zumindest in einem Fall konnten wir hier einen zugehörigen Keller nachweisen. Aus dessen Verfüllung haben wir diverse Kachelfragmente des ausgehenden Mittelalters geborgen.

Spannende Funde: Diese Becher- oder Schüsselkacheln verkleideten die Kachelöfen. 

Bei den Funden handelt es sich also um Becher- oder Schüsselkacheln, die einst Kachelöfen verkleideten - so genannt aufgrund ihrer gewölbten, den namensgebenden Gefäßen verwandten, Form. Überrascht es Sie, dass die Häuser damals bereits so gut  ausgestattet waren oder war das typisch für diese Zeit?

Im städtischen Umfeld ist diese Form der Heizanlagen im späten Mittelalter nicht untypisch, spiegelt aber sicher eine gehobene Ausstattung wieder. Solch aufwändige Systeme standen sicher nicht jedem Bürger zur Verfügung. Besonders im vorstädtischen, eher ländliche geprägten Areal erscheint dies eher überraschend.

Warum, glauben Sie, hat man die Siedlung außerhalb der damals bereits existierenden Stadtmauern gebaut? Sehen Sie hier einen  Zusammenhang mit dem Schottenkloster Sankt Nikolaus, das im 12./13. Jahrhundert von Welf I gegründet und im früher 16. Jahrhundert aufgegeben wurde?

Die gehobene Ausstattung könnte hier sicherlich auf einen gewissen Zusammenhang mit dem klösterlichen Umfeld schließen lassen. Die mittelalterliche „Baulücke“ zwischen dem Schottenkloster und dem heute abgebrochenen Kalchtor (am Ostende der Kalchstraße) war – entlang der Hauptverkehrsachse – sicher bereits damals eine interessante Siedlungslage. Außerdem kann man davon ausgehen, dass innerhalb der Stadt Bauland zu diesem Zeitpunkt bereits knapp war. Die ersten Abbildungen der Stadt zeigen ja schon eine sehr dichte Bebauung auf vergleichsweise kleinen Parzellen. 

Im Bereich der Krautstraße konnten wir für das Spätmittelalter auch eine Aufteilung ursprünglich größerer Parzellen nachweisen. Offenbar fand hier im 15. Jahrhundert bereits eine erste „Nachverdichtung“ statt.

Die recht gut erhaltenen Palisaden befestigten den Graben von innen.

Ist der heutige Alte Friedhof aus dem ehemaligen Klosterfriedhof hervorgegangen?

Archäologisch ist das nicht mit Sicherheit zu sagen. Der schriftlichen Überlieferung zufolge wurde dieser Friedhof im 16. Jahrhundert angelegt. Das Schottenkloster war zu diesem Zeitpunkt gerade abgebrochen worden. Der zugehörige Klosterfriedhof war aber sicher deutlich kleiner. Dennoch scheint sich die Bestattungstradition in gewisser Weise im „Alten Friedhof“ fortzusetzen.

Sie legten hier bei Ihren Grabungen teilweise recht gut erhaltenen Palisaden frei, die den Graben von der inneren Seite her befestigten. Musste man das Kloster, da er vor den Stadtmauern lag, durch eine Schanzanlage schützen? Und warum, glauben Sie, hat Napoleon ihn später verfüllen lassen? 

Die Schanzanlage die wir freigelegt haben hat – vorgelagert - die bereits vorhandene Stadtmauer verstärkt. Die Klosteranlage war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgegeben. Das Klosterareal lag nie innerhalb dieser Wehranlagen. Die mittelalterliche Vorstadt „auf dem Kalch“, deren Reste wir nun freigelegt haben, wurde, wie das Kloster, vielmehr im 15./16. Jahrhundert. aufgegeben. Diese Areale mit in die Wehranlagen einzubeziehen, wäre offenbar zu aufwändig gewesen. Zu Zeiten Napoleons hatten die Wehranlagen des 17./18. Jahrhunderts – vor dem Hintergrund weiter entwickelter Waffentechnik – wohl schon weitgehend an Bedeutung verloren.

Die Grabungen gehen im neuen Jahr weiter, bis jetzt sind nur zwei Drittel der Fläche untersucht. Was hoffen Sie noch zu finden?

Die noch zu bearbeitenden Flächen werden mehr und mehr in direkter Nachbarschaft zum aufgelassenen Schottenkloster liegen. Von diesem sind außer einiger urkundlicher Überlieferungen keinerlei Reste erhalten. Eventuell können wir hier erste Anhaltspunkte zum Aussehen und zur genauen Zeitstellung sammeln. Höchstwahrscheinlich lässt sich auch die mittelalterliche Profanbebauung des Areals weiter eingrenzen.

Vielen Dank Herr Hopfenzitz, wir freuen uns auf weitere interessante Informationen beim Pressegespräch  im Frühjahr 2019!