„Wir sind gute Praktiker“

Bauernproteste im Fokus bei „Jetzt red i“

veröffentlicht am 01.02.2024

Bei "Jetzt red i" in der Memminger Stadthalle stellten sich Agrarökonom Karl Bär (B‘90/Grüne) und die Bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) den Fragen der Zuschauer. Foto: Wolfgang Radeck

Memmingen (sg). Zum Thema „Bauernwut und Ampelfrust – Wie viel ist uns unsere Landwirtschaft wert?“ hatte der BR zur bekannten Bürgerdiskussion „Jetzt red i“ in die Memminger Stadthalle eingeladen. Rund 120 Gäste, darunter einige Bauern aus der Region, diskutierten angeregt und kontrovers mit der Bayerischen Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) und Agrarökonom Karl Bär (B‘90/Grüne).

Die Proteste der Landwirte dauern bundesweit an. Auch „Jetzt red i“ kündigte sich schon im Vorfeld lautstark durch einen hupenden Demonstrationszug von rund 850 Traktoren um die Memminger Innenstadt an. Die durchaus hitzige Veranstaltung wurde von dem andauernden Hupen draußen begleitet. Vor der Stadthalle verfolgten zahlreiche Landwirte neben dort geparkten „Protest-Traktoren“ die Sendung.

Der Druck im Kessel sei enorm, so Moderator Tilmann Schöberl, der versuchte konkrete Fragen und Anliegen der Zuschauer an die Politiker zu vermitteln. Per Chat eingereichte Fragen von Zuschauern gab seine Kollegin Franziska Eder weiter.

Gute Praktiker

Das Thema Auflagen, Vorschriften und Bürokratie wurde am meisten angesprochen und kritisiert. Die überbordende Bürokratie von Brüssel nach Berlin bis München sei kaum noch zu bewältigen, so Landwirt Philipp Jans aus Illertissen und betont: „Wir sind gute Praktiker!“ Dem stimmten auch seine Berufskollegen in ihren Redebeiträgen zu und fordern wieder mehr Eigenverantwortung.

Kaniber gab ihnen Recht und erwähnte den vor kurzem ins Leben gerufenen Praktikerrat mit Landwirten sowie Vertretern der Landwirtschafts-, Umwelt- und Waldbesitzerverbände, des Lebensmittelhandwerks und der Staatsregierung. Dieser beschäftige sich schwerpunktmäßig mit zwei Themen: die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) ab 2028 und dem Bürokratieabbau.

Bayern als Vorbild

„Machen wir uns nichts vor. Der Frust der Bauern draußen auf der Straße, aber auch der Handwerkerschaft und der Gastronomie, ist groß. Weil alle Verbote der Ampel selbst den stärksten Bauern umhauen, und andere Gewerke gleich mit“, so Kaniber. Einen derartigen Bruch und Rückgang in der Landwirtschaft wie in den letzten beiden Jahren habe es noch nie gegeben, das System habe sich „end-entwickelt“, sagt sie. Kaniber plädiert für einen bayerischen Weg der Vereinfachung als europäisches Vorbild, die kleinen und mittelständischen Betriebe im Fokus. Sie war auch nach der Sendung noch sehr gefragt und hatte ein offenes Ohr für die Landwirte.

Weniger Tierhaltung?

Dass nach Volksbegehren und runder Tische in den letzten Jahren keine Umsetzung stattgefunden habe, bestätigte Karl Bär, der sich unter anderem für den Tierwohlcent und gegen die Fortführung der Flächenprämien aussprach. Auch die Forderung einer Tierwohlaktivistin von Animal Rebellion, die vor allem die Anbindehaltung als „unsägliches Tierleid“ bezeichnete und sich für mehr Acker- und Gemüsebau aussprach, unterstützte Bär mit seiner Aussage: „Ja, wir brauchen weniger Tierhaltung.“ Der Grünenpolitiker nannte jedoch keine konkrete Zahl, während die junge Aktivistin sich konkret für mindestens 80 Prozent Pflanzenbau aussprach. Kaniber hingegen steht klar zur Tierhaltung, gerade in einer dadurch geprägten Region wie dem Allgäu.

Am Regal endet die Moral

Die Bauern stehen nur am Anfang der Kette - am Ende entscheiden die Verbraucher, wie viel ihnen Lebensmittel aus heimischer Produktion wirklich wert sind. Auch dieser Aspekt wurde in einem Einspieler beleuchtet. Und Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern, brachte es in der Sendung auf die „altbekannte“ Formel „Am Regal endet die Moral“. Oder anders ausgedrückt, der Preis entscheidet.

Die ganze Sendung können Sie hier nochmals ansehen.