„Nie der richtige Zeitpunkt“

Türkisch-Islamische Gemeinde klagt für ihr Minarett

veröffentlicht am 05.03.2024

So sieht der Entwurf für das beantragte Minarett aus. Grafik: Fatih Demirsoy

Memmingen (sg). Die Türkisch Islamische Gemeinde Memmingen, seit 1987 dem Dachverband der Ditib in Köln zugehörig, ist im Jahr 2008 in die Moschee in der Memminger Schlachthofstraße 40 eingezogen. Nun möchte die Gemeinde noch ein 24 Meter hohes Minarett anbauen und die dafür nötigen rechtlichen Mittel ausschöpfen. Bekanntlich hatte der Stadtrat den Bauantrag abgelehnt, nun erwägt der Verein eine Klage vor dem Verwaltungsgericht in Augsburg. Wir haben darüber mit dem ersten Vorstand, Muhammet Kul, gesprochen.

Muhammet Kul ist Vorstand der Ditib Türkisch-Islamischen Gemeinde Memmingen. Foto: privat

Die Ditib Türkisch-Islamische Gemeinde Memmingen praktiziert ihren Glauben hier seit über 50 Jahren, seit etwa 15 Jahre mit eigener Moschee. Warum will die Gemeinde nun noch ein Minarett, zur Ausübung der Religion ist dies doch nicht nötig, oder?

Richtig, dafür ist ein Minarett nicht nötig, aber ein Minarett macht eine Moschee erst vollständig. In arabischen Ländern oder in der Türkei ist eine Moschee ohne Minarett heutzutage selten, es gehört einfach dazu. Obwohl die ersten Moscheen vor 1.500 Jahren noch kein Minarett hatten.

Beim Bau der Moschee in der Schlachthofstraße sei gesagt worden, dass es kein Minarett geben werde. Nun haben Sie doch eins beantragt und klagen baurechtlich die Zustimmung ein. Das löst in der Stadtgesellschaft die Sorge aus, dass dann auch Gebetsrufe folgen können. Auch wenn es jetzt noch nicht geplant ist. Was sagen Sie dazu?

Meines Wissens gibt es keine schriftlichen Dokumente über die Aussage, kein Minarett zu bauen. (Anmerkung der Redaktion: Auch laut Angaben der Stadt Memmingen gibt es dazu keine schriftliche Vereinbarung). Aber dass es keine Lautsprecher und keinen Muezzin geben wird, habe ich dem Bauantrag hinzugefügt. Das kann jeder einsehen. In Ausnahmesituationen, wie wir sie 2021 während Corona oder 2023 nach dem Erdbeben in der Türkei hatten, reichen Lautsprecher auf dem Dach, um Gebetsrufe erklingen zu lassen – mit Genehmigung des Ordnungsamtes. Ich selbst bin auch gegen einen Muezzin in Memmingen, der fünf Mal am Tag zum Gebet ruft, da wir hier nicht in einem muslimischen Land sind.

Seit wann gibt es konkrete Pläne ein Minarett zu bauen?

Seit 2016 wird das Minarett geplant, aber irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt. Letztes Jahr im Sommer haben wir die Pläne im Gestaltungsbeirat eingebracht und positives Feedback erhalten. In einem Artikel in der Memminger Zeitung äußerten sich Ende Juli zudem alle Fraktionen des Stadtrats, bis auf die AfD, unterstützend. Mit den Anschlägen der Hamas auf Israel im Oktober 2023 habe ich wahrgenommen, dass sich etwas geändert hat. Dabei leben wir hier in Memmingen seit über 50 Jahren friedlich, sind offen und haben stets auch eine gute Kooperation mit den christlichen Kirchen und der Stadt gepflegt.
Nach den Anschlägen wurde uns nahegelegt, dass doch nicht der richtige Zeitpunkt für den Bauantrag sei und wir noch warten sollen. Aber wann ist dann der richtige Zeitpunkt, was ist in fünf Jahren anders? Daher haben wir im Vorstand einstimmig entschieden den Bauantrag trotzdem jetzt zu stellen.

Ein Streitpunkt im Stadtrat waren auch die 24 Meter Höhe für das Minarett. Könnten Sie sich vorstellen kleiner zu bauen?

Die 24 Meter haben sich ergeben, weil die bestehenden Türme bereits 17,4 Meter hoch sind. Es soll auch optisch schön aussehen. Daher haben wir uns übrigens auch für ein eckiges statt für ein rundes Minarett entschieden, damit es zu der Bauweise der Moschee insgesamt passt.

In der Stadtgesellschaft ist die Meinung zu dem Minarett gespalten, das haben wir auch an dem Ergebnis in der Stadtratssitzung ablesen können. Sie haben sich dennoch entschieden Ihr Recht einzuklagen. Warum?

Ich will nicht unbedingt klagen, aber man sollte Religion und Politik nicht vermischen. Baurechtlich ist das Minarett genehmigungsfähig. Wir haben daher keine andere Möglichkeit gesehen als zu klagen.

Wie werden Sie mit den Sorgen in der Stadtgesellschaft umgehen? Planen Sie Veranstaltungen, um Menschen anzusprechen und zu informieren?

Es gibt jährlich den Tag der offenen Tür am 3. Oktober, zu dem wir auch letztes Jahr eingeladen haben. Wir wollen ein Miteinander, Konflikte aus dem Weg räumen und die Menschen zum Thema Minarett ansprechen. (Anmerkung der Redaktion: Am Samstag, 24. Februar - nach unserem Interview - gab es z. B. einen Infostand in der Fußgängerzone).
Grundsätzlich ist jeder bei uns willkommen, kann an den Freitagsgebeten teilnehmen oder mich jederzeit anrufen. Das sieht man auch daran, dass zu uns in die Moschee Menschen aus Bosnien, Albanien, Syrien und der Türkei gleichermaßen kommen. Regelmäßig nehmen rund 400 Männer am Freitagsgebet teil. Die Moschee ist nur ein Raum für den Glauben, hier finden keine politischen Gespräche statt.

Vielen Dank für das Gespräch und Ihre Zeit!