„Was ich tun kann, tue ich“

Kritisch und kämpferisch: ÖDP-Spitzenkandidat für Europawahl in Memmingen

veröffentlicht am 03.05.2019

Sehr aufmerksamen und interessiert lauschte das Publikum dem ÖDP-Europaabgeordneten und Europawahl-Kandidaten Professor Dr. Klaus Buchner im kleinen Saal der Memminger Stadthalle. Fotos: A. Sonnleitner

Memmingen (as). „Wir brauchen Europa aber ein besseres“, betonte der Europaabgeordnete der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) und Spitzenkandidat für die Europawahl am 26. Mai Prof. Dr. Klaus Buchner. Auf Einladung des ÖDP-Kreisverbandes Memmingen-Unterallgäu hielt er einen Vortrag zum Thema “JA zu Europa! Für mehr Bürgernähe, Demokratie und Ökologie“ in Memmingen.

Die ÖDP-Kreisvorsitzende Gabriela Schimmer-Göresz.

Die Vorsitzende Gabriela Schimmer-Göresz begrüßte die Gäste im kleinen Saal der Stadthalle und stellte den ÖDP-Spitzenkandidaten vor. Professor Dr. Klaus Buchner ist seit 1983 ÖDP-Mitglied und ehemaliger Bundesvorsitzender der Partei. Der Physiker promovierte am Max-Planck-Institut. Bis zu seiner Pensionierung 2006 arbeitete er am Zentrum Mathematik der Technischen Universität München.

Jeder Tag ein „Friday for Future“

„Für uns ist seit 1982 jeder Tag Freitag und unsere politischen Ziele gehen weit über die Forderungen der „Fridays for Future“-Bewegung hinaus“, erklärte die Kreisvorsitzende die Grundsätze der ÖDP-Politik. „Wir sind überzeugte Europäer, aber Europa muss sich tiefgreifend reformieren und demokratischer werden“, kritisierte Schimmer-Göresz. Von einer bloßen Wirtschaftsgemeinschaft solle sich die EU zu einem Staatenverbund freier, sich vorrangig selbst regierender Völker unter Beachtung gemeinsamer europäischer Werte entwickeln.

„Wir stehen vor einer tiefgreifenden weltweiten Umgestaltung. Die zerstörerische und ausbeuterische Wirtschafts- und Lebensweise der Gegenwart muss schnellstens beendet werden“, fasst Schimmer-Göresz die Vision der ÖDP zusammen.

Gemeinwohl im Mittelpunkt

Statt auf Profitmaximierung setze die ÖDP auf eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft, die das Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellt und das gute Leben aller zum Ziel hat. Einen wirksamen Klimaschutz, einen verbesserten Umwelt-, Tier-, und Verbraucherschutz, eine Landwirtschaft, die Bienen und Bauern schützt sowie eine humane Asyl- und Flüchtlingspolitik, benennt die Politikerin als Ziele ihrer Partei.

Außerdem fordert die ÖDP verbindliche europaweite Volksbegehren und -entscheide, um Kommunen, Regionen und die einzelnen Mitgliedsstaaten gegenüber der EU zu stärken.

Zum Abschluss erinnerte Schimmer-Göresz daran, dass bei der Europawahl jede Stimme zählt, da es keine Prozenthürde gibt, und betonte, dass die ÖDP auf Firmenspenden verzichtet, um frei von Lobbyismus und unabhängig agieren zu können: „nicht links, nicht rechts, sondern weit voraus“.

EU-Parlament: ein zahnloser Tiger

Prof. Klaus Buchner überzeugte seine Zuhörer mit seinem frei gesprochenen Vortrag.

„Meine Vision von Europa ist ein bürgernahes und demokratisches Europa, wo nicht Konzerne und Lobbyisten die Politik bestimmen“, so die Kernaussage des Referenten Prof. Klaus Buchner vor einem sehr aufmerksamen und interessierten Publikum. Buchner erklärte die Institutionen der EU und ihre Zuständigkeiten und zeigte das demokratische Defizit des EU-Parlaments auf, das 1979 als „demokratisches Mäntelchen“ eingerichtet wurde, so Buchner.

Das 751 Köpfe starke Parlament könne weder über politische Grundsatzfragen entscheiden noch eigene Gesetzesentwürfe einbringen. Die geballte Machtfülle liegt bei der Kommission, die das Parlament nicht kritisieren oder gar kontrollieren darf. So sind es denn auch die Entscheidungen der Kommission, die sich in 80 Prozent der neuen deutschen Gesetze widerspiegeln.

25.000 Lobbyisten üben Einfluss aus

Besonders kritisch ist das, wenn man bedenkt, dass in Brüssel etwa 25.000 Lobbyisten (zuzüglich der Arbeitskreise sind es um die 300.000) mit einem Jahresbudget von 1,5 Milliarden Euro Einfluss auf die EU-Institutionen ausüben und privilegierten Zugang zu den 28 EU-Kommissaren genießen. Etwa 70 Prozent der Lobbyisten arbeiten für Unternehmen und Wirtschaftsverbände und sitzen auch in wichtigen Behörden wie im Bundesamt für Strahlenschutz.

Bürgerwille versus Freihandelsabkommen

Auch im EU-Parlament spiegelt sich der Bürgerwille nur sehr marginal wieder: „Viele Abgeordnete scheren sich einen Teufel um den Bürgerwillen, das ist nicht anders als im Bundestag“, bemängelt der ÖDP-Abgeordnete. Er erläutert dies am Beispiel von Handelsabkommen wie CETA, dem Freihandelsabkommen zwischen Europa und Kanada, dem das Europäische Parlament im Februar 2017 trotz massiver Bürgerproteste und gegen seine und die Stimmen seiner Fraktion zugestimmt habe, so Buchner.

Formuliert werden die Ziele, die in den Freihandelsabkommen verwirklicht werden, vom Europäischen Runden Tisch der Industriellen (ERT), einer Lobbyorganisation von rund 50 Wirtschaftsführern großer multinationaler Unternehmen mit Sitz in Brüssel.

„Die Freihandelsabkommen machen Landraub möglich; sie zerstören das Klima und die Sozialstruktur in Entwicklungsländern“, erklärt Buchner am Beispiel Kameruns, wo bereits 11.000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft vernichtet wurden. Massiv unterstützt durch den Klimawandel, der die nutzbaren Flächen reduziert, tragen sie zu den Fluchtursachen bei.

„CETA mit EU-Recht vereinbar“

Bekanntlich hat der Europäische Gerichtshof nun entschieden, dass CETA mit EU-Recht vereinbar und die umstrittenen Schiedsgerichte rechtmäßig seien. Die Zahl der Verfahren, in denen Konzerne Staaten auf Schadenersatz verklagen, steigt seit Jahren stark an. So musste zum Beispiel das kleine Land Ecuador 2,4 Milliarden Dollar Schadenersatz leisten, weil es einem Ölkonzern nicht erlaubt hatte, im Naturschutzgebiet zu bohren, erklärte Buchner den zunehmend entrüsteten Zuhörern.

„Agrarwende-jetzt“

Auf Wunsch des Publikums kam Buchner noch auf die Landwirtschaft als mit 40 Prozent des Budgets größten Posten des EU-Haushalts zu sprechen. Auf knapp 60 Milliarden Euro belief sich der Etat für 2018. „Warum wird Großgrundbesitz mit Steuern subventioniert?“, fragt sich der Referent. „Da die Förderung sich überwiegend nach der bewirtschafteten Fläche bemisst, bekommen 20 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe 80 Prozent der Fördergelder“, erklärt Buchner und verweist auf seine Petition „Agrarwende-jetzt“, deren Ziel ein einheitliches, für alle EU Staaten verbindliches Siegel für Tierprodukte ist mit kontrolliert-artgerechter Haltung. (Mehr Infos dazu unter www.agrarwende-jetzt.de).

„Lassen Sie 5G zum Flopp werden!“

Zuletzt ging der ÖDP-Abgeordnete noch auf die fünfte Generation des Internets, das umstrittene „5G“ ein. Nachdrücklich warnt der Physiker vor den Folgen der höheren Strahlungsintensität und verweist auf eine wachsende Anzahl von Studien, die wissenschaftlich belegen, dass elektromagnetische Hochfrequenzstrahlung unter anderem Krebs erzeugen und den männlichen Samen schädigen kann.

Prof. Buchner war Erstunterzeichner eines Appells von 400 Naturwissenschaftlern und Medizinern, der vor den Gefahren der 5G-Technik warnt. Buchner verlangt ein Moratorium bei der Vergabe der 5G-Mobilfunklizenzen, damit die Gefahren eingehender untersucht werden können. Außerdem setzt er sich für sogenannte „weiße Zonen“ für elektrosensible Bürger ein.

Der Europaabgeordnete warnt in diesem Zusammenhang auch vor dem „Smart Home“, mit dem durch vernetzte Haushaltsgeräte eine weitgehende Überwachung der Privatsphäre durch das Senden persönlicher Daten an Unternehmen und Datenhändler ermöglich wird.

„Wir müssen etwas tun“, appellierte Buchner an seine Zuhörer, die seinem Vortrag anhaltenden Beifall spendeten. „Stellen Sie sich stur“, so sein Rat, um 5G „zum Flop werden zu lassen“.

Alexander Abt stellt sich vor

Auf Listenplatz 3 nominiert ist Alexander Abt.

Nach dem Vortrag des Europaabgeordneten stellte sich der auf Listenplatz 3 nominierte Alexander Abt kurz vor und bezog sich dabei auf das Kernelement Ökologisch-Demokratischer Politik: das Gemeinwohl. „Dient es der Umwelt? Dem Menschen? Dem Frieden? - Wenn wir diesen Wertmaßstab zugrunde legen und die Lobbypolitik ändern, müssen Jugendliche nicht freitags für ihre Zukunft kämpfen“, so Abt. Lucia Fischer, ÖDP-Bezirksvorsitzende und EU-Kandidatin auf Platz 50 verstärkt das lokale Kandidatenteam.

„Firmenspenden verbieten oder beschränken“

In der anschließenden Diskussionsrunde ging es um die mangelnden Befugnisse des Europäischen Parlaments durch das Fehlen von legislativem und Budgetrecht und darum, wie man den Einfluss der Lobbyisten beschränken könnte. „Man müsste das System der Europäischen Union ganz abschaffen und neu aufbauen, damit das Wähler- und Bürgerinteresse zum Tragen kommt“, meinte ein Zuhörer.

Auch Firmenspenden an Parteien waren ein Thema, nachdem CDU und FDP das Ausbleiben von Spenden der Firma Daimler jüngst als „Schwächung der Demokratie“ bezeichnet hatten. „Wir müssen Firmenspenden verbieten oder wie in Frankreich beschränken“, so Klaus Buchner dazu.

„Ich möchte, dass mehr über 5G berichtet wird“, zeigte sich ein junger Familienvater besorgt über das allgemeine Informationsdefizit. „Was ich tun kann, tue ich“, versprach Buchner, seinen Einfluss auch weiterhin geltend zu machen.

Mehr zu den einzelnen Themen, zur Vita des Kandidaten und auch zu den Erfolgen, die der ÖDP Abgeordnete bisher erzielen konnte, gibt es im Internet unter www.klaus-buchner.eu. Infos zum Kreisverband und dem Kandidaten Alexander Abt unter http://www.oedp-memmingen.de