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„Nachfragen statt Beurteilen“ - Podiumsdiskussion zum Zusammenleben der Religionen

veröffentlicht am 24.03.2015

Als Vertreter von Christen, Muslime und Aleviten diskutierten Simone Bach (Versöhnungskirche Memmingen), Zeynel Aslan (Aleviten Memmingen), Ilker Kansu (Verein zur Förderung der Ideen Kemal Atatürks), Dr. Maria Weiland (City Seelsorge Memmingen) und Aykan Inan (Landesverband DITIB) im kleinen Saal der Stadthalle über Religion, Gesellschaft und wie vor Ort ein friedliches Zusammenleben auf Dauer möglich ist. Fotos: Sonnleitner Moderiert von Hans C. Waegele diskutierten (v.l.) Simone Bach (Versöhnungskirche Memmingen), Zeynel Aslan (Aleviten Memmingen), Ilker Kansu (Verein zur Förderung der Ideen Kemal Atatürks), Dr. Maria Weiland (City Seelsorge Memmingen) und Aykan Inan (Landesverband DITIB) im kleinen Saal der Stadthalle über ein friedliches Zusammenleben ihrer Glaubensrichtungen. Fotos: Sonnleitner

Memmingen (dl). Unter dem Motto „Weltreligionen in Memmingen – gemeinsam friedlich in die Zukunft!?“ veranstalten die vhs Memmingen und das Projektbüro Soziale Stadt eine Podiumsdiskussion mit Vertretern von Christen, Muslimen und Aleviten zum aktuellen Thema des Zusammenlebens der Religionen. Über 100 Gäste, darunter auch Bürgermeister Werner Hering und einige Stadträte, besuchten die Veranstaltung, die ein gegenseitiges Kennenlernen und Vertrauensbildung zum Ziel hatte.

Jeder fünfte Bürger in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, etwa fünf Prozent sind muslimischen Glaubens. „Der Islam gehört längst zu Deutschland“, konstatierte der Moderator und Theologe Hans Christian Waegele. Höchste Zeit also, sich auch angesichts von Phänomenen wie Pegida zu fragen, was man vor Ort und ganz konkret in Memmingen tun kann, „um nicht nur den Status quo zu verwalten“, wie Waegele es formulierte, sondern auch zukünftigen Ansprüchen an das Zusammenleben der Religionen gerecht zu werden. „Religion ist kein Trennungsgrund, sondern eine freie persönliche Entscheidung“, so der Moderator, der in Hinblick auf den islamischen Fundamentalismus daran erinnerte, dass auch das Christentum eine blutige Geschichte habe und an seinem Herkunftsort Dachau unsägliche Verbrechen im Sinne einer Ideologie verübt wurden.

„Wir wollen Teil der Gesellschaft sein"

„Was stellen Sie sich unter Integration vor?“, war die erste Frage, die er an die Podiumsteilnehmer richtete. Integration sei nicht nur eine Leistung des „von draußen Kommenden“ sondern auch eine Frage des Entgegenkommens, war man sich einig. „Wir wollen Teil der Gesellschaft sein und kein zu integrierender Fremdkörper“, forderte Aykan Inan vom Landesverband DITIB, der größten islamischen Religionsgemeinschaft in Bayern, die über den Islam aufklären will. „Wir sind Bürger hier in Bayern und in Memmingen und möchten unseren Beitrag für die Belange der Menschen hier leisten.“

Im zweiten Teil der Diskussion wurden Fragen des Publikums beantwortet, die diese auf Karten formuliert hatten. Neben Fragen die der Information über die Religionsgemeinschaften dienten, wurden vor allem das Thema Gleichberechtigung angesprochen wobei die Podiumsteilnehmerin zugeben mussten kommen, dass Anspruch und Wirklichkeit ihre Religionen zum Thema Gleichberechtigung nicht nur in islamischen Gesellschaften sondern auch in der katholischen Kirche auseinanderklaffen.

Die Wahrheitssuche anderer Religionen anerkennen

Ein weiterer Schwerpunkt der thematisch weit gespannten Diskussion war der Missbrauch von Religion als Machtinstrument, der sich in der Geschichte unheilvoll ausgewirkt hat. Man könne die eigene Wahrheit vertreten und dabei die Wahrheitssuche anderer Religionen anerkennen, meinte Weiland, die an das Liebesgebot als Kern der Religionen erinnerte. „Religion kann nur ein Angebot sein, kein gewaltsames Überstülpen“. Es müssten Werte vertreten werden, nicht Dogmen, betonte Zeynel Aslan.

Die Angst vor dem Fremden, die Bewegungen wie Pegida hervorbringe, sei ein großer Hemmschuh. „Der andere muss nicht erst ein Stück weit ich werden, um verstanden werden zu können, betonte die katholische Pastoralreferentin Weiland. „Nachfragen statt Beurteilen“ sei Voraussetzung für Austausch und Begegnung. Ilker Kansu vom Verein zur Förderung der Ideen Kemal Atatürks nannte Medienkompetenz als wichtigen Faktor zur Vorbeugung gegen Vorurteile, Angst und Hass. Pegida sei das Resultat medialer Angstmacherei.

Harmlose  Minderheitenbewegung oder Gefahr für das Zusammenleben?

Der Nachwuchs geht das Thema entspannter an: Kazim Gürsoy, Jugendsprecher des DITIB. Ähnlich sahen das auch Gözde Sen von der alevitischen Gemeinde und die in der katholischen Kirche engagierte Melanie Adam. Der Nachwuchs geht das Thema entspannter an: Melanie Adam, Gözde Sen und Kazim Gürsoy im Gespräch mit Moderator Waegele.

Im Gegensatz zu erwachsenen Diskussionsteilnehmern wie Dr. Maria Weiland (City Seelsorge Memmingen), die Phänomene wie Pegida als besorgniserregend ansieht und Aykan Inan, der die „immer größere Islamfeindlichkeit in Deutschland“ beängstigend findet, zeigte sich der religiöse Nachwuchs weniger besorgt. „Pegida ist eine Minderheitenbewegung und stellt keine Gefahr dar“, meinten Kazim Gürsoy, Jugendsprecher des DITIB. Ähnlich sahen das auch Gözde Sen von der alevitischen Gemeinde und die in der katholischen Kirche engagierte Melanie Adam. Alle drei Jugendlichen wünschten sich eine über den Stadtjugendring hinausgehende Vernetzung und mehr städtische Unterstützung für interkulturelle Aktionen.

„Memmingen ist eine weltoffene Stadt"

Befragt nach dem Integrationsklima in Memmingen, nannte Bürgermeister Werner Häring integrative Einrichtungen wie das „Fest der Kulturen“, die „Soziale Stadt“ und die „Woche der Brüderlichkeit“. Die Stadt Memmingen habe außerdem einen der ältesten Ausländerbeiräte Deutschlands. „Memmingen ist eine weltoffene Stadt, wir leben die Integration“, so Häring. Simone Bach, Pfarrerin an der Versöhnungskirche Memmingen, lobte die Integrationsleistung der Schulen: An allen Stadtschulen findet auch islamischer Religionsunterricht statt.

Auf die Frage des Moderators nach weiterführenden Modellen für das Zusammenleben regten Dr. Maria Weiland und Simone Bach einen runden Tisch der Religionen an, der dem gegenseitigen Austausch dienen soll. Die Diskussion schloss mit einem Friedenslied, vorgetragen von Zeynel Aslan.