„Wirklich erschüttern tut mich selten etwas“

Die Lokale im Gespräch mit Oberbürgermeister Manfred Schilder

veröffentlicht am 30.03.2020

Oberbürgermeister Manfred Schilder zieht eine kleine „Halbzeitbilanz“. Foto: W. Radeck

Memmingen (as). Halbzeit im Rathaus: Am 18. März 2017 setzte sich Manfred Schilder bei Wahl um das Amt des Rathauschefs gegen seinen Herausforderer Dr. Friedrich Zeller (SPD) durch. Lokale-Redakteurin Antje Sonnleitner sprach mit ihm über die ersten drei Jahre seiner Amtszeit – und über die Corona-Krise.

Herr Schilder, zunächst mal Gratulation zum „Bergfest“ – die Hälfte ihrer ersten Amtszeit als Oberbürgermeister in Memmingen ist vorüber. Zeit für ein kleines Resümee, zunächst außerhalb von Corona.

In den drei Jahren ist viel passiert. Auf welche Errungenschaften Ihrer Amtszeit sind Sie besonders stolz?

Es ist mir gelungen, durch Bürgersprechstunden, Bürgerversammlungen und -gespräche in den Stadtteilen stärker in Dialog mit den Bürgern zu kommen, das hat in der Vergangenheit meines Erachtens nicht so funktioniert. Hier ist schon viel erreicht worden, auch wenn man vieles immer noch besser machen kann.

Was war denn Ihr ganz persönliches „Highlight“?

Beim Kinderfest auf dem Balkon der Großzunft zu stehen! Schon als kleiner Bub auf dem Marktplatz habe ich es als etwas ganz Besonderes empfunden, dort oben stehen zu dürfen. Das Kinderfest jetzt aus dieser exponierten Position heraus als Oberbürgermeister erleben zu dürfen, war etwas ganz Großartiges für mich.

Was lief nicht so wie gewollt, was war ihre größte Enttäuschung?

Die Ikea-Ansiedlung. Es hat mich auch persönlich enttäuscht, dass es am Ende nicht geklappt hat - auch vor dem Hintergrund, dass wir sehr viel Energie, Kraft und Arbeit in das Projekt investiert und viele schwierige Verhandlungen geführt haben. Durch die neue Unternehmensstrategie von Ikea war das alles mit einem Federstrich vom Tisch und alle Bemühungen umsonst. Doch es gab auch viele andere Herausforderungen, die mich persönlich sehr beschäftigt haben.

Können Sie all diese Entscheidungen, Konflikte und Herausforderungen nach einem langen Arbeitstag einfach abschütteln, wenn Sie nach Hause kommen?

Nein, das nimmt man natürlich mit nach Hause und grübelt weiter darüber nach: „Haben wir den richtigen Weg eingeschlagen? Passt das so wie wir das machen?“- Ich rede auch mit meiner Frau über schwierige Themen und Projekte. Es hilft oft schon, dass sie mir zuhört, aber ganz los wird man das nie. Aber Gott sei Dank habe ich eine gute Konstitution und ein dickes Fell. Ich kann mich maßlos ärgern, aber wirklich erschüttern tut mich selten etwas.

Wie würden Sie als Ratshauschef Ihren Führungsstil charakterisieren?

Jeder kann offen seine Meinung sagen, es gibt keine Denkverbote. Ich fordere auch Kritik, erwarte dann aber auch konstruktive Lösungsvorschläge. Die Freiräume werden von den Mitarbeitern als wertschätzend und angenehm empfunden. Es tut gut, eine hoch engagierte und hundertprozentig loyale Verwaltung zu haben mit MitarbeiterInnen, die auch über den Tellerrand des eigenen Referats hinausschauen.

Nun zur aktuell größten Herausforderung: der Corona-Krise. Eigentlich war klar, dass Covid-19 nicht in China bleibt, dennoch hat lange niemand so recht geglaubt, dass das Thema uns alle betrifft. Wann hat die Stadt Memmingen begonnen, Vorkehrungen zu treffen?

Wir haben erste Meldungen aus China über Infektionen mit Covid-19 schon früh sehr ernst genommen und bereits Ende Januar einen Krisenstab eingerichtet um zu überlegen, wie wir mit der Situation umgehen. Ich bin dankbar, dass Memmingen sich im Gegensatz zu anderen kreisfreien Städten immer noch ein Gesundheitsamt leistet. Das erweist sich nun als großer Vorteil.

Wie erleben Sie die Bürgerinnen und Bürger im Umgang mit der Krise?

Die Krise ist sehr ernst und ich bedanke mich an dieser Stelle bei den Bürgerinnen und Bürgern, dass sie die Situation auch ernst nehmen. Die meisten halten sich beim Einkaufen daran, Abstand zu wahren. Einige kritisieren, dass der Wochenmarkt noch stattfindet, doch das ist ein Markt, der der Grundversorgung dient. Hier kaufen die Menschen ihre Lebensmittel ein und wenn wir den Markt schließen, müssten wir auch die Supermärkte schließen.

Die größte Herausforderung muss wohl das Klinikum stemmen. Sehen Sie Probleme, dass das Haus überfordert werden könnte?

Durch die Ausgangsbeschränkungen wird sich die Verbreitung des Virus zumindest verzögern, so dass eine Überlastung vermieden werden kann und auch Akutpatienten weiterhin behandelt werden können. Wir haben ein leistungsfähiges Haus, hervorragende Mediziner und exzellentes Personal. Natürlich stellt die derzeitige Situation eine besondere Herausforderung dar, doch unser Klinikum kann das leisten und ist stets auf etwaige Krisen vorbereitet.

Das öffentliche Leben steht beinahe still. Welche Auswirkungen hat die Krise denn ganz persönlich für Sie?

Mein Terminkalender ist leer! Das ist völlig ungewohnt. Auch bei internen Abstimmungen mit meinen engsten Mitarbeitern ist es gewohnheitsbedürftig, in einem großen Raum mit zwei Metern Abstand zwischen den einzelnen Akteuren zu sitzen. Das schränkt ein, aber ich halte mich natürlich auch selbst an alle Vorgaben.

Probleme haben auch viele Memminger Vereine, allen voran der ECDC und FC Memmingen, die zweifelsohne Aushängeschilder Memmingens sind. Wie kann die Stadt hier helfen - kann sie überhaupt helfen?

Das wird zu prüfen sein. Es ist noch zu früh, über einen Rettungsschirm zu spekulieren, doch wir lassen die Vereine sicherlich nicht im Regen stehen. Wenn klar ist, was für ein Schaden entstanden ist, werden wir uns mit den Vereinen zusammensetzen.

Neben Memminger Meile und Stadtfest stehen heuer die Wallensteinspiele und Fischertag an, die bayerischen Theatertage sind bereits abgesagt. Werden diese Veranstaltungen überhaupt stattfinden? Oder könnten sie um ein Jahr geschoben werden, so wie das 20. „Memmingen blüht“?

Hinter all diesen Festen stecken viele Monate der Vorbereitung und großes ehrenamtliches Engagement. Die Entscheidung kann nur aus reiflicher Überlegung heraus im Einvernehmen mit den Veranstaltern getroffen werden. Darum kann ich diese Frage derzeit noch nicht beantworten.

Zum Schluss: Was wünscht sich der Oberbürgermeister verkünden zu können, wenn er seinen Jahresrückblick 2020 formuliert?

„Die Corona-Krise ist überstanden, das Leben geht weiter, unsere Unternehmen haben die schwierigen Zeiten wirtschaftlich überlebt - und wir haben bewiesen, dass wir eine starke Stadtgesellschaft sind, die in schwierigen Zeiten zusammensteht.“

Das ist ein schönes Schlusswort, vielen Dank für das Gespräch, Herr Oberbürgermeister Schilder.