
Die aufmüpfige Wäscherin (Veronique Weber-Krapinski) alias die „Bockige“ geht auf die Barrikaden. Fotos und Galerie: Sonnleitner
Memmingen (as). Ab 16 Uhr verwandelte sich der Marktplatz gestern in ein lebendiges Freilufttheater. Inmitten eines Jahrmarktambientes mit vielen Mitmach-Stationen erleben die Besucher Spiele und kulinarische Genüsse. Das Theaterspektakel „UFFRUR! … on the road“ brachte den Bauernkrieg von 1524/25 in einer modernen und emotionalen Inszenierung unters heutige Volk.
„Unterhaltsam, zwanglos und spielerisch und für alle Altersgruppen ohne Vorwissen zu genießen“, beschrieb Jan-Christian Warnecke, Projektleiter der Roadshow, das Event im Vorfeld. Das Projekt im Rahmen der Großen Landesausstellung 500 Jahre Bauernkrieg“, präsentiert vom Landesmuseum Württemberg, will die Ungerechtigkeit der Gesellschaft Anfang des 16. Jahrhunderts verdeutlichen. „Es gab fünf Prozent Adel und Klerus und 95 Prozent andere Menschen“, verdeutlicht Warnecke das Missverhältnis zwischen Machtverteilung und Mehrheiten.
Das Theater- und Musikspektakel „Uffrur! … on the road“ zeigt am Abend streiflichtartig, wie groß der Druck und der Hass war, als es zum „Jetzt oder nie“ des Aufstands von 1525 kam.
„Wir wollen mehr wert sein als das Vieh!“
„Die Teilung in Herrschende und Untertanen bleibt“, erklärt die arrogante Anne von Hochgeboren (Elisabeth Schuller) dem Pflüger (Oliver Walter). Während die aufmüpfige Wäscherin (Veronique Weber-Krapinski) alias die „Bockige“ auf die Barrikaden geht: „Wir wollen mehr wert sein als das Vieh!“
Mit großen Gesten und viel Überzeugungskraft agieren die fünf Schauspieler auf einer kleinen, wie ein Karussell anmutenden runden Bühne. Sie rotieren im Kreis, um alle Seiten des mit Bierbänken bestuhlten Marktplatzes zu erreichen, auf dem die Zuschauer dicht gedrängt dem temperamentvollen Schlagabtausch lauschen, den sich "der Adel" mit dem "einfachen Volk" liefert.
Zwei unversöhnliche Welten
Hier, an diesem durch einige Requisiten als Schenke erkennbaren Ort, prallen die Welten aufeinander, angezeigt auch durch eine rotes Band, das von der Bühne aus quer über den Marktplatz gespannt ist, um dem Publikum die Teilung zwischen Privilegierten und Unterprivilegierten zu verdeutlichen. Wie lebende Pfosten überwachen in rote Gewänder gehüllte Statisten auf Hochstühlen als Kardinäle das Geschehen. Begriffe wie „Herrschaft“, „Macht“, „Oberhoheit“ und „Erbfolge“ zieren schlaglichtartig bunte Fahnen, die auf Stelen rund um den Marktplatz platziert sind.
Auf der Bühne sucht indes Jens Lamprecht in der Rolle des Wirts beiden Welten gerecht zu werden, während er andererseits als Zeremonienmeister in der Rolle des Narren durch die zehn Akte des Stücks führt und die Protagonisten reihum provoziert, den Bauernprediger (Sascha Wolf) in eine Identitätskrise treibt und den Konflikt mit unbequemen Wahrheiten vorantreibt.
„Jetzt schlagen wir zurück“
Wie das Geschehen vor 500 Jahren sich zuspitzt haben mag, bis Hunger, Leid und Rachegelüste in den ultimativen Entschluss mündeten „Jetzt schlagen wir zurück“, ist an den in Reimform gehalten Dialogen und den stimmungsvollen, von Gitarrenmusik untermalten Liedern skizziert. Wie wir alle heute wissen, waren die „Haufen“ dem Schwäbischen Bund hoffnungslos unterlegen. Dem als Bauernkrieg in die Geschichte eingegangenen Konflikt, auf der Bühne multimedial angedeutet durch Nebel, Trommeln, Kampfesgeschrei und Feuerprasseln, fielen 70.000 Menschen zum Opfer – ein hoher Preis den wiederum viele zahlten für das Wohl einzelner.
„Macht das Geschehen uns ein Stück weiser?“, fragt der Narr am Schluss. Und gibt die Verantwortung weiter ins Publikum: „Es liegt an uns …“.
Ungerechtigkeit spielerisch erfahren
Ungerechtigkeit spielerisch und augenzwinkernd erfahren konnten die Zuschauer bereits ab 16 Uhr in der Erlebniswelt auf dem Marktplatz als Teil des Projekts: Betrat man das Spielgelände von der südwestlichen Seite wurde man auf der Seite der Benachteiligten willkommen geheißen und durfte an diversen Spielstationen wie dem unfairen Tischkicker und beim Katz- und Maus-Schach erleben, dass Ungleichheit eine äußerst ungerechte Verteilung der Chancen beinhaltet.
Konzerte am Abend
An das Spektakel schloss sich ein Konzertabend mit großer musikalischer Bandbreite an. Mittelalterliche Sackpfeifenmusik war ebenso zu hören wie Folkrock in Allgäuer Mundart und Raggae.
Das Mitmachspektakel „Uffrur on the road“ wird noch den ganzen Sommer über im Südwesten unterwegs sein.
Unsere Bildergalerie zeigt ein paar Impressionen des Tages: